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27
08
2010

Spätestens auf der IOC-Session 2013, wenn Rogge das Präsidentenamt an seinen Nachfolger übergibt, wird die Dreier-Variante des Basketballs olympisch, behaupte ich einfach mal.

Jens Weinreich – Nachwehen der Jugendspiele: Dreier-Basketball wird (ziemlich sicher) olympisch

By GRR 0
IOC-Präsident Jacques Rogge verfolgt mit den Olympischen Jugendspielen mehrere Ziele. Eines lautet: Er will über den Umweg der Youth Olympic Games neue Disziplinen und künftig auch neue Sportarten testen für die echten Olympischen Spiele. „Wir entwickeln neue Formate“, hat er zu Beginn der Premiere in Singapur gesagt, „die sollten wir, wenn sie erfolgreich sind, auf die traditionellen Spiele anwenden.“

Der Basketball-Weltverband FIBA ist ein Vorreiter dieser Entwicklung. Die FIBA hat für die Jugendspiele in Singapur einen neuen Wettbewerb kreiert, der an die Wurzeln dieser Sportart geht: Mädchen und Jungs spielten drei gegen drei, eine Art Streetball, FIBA 33 genannt. Der Schweizer FIBA-Generalsekretär Patrick Baumann, selbst IOC-Mitglied, sprach stets von einem „realistischen Traum“, dass seine neue Basketball-Variante olympisch werden könnte – etwa bei einem Hintergrundgespräch mit Rogge im April 2010 in Dubai.

Hinter diesem Traum steckt eine Strategie – und die ist erfolgreich: Carlos Nuzman, IOC-Mitglied in Brasilien und Chef des Organisationskomitees der Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro, sagt nun, er wünsche sich so ein Basketballturnier, drei gegen drei, in sechs Jahren an der Copacabana. So wird es kommen, so war es von Rogge geplant.

Man könnte natürlich sagen, Nuzmans Reaktion sei bestellt gewesen, war sie sicherlich, denn Rogge will und muss etwas vorzeigen. Man könnte natürlich auch behaupten: Nur FIBA 33 taugt vorerst fürs große Olympia. Ich sage: Es wird viel mehr passieren.

Spätestens auf der IOC-Session 2013, wenn Rogge das Präsidentenamt an seinen Nachfolger übergibt, wird die Dreier-Variante des Basketballs olympisch, behaupte ich einfach mal. Eigentlich bräuchte es die Session dazu gar nicht, denn das IOC-Exekutivkomitee kann das gemeinsam mit der FIBA beschließen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die FIBA gleichzeitig einige Teilnehmer beim herkömmlichen Turnier einspart, um die Aktivenzahl insgesamt nicht groß zu erhöhen. Die Sommerspiele sind auf rund 10.500 Athleten limitiert.

Der Fahrplan sei „logistisch und von der Wettbewerbsstruktur her realistisch“, sagte mir FIBA-Sprecher Florian Wanninger. Dreier-Basketball sei so alt wie das Spiel selbst und wurde vor Jahren bereits von den großen Ausrüstern unterstützt. Die Palette der FIBA-Wettbewerbe werde entscheidend erweitert und große Anreize für den Nachwuchs geschaffen. Außerdem sei Dreier-Basketball billig und gebe kleinen Nationen Chancen auf internationalen Ruhm, erklärt Wanninger:

„Das wird eine neue Bewegung und ein neues Werkzeug für unsere Mitglieder und es wird neue Fans zum Basketball locken.“

Generalsekretär Baumann sagt, 2012 könnte es die erste Weltmeisterschaft geben, es werde sich eine neue Generation von Spielern entwickeln, ähnlich wie vor Jahren im Beachvolleyball. Rios Organisationschef Carlos Nuzman weiß, wovon er redet: Er kommt aus dem Volleyball und hat die Entwicklung begleitet.

Die Deutsche Presse-Agentur trägt dazu u.a. hier einige Quotes zusammen:

“Ich bin davon begeistert. Es ist unheimlich dynamisch. So hat es auch mit Beachvolleyball begonnen.”
Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, Vizepräsident des Europäischen Basketball-Verbandes und Chef der Deutschen Sportjugend (u.a.)

“Für mich ist dieses Basketball das Innovativste bei den Spielen.”
Ulf Tippelt, DOSB-Leistungssportdirektor

Jacques Rogge hat mit den Jugendspielen, die in wenigen Stunden enden (hier geht es zur Übertragung der Abschlussfeier), zweifellos Fakten geschaffen. Die Modernisierung des Olympiaprogramms war seit seinem Amtsantritt im Juli 2001 eines seiner wichtigsten Projekte. Damit scheiterte er mehrfach am Widerstand des Establishments – etwa 2002 auf der IOC-Session in Mexiko-City und 2005 auf der Vollversammlung in Singapur. Im Kern wurde das Programm vor mehr als 100 Jahren vom IOC-Gründer Baron de Coubertin geformt. Das IOC hat auf neue Entwicklungen und Trendsportarten selten überzeugende Antworten gegeben.

Bei den Winterspielen gelang das besser, etwa mit der Einführung von Snowboard oder zuletzt Skicross. Bei den Sommerspielen aber, wo das Programm viel dichter ist, hat man im Grunde versagt. Die 35 olympischen Sportverbände (derzeit 26, demnächst wieder 28 Sommer/sieben Winter), von denen die meisten ein kolossales Akzeptanzproblem haben und ohne die Millioneneinnahmen aus dem olympischen Marketingprogramm nicht existieren können, hielten stets zusammen und verweigerten sich einer Grundsatzreform.

IOC-Papiere (alle pdf):

Blogbeiträge dazu:

Nach lang währenden sportpolitischen Scharmützeln wurden lediglich Softball und Baseball aus dem Programm der Sommerspiele verbannt (ab 2012 in London). Dafür kommen 2016 Golf und eine selten gespielte Rugby-Variante (mit sieben Aktiven) hinzu. Rogge rang der IOC-Session 2007 allerdings Zugeständnisse ab, wonach nun das Executive Board des IOC weitgehend selbständig über neue Disziplinen entscheiden und auch Sportarten zur Aufnahme ins Olympische Programm auswählen darf.

Die Verbände haben die Jugendspiele zunächst nur zögerlich angenommen, dann aber doch in Maßen experimentiert. Die FIBA ist ein Beispiel, andere Verbände führten gemischte Staffeln (Schwimmen) oder Mixed Wettbewerbe (Fechten) ein. Die Kanuten ließen Mann gegen Mann paddeln. Die Wettbewerbe zwischen Kontinental-Teams (u. a. Leichtathletik) und gemischten Nationenteams, die in Singapur ausprobiert wurden, wird es beim großen Olympia allerdings nicht geben. Dort wird weiter strikt in Nationalteams operiert.

Die Modernen Fünfkämpfer mit ihrem deutschen Weltverbandspräsidenten Klaus Schormann gehen wieder einmal voran. Schormann hat seinen Sport, der von Coubertin erfunden wurde, seit Mitte der neunziger Jahre sukzessive erneuert. Damals stand der Fünfkampf – eine Melange aus Laufen, Schwimmen, Schießen, Fechten und Reiten – vor dem Olympia-Aus und damit vor dem Exitus. Schormann knüpfte Allianzen im IOC und unter den anderen Verbänden, vor allem aber revolutionierte er die Sportart. Aus einem behäbigen Fünf-Tage-Wettbewerb ist ein schickes Ein-Tages-Event geworden. In Singapur wurden nun erfolgreich Laser-Pistolen getestet. „Damit kommen sie sogar problemlos durch den Zoll“, sagt Schormann und grinst über seinen neusten Clou. Denn die Frage der Grenzkontrollen ist eine ganz praktische für Waffenbesitzern.

„Die Laser-Pistolen“, teilt der Hesse beschwingt mit, „bauen sie einfach auseinander und dürfen sie sogar auf Flügen im Handgepäck bei sich haben.“ Schormann erfüllt dem IOC-Präsidenten noch jeden Wunsch.

Und wer weiß, vielleicht wird er für soviel Folgsamkeit belohnt und erreicht doch noch sein Lebensziel: eine IOC-Mitgliedschaft.

Jens Weinreich

www.jensweinreich.de

Jens Weinreich

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