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16
02
2011

Aber bei Kopfsalat und Spinat kann man unbesorgt zulangen. Nur Bedenkenträger werden da schwer zu schlucken haben.

Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Nützliches Nitrat – Heute: Die gesunde Seite eines „Umweltgifts“

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Nitrat hat kein gutes Image. Die stickstoffhaltige Verbindung steht in dem Ruf, möglicherweise Gesundheitsschäden hervorzurufen.

Es müsse „alles unternommen werden, die Nitratzufuhr auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren“, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung gefordert und entrüstet den Vorschlag der EU zurückgewiesen, den zulässigen Nitrat-Höchstgehalt für Salat und Spinat geringfügig anzuheben.

Nun, vielleicht irrt das Bundesinstitut hier. Denn inzwischen mehren sich die Hinweise, dass Nitrat kein Schad- sondern ein Nutzstoff ist. Das „Umweltgift“ könnte sich als gesundheitsfördernde Substanz entpuppen.

80 Prozent des vom Menschen aufgenommenen Nitrats stammt aus Obst, Gemüse und Getreide, 18 Prozent aus Wasser und Getränken, der Rest aus Wurst und Käse.

Pflanzen lagern das im Dünger enthaltene Nitrat in großer Menge in ihren Zellen ein, um mit seiner Hilfe Proteine herzustellen – ohne Nitrat sähe es schlecht um unsere Ernährung aus. Wahre Weltmeister im Nitratspeichern sind Spinat, Rucola, Kopfsalat und Rote Beete – besonders gesunde Nahrungsmittel und dominant in der als bekömmlich gepriesenen mediterranen Küche.

Aber das ist nur scheinbar ein Widerspruch, meint der Stoffwechselforscher Eddie Weitzberg vom Karolinischen Institut in Stockholm. Vielleicht sind es gerade die Nitrate, die einen Teil der gesundheitsfördernden Wirkung von Obst und Gemüse auf Herz und Gefäße ausmachen.

Nitrat wird von den Speicheldrüsen aufgenommen und mit dem Speichel in die Mundhöhle abgegeben. Hier „zerkleinern“ Bakterien das Nitrat zu Nitrit, das wiederum zu Stickstoffmonoxid, kurz NO, umgewandelt wird. Nun wird’s interessant, denn NO hat viele gut belegte segensreiche Wirkungen im Organismus. So „entspannt“ es die Blutgefäße.

Der Körper stellt NO selbst aus der Aminosäure Arginin her. Aber Nitrat aus der Nahrung könnte als NO-Reserve dienen und so dessen Wirkung verstärken. Darauf deuten Studien bei Mensch und Tier hin, nach denen Nitrat den Blutdruck senkt und Herz, Hirn, Nieren, Leber und Gliedmaßen vor Schäden durch schlechte Durchblutung schützt.

Vor kurzem ist der Nitrat-Forscher Weitzberg auf einen weiteren Nutzen gestoßen. Danach hilft die Substanz, bei körperlicher Anstrengung Sauerstoff einzusparen. Und Weitzberg glaubt nun auch, den Grund dafür gefunden zu haben. Wie er in einer Studie im Fachblatt „Cell Metabolism“ schreibt, verbessert Nitrat die Effizienz der Mitochondrien, der „Kraftwerke“ der Zellen. Das spart Sauerstoff ein – und eröffnet vielleicht Perspektiven für die Behandlung von Krankheiten wie Diabetes, bei denen die Mitochondrien häufig nicht richtig funktionieren.

Natürlich heißt das nicht, dass wir nun allesamt Nitratdünger als Fitmacher in Pillenform schlucken sollten. Dafür reicht die Beweislage nicht aus.

Aber bei Kopfsalat und Spinat kann man unbesorgt zulangen. Nur Bedenkenträger werden da schwer zu schlucken haben.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Sonntag, dem 13. Februar 2011

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