Blog
22
04
2011

Die Sportart wechseln wird Julia Viellehner trotz aller Erfolge im Triathlonsport keinesfalls

Julia Viellehner: Vom Verletzungspech verfolgt – aber weiterhin hochmotiviert für das Laufen – GRR-Nachwuchs-Preisträgerin 2005 ist eine der deutschen Langstrecken-Hoffnungen – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Julia Viellehner ist der Pechvogel der deutschen Langstreckenszene. Im Oktober 2009 gewann sie nach einer von zahlreichen Bestzeiten garnierten Saison den Halbmarathon in Köln in 1:14:36, wenig später qualifizierte sie sich als Siegerin des renommierten Darmstadt-Cross für die Cross-Europameisterschaften in Dublin – und galt für die nahe Zukunft als einer der Hoffnungsträger im Frauen-Langstreckenlauf.

Doch in der irischen Hauptstadt musste die deutsche Nationalmannschaft ohne die Athletin der LG Passau antreten. Fast gleichzeitig mit dem Europa-Championat wurde eine Stressfraktur im zweiten Mittelfußknochen festgestellt. Beginn einer Verletzungsgeschichte, die nach zahlreichen Therapie- und vergeblichen Aufbauversuchen im Training Mitte Januar 2011 mit einer Operation nun einen möglicherweise Schlusspunkt hat.   

„Seit Ende März kann ich ohne Krücken wenigstens schon einmal auf die Toilette gehen", freute sich Julia Viellehner mit sichtlicher Vorfreude auf die nächsten Genesungsschritte. „Einen Kilometer langsam gehen, das ist nun doch schon ein großer Fortschritt!" Bei Professor Dr. Walther In der Münchener Schönklinik wurde bei einer Computertomographie die Ursache stetiger Beschwerden festgestellt: Die Stressfraktur aus dem Jahr 2009 war keineswegs eine Muskel- oder Nervenentzündung, wie fälschlicherweise auch diagnosziert wurde, sondern ein immer noch nicht komplett verheilter Ermüdungsbruch im Mittelfußknochen.

Skitouren, Skilangläufe, unzählige Radkilometer und Spinning…

Skitouren, Skilangläufe, unzählige Radkilometer in klimatisch angenehmer Umgebung wie auch alternatives Training in diversen Fitness-Studios oder dem eigenen Spinninggerät im Arbeitszimmer oder im Schwimmbad – Julia Viellehner hat vieles ausprobiert und trotz aller Rückschläge immer wieder eine erstaunliche Fitness aufgebaut. So ging sie nach einem vorsichtigen Aufbautraining im April 2010 beim Würzburger Residenzlauf in einer ersten Standortbestimmung nach 36:43 über die Ziellinie. Eine Woche später sogar bayerischen 10 km-Meisterin in 35:34.

Ständig anhaltende Schmerzen mahnten derweil zur Vorsicht, MRT-Aufnahmen zeigten einen nicht vollkommen verheilten Bruch. Damit war allerdings auch der Weg bei einer überaus ehrgeizigen jungen Athletin für die nächsten Wochen aufgezeigt: Alternativtraining. Aber keineswegs ein Pillepalle-Training, sondern handfeste Grundlagenarbeit. Dabei standen Highlights wie der Berchtesgadener Radmarathon mit 191 km und 3 590 Höhenmetern, der Thumsee-Triathlon in Bad Reichenhall oder Triathlon in Rabenden auf dem Programm.

Dass dabei eine begabte Ausdauersportlerin mit einem unbändigen Willen, aus diesen Verletzungsproblemen das beste zu machen, in die Rennen ging, das lag ebenso auf der Hand. Elfte unter den Radspezialisten, Siege im Triathlon hauchdünn verpasst, das war höchst motivierend für die gelernte Heilerziehungspflegerin.  

Triathlonsiege motivieren

„Während der Rennen beklagte sich mein Fuß kaum, hat aber immer wieder verstärkt Regeneration und Pflege gebraucht", weiß Julia Viellehner. Und es sollte im Spätsommer noch besser kommen: Triathlonsiege beim Regensburger Duathlon und beim 3MUC Triathlon über die olympische Distanz in München. Doch damit nicht genug, sie fuhr die Eddy-Merckx-Radrundfahrt über 155 km und 2300 Höhenmetern mit und gewann den Alpentriathlon am Schliersee. Außergewöhnliche Leistungen für eine im Ursprung „Nur"-Läuferin.

Erste Gedanken an einen Start beim München-Marathon über die klassische Distanz wischte sie angesichts der lediglich 50 Wochenkilometer rasch beiseite und begnügte sich in der bayerischen Landeshauptstadt mit der 10 km-Strecke, die sie „natürlich" als Siegerin beenden konnte. Und schnell zudem! Mit 34:22 Minuten sprang allerdings dabei die drittschnellste 10 km-Zeit einer deutschen Läuferin für die Saison 2010 heraus.

Mit der Elite an der Startlinie

Und stand sogar Ende Oktober beim Frankfurt-Marathon im Ziel in der Festhalle. Allerdings als Staffelmitglied lief sie unter dem Motto „Gemeinsam mehr bewegen" den ersten Teilabschnitt und „genoss den Augenblick, mit der Elite gemeinsam ins Rennen gehen zu können". Die Idee, dieses Szenario bereits Ende Oktober 2011 zu wiederholen, dann allerdings als Marathonfrau, keimte bereits auf und bekam Konturen. Bevor eine weitere Computertomographie alle Träume des Ausdauertalents zerstörten, denn die permanenten Schmerzen rührten von der nach wie vor nicht vollständig verheilten Bruchstelle am Mittelfuß.

Die kostenintensive Stoßwellentherapie hatte dabei allenfalls Linderung, aber keine Heilung gebracht. Julia Viellehner ist eine Frau mit raschen Entscheidungen. So auch die Operation bei Professor Walther in der Schönklinik, der sie bei einer als Untersuchungstermin spontan zum Eingriff zusagte. „Ohne Zahnbürste", bekannte sie mit einem Lachen.  

„Eine Masse aus zentrifugiertem Blut und etwas Knochensubstanz aus dem Beckenkamm wurde mir in den Spalt des Knochens eingesetzt und mit einer Titanplatte fixiert", berichtete Julia Viellehner über die „letzte" Maßnahme zur Beendigung ihrer lang andauernden Verletzungsperiode. Schon im Februar war sie schmerzfrei und begann neben leichtem Rumpfstabi-Programm und leichten Spaziergängen mit Magnetfeldtherapie im FTZ Mühldorf. Ende März war bereits die nächste Stufe im Aufbautraining bei weiterhin sehr positiv verlaufendem Heilungsprozess erreicht, das intensive Rad- und Schwimmtraining konnte beginnen.

Kein Wechsel ins Triathlonlager

Gibt es bereits einen Fahrplan im Leben der sportbegeisterten Julia Viellehner? „Nicht direkt. Ende April werde ich vielleicht wieder etwas joggen können. Ich versuche derzeit ein Koppeltraining mit Sprinning und Schwimmen durchzuziehen, ergänzt durch Athletik- und Stabilitätstraining" erläutert die 26jährige aus Winhöring unweit von Wasserburg am Inn. „Genervt" ist sie natürlich wegen der (über)langen Verletzungsdauer, „aber so lange ich etwas tun kann, geht es schon!"

Bei Wettkämpfen zuschauen, das ist sicherlich für eine überaus aktive Frau wie Julia Viellehner eher eine Strafe. „Es kribbelt einfach! Ich bin dabei nicht frustriert, sondern es motiviert mich, da ich weiß, dass meine Grundlage keine schlechte ist!" Nach eigener Einschätzung hat sie aktuell ein Leistungsvermögen im Schwimmen wie im vergangenen Spätsommer, auf dem Fahrrad ist sie so intensiv unterwegs wie nie zuvor. „Mir fehlt lediglich die Laufkomponente". Wer allerdings schon lange, eigentlich schon zu lange, in der Warteschleife hängt, der macht sich über den Wiedereinstieg natürlich seine Gedanken und schmiedet Pläne. „Ich hatte eine traumhaft gute Herbstsaison und werde deshalb auch nichts überstürzen. Schließlich habe ich so lange ausgehalten. Ich denke, wenn der Fuß mitspielt, werde ich wieder über Triathlon einsteigen!"

Die Sportart wechseln wird Julia Viellehner trotz aller Erfolge im Triathlonsport keinesfalls. „Dazu schwimme ich zu schlecht!". Die Motivation für den Spitzensport ist ungebrochen, schließlich sieht sie sich mit 26 Jahren im besten Langstreckenalter. „Ich möchte wieder mitspielen. Ich traue mir auch einiges zu, weil ich mich auch richtig quälen kann!"

Der Szene tut eine positive, stets sympathisch daherkommende Läuferin gut, schließlich klafft in der vorolympischen Saison hinter Irina Mikitenko und Sabrina Mockenhaupt eine bedenkliche Lücke, die bei allen Bemühungen weder eine Simret Restle, eine Ingalena Heuck, noch eine Veronica Pohl oder eine Susanne Hahn bislang schließen konnte.   

Wilfried Raatz

author: GRR

Comment
0

Leave a reply