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25
05
2011

Die altersabhängige AMD ist die häufigste Ursache für Erblindung jenseits des 50. Lebensjahres.

Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin: Wieder sehen – Heute: Ein Mittel gegen Altersblindheit.

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Makula heißt der Punkt auf der Netzhaut, mit dem wir am schärfsten sehen. Ausgerechnet er ist im Alter in Gefahr. Makuladegeneration heißt das Augenleiden, das das Zentrum des Sehfelds verblassen und erblinden lässt. Es ist, als wenn in der Mitte der Welt ein Loch klafft.

Bei der „trockenen“ Form des Leidens, von der Millionen Bundesbürger betroffen sind, sammelt sich Stoffwechselmüll zwischen der Netzhaut und den sie versorgenden Blutgefäßen der Aderhaut an. Seltener, aber auch brisanter ist die „feuchte“ Makuladegeneration (AMD). Wuchernde und leckende Blutgefäße lassen die Makula anschwellen und können die Netzhaut ablösen und zerstören.

Die altersabhängige AMD ist die häufigste Ursache für Erblindung jenseits des 50. Lebensjahres.

Noch vor wenigen Jahren standen die Augenärzte einer feuchten AMD weitgehend machtlos gegenüber. Das hat sich geändert. Mittlerweile gibt es Medikamente, die das Gewächswachstum im Auge eindämmen und die Makula abschwellen lassen. Sie werden direkt ins Auge gespritzt. Die Mittel blockieren ein Eiweiß namens VEGF, das Blutgefäße sprießen lässt.

Die Erblindung kann meist verhindert, die Sehkraft oft gebessert werden. Es ist kein Zufall, dass VEGF-Blocker für die Krebsbehandlung entwickelt wurden. Denn auch Tumore brauchen Blutgefäße zum Überleben. Werden dem Krebs die Lebensadern abgeschnitten, geht er ein. Die beiden gebräuchlichsten Mittel gegen die feuchte AMD sind das gegen Darmkrebs zugelassene Bevacizumab („Avastin“, Hersteller Roche) und Ranibizumab („Lucentis“ von Novartis). Beides sind Antikörper, Wirkstoffe, die sich an VEGF heften und es unschädlich machen.

Der wesentliche Unterschied zwischen Avastin und Lucentis ist der Preis. Eine Spritze Lucentis entspricht einer Monatsration und kostet gut 1500 Euro, eine Dosis Avastin dagegen nur 50. Offiziell zugelassen gegen AMD ist nur Lucentis, und die eng verbandelten Hersteller haben kaum Interesse, dass sich das ändert. Lucentis verspricht Milliardengewinne.

Viele Augenärzte haben Avastin trotzdem eingesetzt. Völlig zu Recht, wie sich nun herausstellt. Eine Gruppe amerikanischer Ärzte hat beide Wirkstoffe im Vergleich getestet. Mit eindeutigem Ergebnis, wie die Mediziner im „New England Journal of Medicine“ berichten.

Die beiden Substanzen erwiesen sich nach einjähriger Behandlung als praktisch gleichwertig. Sie verbesserten die Sehschärfe bei Patienten mit neu aufgetretener feuchter AMD und ließen die Netzhaut abschwellen. Außerdem stellte sich heraus, dass die übliche monatliche Spritze nicht unbedingt sein muss. Es ist auch möglich, sie seltener zu geben, je nach Bedarf. Die Ergebnisse sind ähnlich gut.

Weitere Vergleichsuntersuchungen laufen, aber es gibt wenig Zweifel daran, dass das preiswerte Medikament genauso gut ist. Das Blatt hat sich gewendet. Nun müssen sich die rechtfertigen, die angesichts knapper Kassen noch auf ein ultrateures Medikament setzen. Künftig wird jeder, der eine Behandlung braucht, sie auch bekommen können. Preisgünstig.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel.  Sonntag, dem 8. Mai 2011

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