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2010 ING NYC Marathon NYC, NY, November 7, 2010 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

AUF ZUM MARATHON – Von Jürg Wirz – Der CONDITION Ratgeber – Teil I

By GRR 0

Der Marathon ist nach wie vor ein Renner. New York meldete im letzten November einen Weltrekord mit beinahe 45.000 Finishern. In Berlin waren die 40.000 Startplätze dieses Jahr bereits Ende Februar ausverkauft. Wir zeigen Ihnen, wie auch Sie ein Marathoni werden.

2.500 Jahre sind inzwischen vergangen, seit der griechische Bote Pheidippides von Marathon nach Athen gelaufen sein soll, um den Sieg gegen die Perser zu verkünden und dann, nach der Legende, tot zusammenbrach. Wir wissen nicht, ob sich das genauso zugetragen hat. Wir kennen auch die Distanz zwischen Marathon und Athen nicht, die der Soldat zurücklegte, zumal die Feldwege von damals natürlich längst verschwunden sind. Egal, der Marathon ist eine riesige Erfolgsgeschichte und zieht alle in seinen Bann. Ehrfurcht schwingt mit, Respekt für denjenigen, der die 42,195 km (seit 1924 die offizielle Distanz) mit Erfolg
hinter sich gebracht hat.

Ein Marathonläufer ist etwas. Er hat Konsequenz in seiner Lebensführung unter Beweis gestellt. Fast automatisch wird die Brücke vom Sport zum normalen Leben geschlagen: Wer eine solche Distanz durchhält, dem wird auch im Beruf ein überdurchschnittliches Leistungsvermögen attestiert.

Hat man in den 60er und 70er Jahren die Marathonläufer noch irgendwo auf die grünen Wiesen oder in den Wald geschickt, so ist heute kaum eine Großstadt ohne City-Marathon denkbar. Die Naturmarathons haben's schwer, viele sind verschwunden. Zum Marathon der Neuzeit gehören die Zuschauermassen, die bunten Farben, Musikgruppen, Fun. Die Auswahl an Marathonläufen ist enorm.

Weltweit werden jedes Jahr mehr als 600 ausgetragen, rund 100 allein in Deutschland. Sie haben die Qual der
Wahl. Es gibt sozusagen für jeden Geschmack etwas. Die drei verrücktesten Marathonläufe: der Parkhaus-Marathon in Dresden, wo Sie auf einem Rundkurs vom Erdgeschoss bis zum fünften Parkdeck laufen (www.wirinderlausitz.de/ par/par.html), der Untertage-Marathon in Sondershausen (hier drehen Sie mit Schutzhelm 700 m unter Tag vier große Runden; www.sc-impuls.de/3-untertage-spk-marathon. htm). Unsere Nummer drei der ausgefallensten Marathons: der Hallen-Nacht-Marathon in Senftenberg: 169
Runden auf einer 250-m-Hallenbahn (www.hohenbocka. de). Falls Sie, wie die meisten Läufer, eher auf das Erlebnis mit Tausenden von Gleichgesinnten und/oder eine persönliche Bestzeit aus sind, empfehlen wir Hamburg (www.marathon-hamburg.de), Frankfurt (www.frankfurtmarathon. com) und Berlin (www.scc-events.com).

Berlin ist der Weltrekordkurs, aber im mittleren Leistungsbereich wird's auf der Strecke ziemlich eng.

Während es für die Ultraläufer heißt „Irgendwann musst du nach Biel", ist im Marathon weltweit New York das Maß aller Dinge. Der Marathon, der 1970 mit 127 Läufern begann, ist längst zum größten und spektakulärsten geworden. Über eine Million Zuschauer stehen am ersten Novembersonntag jeweils Spalier und treiben die unendlich lange Läuferschlange an, die sich durch die fünf Stadtteile bewegt. Dank den Medien ist Running auch für die Zuschauer in, gerade in New York, wo die vielen menschlichen Schicksale mindestens so sehr interessieren wie die Herkunft und der Hintergrund der Sieger, in den meisten Fällen ein Kenianer aus
ärmlichen Verhältnissen.

Da ist der beinamputierte Kriegsveteran, der mit seiner Carbon-Prothese die Strecke bewältigt, der Promi, der es uns Normalsterblichen vormacht, die dreifache, allein erziehende Mutter, die den Krebs besiegt
hat und dann zur Läuferin wurde.

Der Marathon ist das faszinierende Abenteuer geblieben, bei dem keiner genau weiß, was auf ihn zukommt. Es ist wie ein Leben im Zeitraffer. Was sich in den letzten 20 oder 30 Jahren geändert hat, ist das Leistungsniveau: Gegenüber den 80er Jahren ist der Erlebnisfaktor bei vielen Marathonläufern an die Stelle des Leistungsgedankens getreten.

Damals war ein „richtiger“ Läufer, wer die 42,195 km unter 3 h geschafft hatte; heute geht es darum, aufrecht ins Ziel zu kommen. Ein Marathon ist aber nach wie vor nichts für Stammtischwetten. Ohne gezielte, seriöse Vorbereitung über mehrere Monate geht nichts. Voraussetzung ist, dass Sie schon längere Zeit mindestens 2-3 x in der Woche laufen und auch schon Erfahrung auf der Halbmarathondistanz haben, ohne Weiteres aber auch mit Gehpausen.

 

Wir zeigen Ihnen, wie Sie sich in viereinhalb Monaten auf einen Marathon vorbereiten können.

 

Die Vorbereitungsphase I umfasst acht Wochen. Im Mittelpunkt steht die Ausbildung der aeroben Kapazität (Wie lange und auf welchem Leistungsniveau können Sie mit ausreichender Sauerstoffversorgung im Blut laufen?). Das Grundlagentraining wird durch niedrigere Trainingsintensitäten im Bereich von 70-80 % der maximalen Herzfrequenz gefördert, Bereiche, bei denen es zu entsprechenden Anpassungen in den Muskelzellen und im Herz-Kreislauf-System kommt.

Bei den ambitionierten Läufern (Zielzeit unter 3:30 h) wird mit Bergaufläufen ein Kraftzuwachs erzielt, bei den Freizeitläufern (Zielzeit unter 4:30 h) mit Kraftgymnastik oder Rope Skipping.

Die Kraft ist beim Marathonlaufen nicht zu unterschätzen. Vergessen Sie auch die Beweglichkeit nicht (Stretching 1-2 x in der Woche, ohne Weiteres auch nach dem Training vor dem Fernseher) und Koordination (mindestens 1 x pro Woche im Anschluss an einen kürzeren, lockeren Dauerlauf einige Steigerungsläufe und Lauf-ABC).

In der Vorbereitungsphase II, die ebenfalls acht Wochen dauert, wird die Intensität mit Tempodauerläufen und Wiederholungsläufen erhöht. In den letzten zwei Wochen geht es dann um die unmittelbare Marathonvorbereitung.

So bestimmen Sie die maximale Herzfrequenz Die Herzfrequenz ist eine entscheidende Größe, wenn es
darum geht, die einzelnen Trainingsbereiche zu definieren.

Die exakteste Möglichkeit, die individuellen Pulswerte kennen zu lernen, stellen Leistungstests dar. Diese werden von vielen Fitnesszentren oder auch von Sportärzten angeboten. Eine weniger aufwendige und doch recht genaue Möglichkeit zur Ermittlung der maximalen Herzfrequenz:

Laufen Sie nach einem 10-minütigen Einlaufen eine leichte Steigung 2-3 min lang gleichmäßig, aber so
schnell wie möglich hoch und kontrollieren Sie unmittelbar danach Ihren Puls, am besten mit einem Pulsmessgerät; das Messen von Hand ist meist nicht ganz so exakt. Bei Untrainierten ist bei der Ermittlung des Maximalpulses Vorsicht angebracht. Wenn Sie über 35 und/oder noch nicht richtig trainiert sind, sollten Sie sich zuerst zu einem ärztlichen Check anmelden.

 

Zielzeit unter 3:30 h

 

Aufwand: 5-6 x Training pro Woche (ca. 75-85 km)
Beispiel einer Woche in der Vorbereitungsphase I (acht Wochen):
Mo.: 50 min lockerer DL
Di.: 10 min Einlaufen + Bergaufläufe zügig (z. B. 8 x 300-400 m, abwärts Joggen), 10 min Auslaufen
Mi.: 1:20 h langsamer DL
Do.: –
Fr.: 10 min Einlaufen + 40-50 min FS
Sa.: – oder 50 min lockerer DL
So.: 1:30-2 h langsamer DL (im Wechsel: 1:30, 1:45, 2:00, 1:30, 1:45, 2:00 h etc.)

 

Zielzeit unter 4:30 h

 

Aufwand: 4 x Training pro Woche (ca. 50 km)
Beispiel einer Woche in der Vorbereitungsphase I (acht Wochen):
Mo.: 40 min lockerer DL + Kraft
Di.: –
Mi.: 10 min Einlaufen + 30-40 min FS
Do.: –
Fr.: 60 min lockerer DL
Sa.: –
So.: 1:20-1:40 h langsamer DL,

Langsamer DL = 70-75 % der max HF | Lockerer DL = ca. 80 % der max HF | Zügiger DL = 80-85 % der max HF | FS = Fahrtspiel (wechselndes Tempo nach Gefühl) | Kraft = Kraftgymnastik, Rope Skipping

 

Die 10 Todsünden bei der Marathonvorbereitung

 

Zu hohes Lauftempo. Sie wollen zu schnell zu viel. Oder Sie haben wenig Zeit und meinen, die fehlenden Trainingskilometer mit schnelleren Trainingseinheiten wettmachen zu können. Am wichtigsten beim Marathontraining ist die Ausdauerbasis.

Zu große Steigerung des Trainingsumfangs. Sie sind übermotiviert, nehmen sich viel Zeit fürs Laufen, steigern den Trainingsumfang aber zu rasch, sodass dem Körper keine Zeit bleibt, sich an die neue Belastung zu gewöhnen. Beschwerden und Verletzungen sind die Folge. Steigern Sie den Laufumfang von einer Woche zur nächsten nie um mehr als 10 %.

Mangelhafte Regeneration. Die Anpassung an das Training erfolgt in der Regenerationsphase. Ist diese zu kurz, reagiert der Körper mit Übermüdungserscheinungen. Als Faustregel gilt: Zwischen zwei harten Belastungen muss mindestens ein Ruhetag liegen oder ein Tag, an dem Sie nur leicht joggen.

Keine Abwechslung. Sie werden nur dann gute Fortschritte erzielen, wenn Sie nicht immer auf der gleichen Strecke und im gleichen Tempo laufen. Auch zu einem Marathontraining gehören neben langen, langsamen Läufen Trainingseinheiten mit höheren Intensitäten wie Fahrtspiele und Einheiten im Marathon-Wettkampftempo.

Zu wenig Kraft. Wer einen Marathon laufen will, braucht nicht nur Ausdauer, sondern auch Kraft. Sie können die Kraft durch Laufen in hügeligem Gelände (auch Wiederholungsläufe am Berg) oder durch Kraftgymnastik verbessern. Der Besuch eines Fitnessstudios ist für Hobbysportler allerdings nicht nötig.

Vernachlässigung der Beweglichkeit. Die Beweglichkeit ist wichtig für einen ökonomischen Laufstil. Muskelverkürzungen können zu einseitigen Belastungen und Beschwerden führen. Regelmäßiges Stretchen ist ein Muss.

Keine Trainings- und Wettkampfplanung. Wer sich auf einen Marathon vorbereitet, kommt nicht um eine Trainingsund Wettkampfplanung herum. Folgen Sie einem Trainingsplan und führen Sie ein Trainingstagebuch. Für den Marathon legen Sie ein realistisches Ziel fest. Üben Sie die Verpflegung schon im Training.

Falsche Ernährung. Nicht nur das Training ist von Bedeutung, auch die Ernährung. Als Faustregel gilt: 60 % Kohlenhydrate (während Intensiven Trainingstage, sogar bis zu 70 %), 20-25 % Fett und 15 % Proteine. Ein 70 kg schwerer Athlet benötigt, wenn er nicht trainiert, an einem Tag etwa 2.700 kcal, wenn er zwei Stunden in einem ruhigen Tempo läuft, 3.800-4.000 kcal. Ebenso wichtig ist es, genügend zu trinken.

Zu früh zum Marathon. Marathon ist kein Kinderspiel. Laufen Sie erst dann einen Marathon, wenn Sie dazu bereit sind. Lassen Sie sich nicht von einem Kollegen überreden, der vielleicht schon ein paar Jahre läuft, wenn Sie sich erst im ersten Trainingsjahr befinden.

Verbissene Einstellung. Sport ist für Normalsterbliche ein Ausgleich zum Alltag. Er sollte Spaß machen. Sie müssen niemandem etwas beweisen (höchstens sich selbst). Genießen Sie bewusst die Landschaft, die Jahreszeiten, die unterschiedlichen Trainingstempi und das wunderbare Gefühl, sich zu bewegen.

 

Jürg Wirz – CONDITION – September 2011

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