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16
01
2012

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Temperaturmanagement zur Vor- und Nachbereitung im Langstreckenlauf - ©privat

Temperaturmanagement zur Vor- und Nachbereitung im Langstreckenlauf – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Der Mensch gehört zu den homöothermen (gleichwarmen) Lebewesen, welche mit ihrem Temperaturregulationssystem die Körperkerntemperatur möglichst bei etwa 37º C konstant halten. Zum Körperkern gehören der Rumpf und der Kopf. Die Körperschale dient als Wärmeisolator und zum Wärmeaustausch.

Die Körpertemperatur wird intern (Muskelarbeit) sowie extern (Klima) beeinträchtigt und beeinflusst damit wesentlich die sportliche Leistung. In Ruhe und bei geringer Belastung ist die Körperkerntemperatur unabhängig von der äußeren Temperatur. Bei höherer Belastungsintensität besteht ab einer Umgebungstemperatur von 15º C eine Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur (Jessen 2001). Auch mehrstündige Ausdauerleistungen führen zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur (belastungsinduzierte Hyperthermie).

Bei anstrengenden Belastungen sind 39  bis 40º C Körperkerntemperatur üblich. Ein Anstieg der Körperkerntemperatur auf über 40 Grad Celsius birgt gesundheitliche Risiken. Durch welche Maßnahmen kann vor, während und nach der sportlichen Anforderung ein effektives Temperaturmanagement betrieben werden?

Ungefähr 75% der vom Körper entwickelten Energie wird als Wärme abgegeben und nur der kleinere Rest steht für die muskuläre Arbeit zur Verfügung. Bei starker Wärmebelastung wir bis zu 97% der Energie als Wärme abgegeben (de Marees 2003). Unser Körper hat verschiedene Mechanismen zur Verfügung, um die Wärme abzugeben. Man unterscheidet die Wärmeleitung (Konduktion), Wärmetransport (Konvektion), Wärmestrahlung (Radiation) und Schweißverdunstung (Evaporation). Der effektivste Weg ist der Kühleffekt durch Verdunstung von Schweiß. Bei hoher Luftfeuchtigkeit ist die Verdunstung erschwert und der Kühleffekt damit geringer.

„Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war" (Mark Twain).

Durch ungünstige klimatische Bedingungen werden Ausdauerleistungen negativ beeinflusst (Zintl und Eisenhut 2004; Aderhold und Weigelt 2012). Von den Klimafaktoren hat die Außentemperatur den stärksten Einfluss auf die Laufleistung. Zusätzlich kann eine hohe Luftfeuchtigkeit die Leistung  mindern. Weitere externe Einflussfaktoren sind die Luftbewegung und Strahlung. Ideale Temperaturen für den Langstreckenlauf sind 10-15º C mit trockenen und windarmen Verhältnissen.

Die Ausdauerleistung wird durch Hitze stark beeinträchtigt. Die größere Belastung zeigt sich in einer erhöhten Herzfrequenz und Laktatbildung. Es kommt zu einem stärkeren Anstieg der Körperkerntemperatur und durch das vermehrte Schwitzen zu einem schnelleren Verlust an Körperflüssigkeit.

Unser Körper kann sich an hohe Außentemperaturen anpassen (Huonker 2003), allerdings benötigt er dafür schon 5-10 Tage. Die Schweißproduktion beginnt dann früher und der Schweiß wird ärmer an Elektrolyten, was die Verdunstung begünstigt. Bei hohen Außentemperaturen kann es zu Schweißmengen von 2 l und mehr pro Stunde kommen. Auch das Herz-Kreislauf- und Hormonsystem vollführen Anpassungen mit geringerem Anstieg der Herzfrequenz und der Körpertemperatur. Das Plasmavolumen vergrößert sich, der Hämatokrit sinkt und das Blut wird damit dünnflüssiger.

Diese Anpassungen vollziehen sich nur durch ein Training bei höheren Temperaturen (über 25º C), jedoch nicht in Körperruhe und Hitze (Sauna). Ein umfangsbetontes Training begünstigt die Umstellung mehr als ein intensives Training. Trainierte verfügen durch eine vermehrte Hautdurchblutung sowie eine erhöhte Schweißrate über eine effektivere Thermoregulation. Kleine und leichte Läufer haben meist eine bessere Hitzetoleranz als große und schwere. Senioren, Frauen und Kinder vertragen Hitze meist weniger. Die Hitzeverträglichkeit ist bei Frauen durch den hormonellen Temperaturanstieg in der zweiten Hälfte des Mestruationszyklus herabgesetzt.

Auf schweißtreibende Aktivitäten reagieren Frauen und Männer unterschiedlich. Frauen beginnen erst bei hoher körperlicher Belastung zu schwitzen, bei Männern springt das Kühlsystem schneller an. Der weibliche Körper hat einen geringeren Wasseranteil als der männliche, dadurch entsteht bei Frauen auch schneller ein Wassermangel. Die individuell hohe Variabilität der Hitzetoleranz zeigt, dass neben den genannten Einflüssen auch genetische Faktoren eine Rolle spielen.

Eine Reihe von Erkrankungen reduziert die Hitzetoleranz. Dazu gehören Infekte, Wachstumshormonmangel, Störungen der Schilddrüsenfunktion, Reduktion der Schweißdrüsenanzahl und Hauterkrankungen. Durch Alkohol wird die Hitzeverträglichkeit herabgesetzt. Alkohol hat eine katabole (abbauende) Wirkung und hemmt das antidiuretische Hormon (ADH), wirkt also harntreibend, was schon vor dem Wettkampf zu Wasserverlusten führen kann. Auch eine Reihe von Medikamenten hat eine negative Auswirkung auf die Hitzetoleranz, indem sie z.B. die Schweißmenge reduzieren. Dazu gehören Diuretika, Antihistaminika, Betablocker und Antidepressiva.   

Die optimale Außentemperatur liegt bei etwa 11 Grad Celsius, weil unser Körper dann weder für die Wärmeproduktion noch das Ableiten von Wärme (Schwitzen ist ein aktiver Vorgang) zusätzlich Energie verbraucht. Sobald die Temperaturen auf über 15º C steigen, ist mit einer Leistungseinschränkung zu rechnen. Bei jedem Anstieg der Außentemperatur um 1º C muss mit einer Leistungsabnahme von 1-2 % gerechnet werden. Durch die steigende Hautdurchblutung für die Thermoregulation steht der arbeitenden Muskulatur weniger Blutmenge zur Verfügung, was zur sinkenden Leistungsfähigkeit führt.

Hinzu kommt eine bei Hitze gesteigerte Kohlenhydratverbrennung, was bei längeren Ausdauerbelastungen eine frühere Ermüdung bewirkt. Bei erhöhter Luftfeuchtigkeit ist die Leistungsminderung entsprechend größer. Eine hohe Luftfeuchtigkeit erhöht das Risiko von hitzebedingten Komplikationen, da das Kühlsystem unseres Körpers bei feuchten Bedingungen nicht so gut funktioniert wie bei trockenen Verhältnissen.  

Bei Hitze sollten die Intensität und die Umfänge im Training reduziert werden. Wenn möglich sollte man belastende Einheiten in die kühleren Morgenstunden oder späten Abendstunden verlegen. Bei Wettkämpfen unter Hitzebedingungen geht man am besten vorgekühlt an den Start und beginnt den ersten Streckenabschnitt im reduzierten Tempo. Streben Sie keine Bestleistungen an, denn diese sind unter diesen Bedingungen definitiv nicht möglich. Den Kopf kann man mit einer weißen Schirmmütze schützen.

Es sollte frühzeitig Flüssigkeit mit Elektrolyten und Kohlenhydraten aufgenommen werden. Dabei können zu stark gekühlte Getränke zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Bereits am Vortag sollten Sie ausreichend Flüssigkeit aufnehmen. Schlecht sind allerdings größere Mengen koffeinhaltige Getränke (Kaffee, schwarzer Tee, Cola-Getränke) und Alkohol, da sie durch die  harntreibende Wirkung zu einem Flüssigkeitsverlust führen. Überprüfen Sie auch die Farbe des Urins. Eine dunkle Farbe weist auf eine konzentrierende Nierenausscheidung und somit Flüssigkeitsmangel hin.

Durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr (1 – 1,5 l/h) in kleinen Portionen kommt es zu einem langsameren Anstieg der Körperkerntemperatur und die Gefahr eines Hitzeschadens wird vermindert. Stark gekühlte Getränke haben keine Vorteile, führen nicht selten zu Magenkrämpfen. Der Flüssigkeitsbedarf wird von der Belastungsintensität, Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und dem Wind sowie Körpergewicht und Schweißrate beeinflusst. Es macht schließlich einen Unterschied ob Sie 50 oder 90 kg wiegen.

Der Temperatur entsprechend sollte auch eine geeignete Bekleidung gewählt werden. Für zusätzliche Kühlung können nasse Schwämme und auf den Kopf gegossenes Wasser sorgen. Hitzeempfindliche und nicht akklimatisierte Läufer sollten bei hohen Temperaturen besser auf einen Wettkampf verzichten. Veranstalter müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und auch den Mut aufbringen, bei ungünstigen Witterungsverhältnissen den Wettkampf abzubrechen, wie dies 2007 bei den Marathonläufen in Rotterdam und Chicago geschehen ist.

Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit und Trainingszustand auch in Kombination mit unzweckmäßiger Kleidung und Kreislaufinsuffizienz kann die Wärmeproduktion zu einer bedrohlichen Wärmebelastung führen. Aber auch gesunde und leistungsfähige Menschen sind bei langdauernden körperlichen Höchstleistungen wie im Langstreckenlauf gefährdet. In warmer und feuchter Umgebung besteht schon unter Ruhebedingungen gerade ein Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und möglicher Wärmeabgabe. Bei diesen Verhältnissen bewirkt schon leichte körperliche Belastung einen Anstieg der Körperkerntemperatur.

Wichtig für die Temperaturregulation ist die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Sytems, um ein großes Blutvolumen  durch das Gefäßsystem zu befördern und eine hohe Wärmeabgabe zu ermöglichen. Durch defekte oder insuffiziente Mechanismen der Wärmeabgabe entsteht ein Wärmestau mit ansteigender Körperkerntemperatur. Kreislauferkrankungen und Flüssigkeitsverluste fördern Hitzeschäden am stärksten. Eine besonders gefährliche Situation besteht bei hoher Luftfeuchtigkeit mit größerer Wärmebelastung und körperlicher Anstrengung.

Risikofaktoren für das Auftreten von Hitzeschäden sind: Ungenügender Trainingszustand, fehlende Hitzeanpassung, Übergewicht, Flüssigkeitsdefizit, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Kindes- und Seniorenalter, Fieber, Alkoholeinfluss, Medikamente (Diuretika, Stimulantien, Bluthochdruckmittel). Frühwarnsymptome für einen Hitzeschaden sind nach Kleinmann (2009): Kopfschmerzen, Schläfenpochen, Schwindel, Benommenheit, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Kaltschweißigkeit.   

Gerade in der warmen Jahreszeit sind bei langdauernden Belastungen die richtige Kleidung, eine angepasste Flüssigkeitsaufnahme und die äußere Kühlung von großer Bedeutung.

Während die Kälteapplikation in der medizinischen Therapie ein altbewähtres Verfahren darstellt, spielt die Kälteanwendung zur Leistungsoptimierung im Sport erst seit relativ kurzer Zeit eine Rolle. Als Überträger werden Wasser, Eis, Luft, Gel u. a. verwendet.  

Ausdauerleistungen sind unter Wärmebedingungen schlechter. Beim Laufen ist ein großer Teil der Muskulatur an der Bewegung beteiligt. Eine effkektive Wärmeregulation ist daher bei Laufanforderungen von besonderer Bedeutung. Zur Leistungsoptimierung liegt es deshalb nahe, die Körpertemperatur abzusenken. Je länger die Laufstrecke und je klimatisch wärmebelastender die klimatischen Bedingungen, desto wichtiger und effektiver sind Maßnahmen zur Vorkühlung. Untersuchungen haben gezeigt, dass durch eine mäßige Vorkühlung (Precooling) eine Leistungssteigerung zu erreichen ist. Das Herzschlagvolumen wird dadurch erhöht, der Sauerstoffgehalt im Blut besser ausgenutzt und die Laktatwerte sind niedriger.

Je höher das Leistungsniveau ist, desto geringer ist der leistungssteigernde Effekt der Vorkühlung. Die Ausdauerleistungsfähigkeit scheint von der Ausgangsherzfrequenz und der Dauer bis zum Erreichen der maximalen Herzfrequenz, der Ausgangskörpertemperatur und der Umgebungstemperatur abzuhängen.  Je höher die Ausgangsherzfrequenz durch Aufwärmen ist, umso geringer ist die Kapazität für eine Frequenzsteigerung unter Belastung bis zur individuellen maximalen Herzfrequenz mit der Folge einer geringeren Ausdauerleistung. Die kritische Körperkerntemperatur wird durch Vorkühlung erst nach einer deutlich längeren Belastungsdauer erreicht (Ückert 2012). Interessant sind auch Untersuchungen, die gezeigt haben, dass der Trainingseffekt unter kühlen Bedingungen größer ist.

Diese Ergebnisse sprechen also eindeutig für einen Kaltstart. Dies gilt umso mehr bei hohen Außentemperaturen. Der Körper reagiert mit vermehrter Hautdurchblutung und Schwitzen, um eine Kühlung zu erreichen. Folglich wird der arbeitenden Muskulatur Blut entzogen, was zur Leistungsminderung führt. Man sollte also insbesondere bei heißem Wetter alle Möglichkeiten nutzen vorgekühlt an den Start zu gehen (Kühlgel, Kühlweste, Wasser, Eis, nasses T-Shirt, nasse Haare) und unterwegs alle Möglichkeiten zur äußeren Kühlung (Wasserstelle, Schwämme, Wasserdusche, Crasheis) nutzen (Simultankühlung).

Bei der Vorkühlung durch Kaltwasser ist zu beachten, dass es aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit des Wassers zu einer übermäßigen Auskühlung der Muskuzlatur kommen kann. Die Kälteapplikation mittels Kühlweste hat den Vorteil ortsungebunden eingesetzt werden zu können. Durch eine Kälteapplikation in Form eines Precooling ergeben sich Verbesserungen der Ausdauer von durchschnittlich 8 %. Die Verwendung von Kaltwasser führt zu einer Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit von 5 %. Die Ganzkörperluftapplikation bei -110º C ist mit einer Verbesserung von 10 % die effektivste Precooling-Methode, allerdings wird der Einsatz nur sehr begrenzt möglich sein. Die Kältewestenapplikation erreicht eine Erhöhung der Ausdauerleistung um 8% (Ückert 2012). Kühlwesten haben sich wegen der leichten Handhabbarkeit bei der Vorbereitung auf Ausdauerwettkämpfe in heißer und luftfeuchter Umgebung bewährt.

Trotzdem kann man bei vielen Langstreckenläufern das ausgiebige Aufwärmen vor dem Wettkampf sehen, das oft wie eine Zeremonie abläuft. Einem überzeugten Anhänger des intensiven Aufwärmens sollte man auch nicht versuchen, einen Kaltstart aufzuzwingen. Wenn schon keine Leistungssteigerung zu erwarten ist, so hat es für ihn doch wahrscheinlich eine psychologische Wirkung, eben mit dem Gefühl, alles für eine gute Leistung getan zu haben. Man muss sich aber fragen, was die bei vielen großen Städtemarathons angebotene intensive Aufwärmgymnastik mit Vorturnern soll. Man kann seine Energie auch schon vor dem Wettkampf verbrauchen, denn auch durch langsames Einlaufen wird nicht nur Fett sondern auch das für den Wettkampf wichtige aber limitierte Glykogen verbraucht. Stretching ist in der Trainingsphase wichtig, um Einschränkungen der Beweglichkeit vorzubeugen.

Vor einem Langstreckenwettkampf genügen ein paar lockernde und vorsichtig dehnende dynamische Übungen. Ein zu intensives Aufwärmprogarmm kann bei Ausdauerbelastungen eine ermüdungsinduzierende Vorbelastung darstellen. Ein Precooling unter Verzicht von Voraktivitäten in Form eines Aufwärmens führt dagegen zu Leistungsverbesserungen (Ückert 2012). Dies umso mehr, je ungünstiger die klimatischen Bedingungen (hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung) sind. Totzdem wird das Aufwärmen als leistungssteigernde und verletzungsprophylaktische Maßnahme dargestellt (Freiwald 1993; Schiffer 1997;de Marees 2003; Weineck 2010). Die Studienlage zu dieser Fragestellung ist uneinheitlich.  

Bei einem üblichen Dauerlauf  im Training steigert man sich gewöhnlich im Tempo und lässt es am Ende austrudeln, von einem regelrechten Ein- und Auslaufen kann aber nicht die Rede sein. Anders ist das vor Tempoläufen. Um die Muskulatur auf Betriebstemperatur zu bringen, die Durchblutung (Stoffwechsel) sowie die Flexibilität zu fördern und damit die Verletzungsgefahr zu mindern, ist ein Einlaufen wichtig. Aber auch das muss man nicht übertreiben, 1-2  km genügen. Nach intensiven Belastungen, wie z.B. Wiederholungsläufen, sollten Sie sich auch auslaufen, um die Muskulatur zu lockern und den Abtransport der sauren Stoffwechselprodukte aus der Muskulatur zu fördern (sportartspezifisches Cool down).

Bei Sportarten mit abrupten oder komplizierten Bewegungsabläufen (Sprint, Sprung, Stoß, Wurf) ist demgegenüber ein Aufwärmen erforderlich und führt auch zu einer besseren Leistung. Bei zyklischen und azyklischen Kurzzeitanforderungen wirkt sich ein moderates Vorbereitungsprogramm positiv auf die Leistung aus, wenn dadurch die Muskeltemperatur geringfügig erhöht wird und es zu keiner Vorermüdung kommt (Ückert 2012). Die Pausenlänge zwischenn Muskelerwärmung und der Kurzzeitanforderung sollte nicht länger als 5 Minuten betragen (Ückert 2012). Allerdings ist bekannt, dass statisches Dehnen direkt vor Schnell- und Maximalkraftsportarten zur Leistungsminderung der Muskulatur führt. In diesen Sportarten sollte also eher nur ein allgemeines Aufwärmen, Lockern und leichtes dynamisches Dehnen erfolgen.

Auch beim Mittelstreckenlauf (Mittelzeitanforderung) sollte durch Einlaufen und kürzere Steigerungsläufe ein Aufwärmen zur Belastungsvorbereitung erfolgen. Dadurch wird das initiale Sauerstoffdefizit reduziert und die Vorausetzung für eine erhöhte Sauerstoffaufnahme geschaffen. Insgesamt kann man sagen, je kürzer die Wettkampfstrecke, umso intensiver muss das Aufwärmprogramm aussehen. Durch das Warmlaufen kommt es zu einer Steigerung der Muskeldurchblutung, Beschleunigung des Stoffwechsels und der Energiebereitstellung, Herabsetzung der elastischen und viskösen Widerstände in der Muskulatur sowie Erhöhung der Kontraktionsgeschwindigkeit. Es ist aber nicht erforderlich, die Körperkerntemperatur zu erhöhen, um die Leistungsbereitschaft herzustellen. Der Mensch ist als gleichwarmes Lebewesen unabhängig von der Umgebungstemperatur uneingeschränkt leistungsfähig, was man in der Fachliteratur als „thermoregulatorische Freiheit" bezeichnet.

Bei Langzeitanforderungen wirkt sich ein zu intensives Aufwärmen durch die Beanspruchung der Muskelglykogenspeicher und die erhöhte thermoregulatorische Beanspruchung negativ auf die Leistung aus. Eine Vorermüdung und Erhöhung der Körperkerntemperatur ist deshalb zu vermeiden. Angestrebt wird eine leichte Muskelerwärmung und gesteigerte Sauerstoffaufnahme durch eine mobilisierende und aktivierende Vorbereitung (Weineck 2010). Aufgrund der Komplexität der beinflussenden Parameter kann es allerdings keine allgemeingültige Empfehlung zur optimalen Dauer und Intensität geben. Darüberhinaus schließen sich ein muskuläres Aufwärmen und eine allgemeine Vorkühlung (Precooling) nicht gegenseitig aus.

Als Faustregel für das Einlaufen für gut trainierte Läufer bis zur Halbmarathonstrecke kann gelten:

–    bei 25 Grad Celsius 10 Minuten
–    bei 20 Grad Celsius 15 Minuten
–    bei 15 Grad Celsius 20 Minuten
–    bei 10 Grad Celsius 25 Minuten

Läufern mit einer Bestzeit von über 45 Minuten für 10 km genügt die Hälfte der Zeit. Im Sommer nicht in der Sonne einlaufen, sondern immer den Schatten suchen. In den Einlaufprozess sollten kurze Steigerungen integriert werden.
 
Ein Marathon- oder Ultraläufer kann gut auf ein Einlaufen verzichten und die ersten Kilometer des Wettkampfes zum „Einrollen" und Warmwerden nutzen. Für diese langen Strecken genügen ein Drittel der oben genannten Zeiten. Gerade nach diesen Wettkämpfen wird man es selten erleben, dass sich ein Läufer auch noch ausläuft, eher schon ausgeht auf dem Weg zur Dusche. Das Laktat und andere Stoffwechselprodukte werden zwar durch ein Auslaufen schneller abgebaut, nur fällt es nach sehr langen Wettkämpfen aufgrund der stundenlangen muskulären Belastung sehr schwer, sich weiter, wenn auch nur leicht, zu belasten.

Ein Auslaufen nach diesen Anstrengungen bringt auch keine großen Vorteile, dann schon eher ein Entmüdungsbad oder ausgiebiges Duschbad und Muskelpflege mit leichter Massage. Erst nach Abklingen der Übersäuerung des Muskelgewebes mit Auffüllung von Flüssigkeits-, Mineralstoff- und Vitaminverlusten kann auch leicht gedehnt werden.

Auf thermoregulatorischer Basis standen bisher vor allem Wärmeanwendungen (Warmwasserbäder, Heißluft und Dampfbäder, Sauna) im Mittelpunkt der regenerativen Maßnahmen. Sich nach dem Marathon oder einer harten Trainingsbelastung in eine Badewanne mit eiskaltem Wasser zu legen, ist die Methode der Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe, Gewebeschäden zu reduzieren und schneller zu regenerieren (Aderhold und Weigelt 2012). Auch Stephane Franke hat zu seiner aktiven Zeit diese Methode praktiziert. Diese Art der Regeneration (Postcooling) ist sicherlich gewöhnungsbedürftig und nicht Jedermanns Sache. Sie ist natürlich kein „Muss", stellt aber eine interessante Alternative dar. Die experimentelle Absicherung zur regenerativen Wirkung der Kaltwasserkühlung ist allerdings noch gering (Ückert 2012). Vielen Läufern ist aber nach einem wärmebelatenden Lauf im Hochsommer die wohltuende Wirkung einer kalten Dusche bekannt.

Natürlich spielt die Jahreszeit auch eine Rolle. Es ist wohl schwer vorstellbar, dass man sich nach einer harten Trainingseinheit in der kalten Jahreszeit auch noch in eine Wanne mit kaltem Wasser legt. Vielleicht sollte man sich dann doch weniger von Überlegungen zu leistungsphysiologischen Wirkungen leiten lassen und lieber seinem Körpergefühl (somatische Intelligenz) folgen. Gerade in der kalten Jahreszeit ist die Gefahr groß, sich eine Erkältungskrankheit einzuhandeln.

Im Bundesleistungszentrum in Kienbaum wurde 2009 die erste Kältekammer, die ausschließlich dem Sport zu gute kommt, in Betrieb genommen. In Deutschland gibt es bisher 70 Kältekammern, die in der Rheumamedizin und Schmerztherapie Anwendung finden. Dabei kommt es zu einer Verbesserung der Beweglichkeit, einer Abschwellung sowie Entzündungs- und Schmerzreduktion. Der kurzfristige Aufenthalt in der Kältekammer bei bis zu -110º C soll besonders nach intensiven Belastungen die Regeneration beschleunigen und eine Leistungssteigerung bewirken.

In diesem Zusammenhang sind die Reduktion des Muskeltonus, die Steigerung der Muskeldurchblutung und Reduktion der Hautdurchblutung von Bedeutung. Die Aufenthaltsdauer in der Kältekammer mit einer Temperatur von -110º C beträgt üblicherweise 3 Minuten.

Kalt- oder Warmstart ist also insbesondere eine Frage der Sportart und der Bedingungen.  Bei Ausdauerbelastungen unter wärmebelastenden klimatischen Bedingungen hat die Vorkühlung gegenüber dem  Aufwärmen eindeutig Präferenz.

Die Kälteapplikation als regenerative Maßnahme ist vor allem im Hochleistungssport ein interessanter Ansatzpunkt, der weiterer Forschung bedarf.

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold 01/2012

 

Literatur:


Aderhold L, Weigelt S. Laufen!
… durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012. 

Freiwald J. Aufwärmen im Sport. Reinbek: Rowohlt 1993.

Huonker M. Hitzeerkrankungen beim Sport – Prophylaxe und Therapie. Dtsch Z Sportmed 2003; 54: 122-3.

Jessen C. Temperature Regulation in humans amd other mammals. Berlin: Springer 2001.

Kleinmann D. Laufnebenwirkungen. Vom Ermüdungsbruch zum plötzlichen Herztod: Was können Sie dagegen tun? Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2009.

Marees H de. Sportphysiologie. Köln: Sportverlag Strauss 2003.

Schiffer H. Physiologische, psychologische und trainingsmethodische Aspekte des Auf- und Abwärmens. Köln: Sportverlag Strauss 1997.

Ückert S.: Temperatur und sportliche Leistung. Aachen: Meyer & Meyer 2012.

Weineck J. Sportbiologie. Balingen: Spitta 2010.

Zintl F, Eisenhut A. Ausdauertraining. Grundlagen, Methoden, Trainingssteuerung
. München: BLV 2004.

 

author: GRR

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