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13
02
2012

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Atmung und Atemtechnik - die Leistung beeinflussende Faktoren ©privat

Atmung und Atemtechnik – die Leistung beeinflussende Faktoren – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Atmung ist eine wichtige Vitalfunktion und Voraussetzung für die Sauerstoffversorgung des Organismus. Zur Atmung gehört die Sauerstoffaufnahme mit der Atemluft, der Gasaustausch in der Lunge, die Sauerstoffbindung an das Hämoglobin der Erythrozyten, der Transport des Sauerstoffs mit den Erythrozyten im Blut, die Abgabe des Sauerstoffs im Gewebe und die Nutzung des Sauerststoffs bei der Energiebereitstellung.

Die Atemfunktion ist ein durch zahlreiche Reflexmechanismen gesteuerter Vorgang, den man aber willentlich beeinflussen  kann (Aderhold und Weigelt 2012).

Die Atmung arbeitet mit dem Herz-Kreislauf-System im Verbund (kardiopulmonales System) zusammen. Durch Ausdauertraining wird neben vielfältigen positiven Auswirkungen auch die Atemmuskulatur gekräftigt. Bei niedriger Laufgeschwindigkeit ist noch eine reine Nasenatmung möglich. Durch die Nasenatmung ergeben sich Vorteile für die Wärmeregulation, Anfeuchtung der Atemluft und Filterwirkung.

Erhöht sich das Tempo, wird die Luft automatisch vorwiegend über den Mund aufgenommen, weil das ökonomischer ist (geringerer Strömungswiderstand und damit geringere Atemarbeit). Bei sehr kalter Umgebungstemperatur kann es durch die trockene Luft zu Problemen mit den Stimmbändern und dem Rachenbereich kommen. Die Schleimhäute trocknen aus und sind damit anfälliger für Infekte.

Die Einhaltung eines immer wieder empfohlenen starren Atem-Schritt-Verhältnisses ist wenig sinnvoll, da jeder Tempo- oder auch Geländewechsel zur Beeinflussung führt. Es ist unsinnig, die Laufintensität über einen gekoppelten Atem-Schrittrhythmus regeln zu wollen. Der Atemrhythmus findet sich  von ganz alleine, wobei die Ausatmung meist etwas länger dauert als die Einatmung.

Beim ruhigen Dauerlauf braucht man sich deshalb auch nicht besonders um eine bestimmt Atemtechnik kümmern, die Sauerstoffversorgung ist für den aeroben Stoffwechsel ausreichend gegeben. Durch die ruhige, niederfrequente Atmung besteht in den Lungenalveolen genügend Zeit, um das Blut mit Sauerstoff anzureichern.

Bei steigender körperlicher Belastung nehmen zunächst das Atemzugvolumen und danach auch die Atemfrequenz zu. Im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit geht das Atemzugvolumen wieder zurück bei weiter gesteigerter Atemfrequenz (Hollmann et al. 2006).

Strelzov (2004) gibt für die Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin in der Lunge ein Zeitoptimum von 1,4 bis 1,6 Sekunden für einen Atemzyklus an. Dies würde einer Atemfrequenz von 38 – 43 /Minute entsprechen. Bei schnellerem Tempo wird automatisch die Atemfrequenz erhöht, die Kontaktzeit des Blutes zur Bindung von Sauerstoff in der Lunge wird durch den schnellen Wechsel von Ein- und Ausatmen vermindert. Das Blut kann schließlich die für eine rein aerobe Energiebereitstellung benötigte Sauerstoffmenge der Arbeitsmuskulatur nicht mehr liefern. In der Folge kommt es zu einer vermehrten anaeroben Energiegewinnung und Laktatbildung mit Reduzierung der Laufgeschwindigkeit.

 

Wie kann man durch eine bewusst gewählt Atemtechnik die Sauerstoffversorgung und damit die Leistungsfähigkeit verbessern?   

  

Das Produkt aus Atemfrequenz und Atemzugvolumen ist das Atemminutenvolumen, eine wichtige Größe für die Sauerstoffaufnahme. Durchschnittlich trainierte Männer haben Werte von 120 – 140  l/min, Spitzenläufer können bis zu 200 l/min und darüber hinaus erreichen. Die Atemarbeit wird wesentlich durch die Atemtiefe und die Atemfrequenz beeinflusst. Eine hochfrequente und flache Atmung (Hyperventilation – „Hechelatmung") verbraucht mehr Sauerstoff für die reine Atemarbeit, ist also unökonomisch, da dieser Sauerstoff nicht für die Laufmuskulatur zur Verfügung steht. Effektiver ist eine tiefere und langsamere Atmung. Der dabei eingesparte Sauerstoff steht der sportartspezifischen Arbeitsmuskulatur dann zusätzlich zur Verfügung.

 

Das tiefe bewusste Einatmen verlängert die Kontaktzeit des Sauerstoffs in den Lungenalveolen mit dem Blut und führt zu einer höheren Sauerstoffbindung an das Hämoglobin. Der Arbeitsmuskulatur kann so mehr Sauerstoff für die aerobe Energiegewinnung zur Verfügung gestellt werden. Bei schnellerem Tempo (Tempodauerlauf, Wiederholungsläufe, Wettkampf) und beim Bergauflaufen sollte man also bewusst tief und langsam einatmen.

Auf die Ausatmung braucht man nicht besonders zu achten, sie verläuft reflektorisch. Diese subjektive Steuerung der Atmung ist bei submaximaler Belastung, wie sie auch beim Langstreckenlauf vorliegt, möglich. Untersuchungen von Peter Greif (2004) haben gezeigt, dass mit dieser Atemtechnik Leistungsverbesserungen erzielt werden. Testen Sie selbst die Wirkung dieser Atemtechnik mit vertiefter Einatmung bei einem längeren Sprint am Berg, vergleichen Sie mit der üblichen Atemtechnik und lassen Sie sich überraschen.

 

Fazit: Für den Sportler ist es bei Belastung günstiger, tiefer (Erhöhung des Atemzugvolumens) anstatt schneller (Erhöhung der Atemfrequenz) zu atmen.

 

Durch die Verwendung von Nasenpflastern soll der Strömungswiderstand in der Nase mit dem Anheben der Nasenflügel vermindert und die Atemarbeit sowie Sauerstoffaufnahme damit verbessert werden. Aussagekräftige wissenschaftliche Daten hierzu gibt es nicht, die Wirkung ist umstritten. Lediglich bei Sportarten, wo durch das Tragen eines Zahnschutzes die Mundatmung eingeschränkt wird, kann eine Wirkung erreicht werden. Wer meint, mit Nasenpflaster ein besseres Gefühl zu haben, kann diese natürlich beim Laufen bedenkenlos verwenden.

Man muss allerdings berücksichtigen, dass bei intensiverer Belastung automatisch auf überwiegend Mundatmung umgeschaltet wird. Sehr viel wichtiger ist beim intensiven Laufen die beschriebene angepasste Atemtechnik. Durch die Verwendung von speziellen Atemgeräten (z.B. Ultrabreathe) kann die Stärke und Ausdauer der Atemmuskulatur trainiert werden. Diese Geräte werden auch bei der Behandlung von Atemstörungen (Asthma bronchiale) eingesetzt.

Jeder Läufer hat mehr oder weniger häufig schon mit ihnen Bekanntschaft gemacht, den Seitenstichen. Es handelt sich um stechende Schmerzen im Oberbauch, die sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite lokalisiert sein können und häufiger auftreten, wenn die sportliche Aktivität direkt nach einer Mahlzeit begonnen wird.

Bei intensiven Belastungen kommt es ebenfalls häufiger zu Seitenstichen. Die genauen Ursachen der Seitenstiche sind nicht bekannt. Als Erklärung dient die durch das Laufen ausgelöste Erschütterung mit Zerrung der Aufhängung der Verdauungsorgane am Zwerchfell. Andere vermutete Ursachen sind eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Zwerchfells oder eine Umverteilung des Blutflusses insbesondere von Milz und Leber. Auch psychische Einflüsse werden diskutiert.

 

So können Sie sich bei Seitenstichen selbst helfen:

 

Beim Auftreten von Seitenstichen sollte man das Lauftempo vermindern oder gehen, was auch jeder im Grund genommen instinktiv macht. Mit der Hand drückt man auf die betroffene Bauchseite, spannt die Bauchmuskulatur an und betont die Ausatmung. Auch ein wechselndes Anheben der Arme kann die Bauchwände entlasten. Nach reichhaltigen Mahlzeiten sollte man das Training zwei Stunden verschieben. Auch ein moderates Anfangstempo durch Einlaufen und eine Kräftigung der Bauchmuskulatur kann prophylaktisch wirken. Bei der Getränkeaufnahme im Training und Wettkampf lieber öfter kleinere Mengen als einmalig eine große Portion zuführen. Isotone und hypotone Getränke sind vorzuziehen.

Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) ist ein Maß für das maximale Transportvermögen von Sauerstoff (O2) aus der Atemluft in die Arbeitsmuskulatur. Je höher die VO2max ist, desto höher ist die Ausdauerleistung ohne Sauerstoffschuld. Diese Ausdauerleistungsfähigkeit wird auch als aerobe Kapazität (maximale Zeitdauer aerober Arbeit) bezeichnet. Gleichwohl hängt die Ausdauerleistung nicht allein von der VO2max ab, sondern wird u.a. auch von der Energiebereitstellung und der Bewegungsökonomie beeinflusst (Scharhag-Rosenberger 2010).

Durch ein Ausdauertraining verbessert sich die Lungenkapazität (Vitalkapazität) und damit das Sauerstoffangebot für den Blutkreislauf. Die Atmung ist aber nicht der limitierende Faktor für die Ausdauerleistungsfähigkeit. Einen größeren Einfluss hat die Blutmenge, die je Zeiteinheit vom Herz in den Kreislauf gepumpt und zur Arbeitsmuskulatur transportiert wird (Herzminutenvolumen).

An dieser Stelle setzen bekanntlich wirksame Dopingverfahren (Eigenblutdoping, Erythropoietin) an. Auch Höhentraining kann durch die kompensatorische Vermehrung der roten Blutkörperchen als Sauerstoffträger die VO2max verbessern. Das Ausdauertraining bewirkt über eine vermehrte Kapillarisierung der Muskulatur eine verbesserte Durchblutung. Das Sauerstoffangebot wird auf diese Weise erhöht. Außerdem erhöhen sich die Anzahl der Mitochondrien und der Enzymgehalt des aeroben Energiestoffwechsels.

Die VO2max wird in Milliliter Sauerstoff pro Minute (ml O2/min) oder bezogen auf das Körpergewicht in Milliliter pro kg Körpergewicht und Minute (ml O2/kg x min) angegeben. Die korrekte ergometrische Bestimmung der VO2max setzt eine hohe Ausbelastung (Laufband) voraus. Submaximale Parameter (z.B. Laktatschwellen) korrelieren meist besser mit Wettkampfleistungen und sind daher zur Trainingssteuerung geeigneter (Meyer und Kindermann 1999). Ob man ein besonderes Talent zum Ausdauersportler hat ist in erster Linie genetisch bedingt und wird einem in die Wiege gelegt. Der durchschnittliche untrainierte Mensch hat eine VO2max von 30 – 50 ml O2/kg x min. Durch Training kann eine Steigerung von 25 – 50% erreicht werden.

Um durch Training Spitzenleistungen von 80 und mehr ml O2/kg x min zu erreichen, sollte schon ein Ausgangswert im untrainierten Zustand von 60 ml O2/kg und min vorhanden sein. Die VO2max liegt bei Frauen etwa 10-15% unter den Werten der Männer. Die individuelle Trainierbarkeit ist bei allem Ehrgeiz also begrenzt. Es kann nicht jeder trotz allem Training Spitzenleistungen erbringen und Rekorde laufen. Bei allem Ehrgeiz muss man eben mit dem zufrieden sein, was die Natur einem mitgegeben hat.

"Der höchste Genuss besteht in der Zufriedenheit mit sich selbst" (Jean-Jacques Rousseau 1712-1778).

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold 

  

Literatur:

 

Aderhold L. Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.

Greif P. Neue Atemtechnik im Test. Laufmagazin Spiridon 2004; 30 (4): 23-5.

Hollmann W, Strüder HK, Predel HG, Tagaradis CV, Spiroergometrie: Kardiopulmonale Leistungsdiagnostik des Gesunden und Kranken. Stuttgart: Schattauer 2006.

Meyer T. Kindermann W.  Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max). Dtsch Z Sportmed 1999; 50: 285-6.

Scharhag-Rosenberger F. Spiroergometrie zur Ausdauerleistungsdiagnostik. Dtsch Z Sportmed 2010; 61: 146-7.

Strelzov A. Reserven für die Steigerung der Ausdauerleistung. Leistungssport 2004; 34: 23-5.

 

 

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Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag

 

author: GRR

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