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27
02
2012

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Wie viel Laufen ist gesund? ©privat

Wie viel Laufen ist gesund? Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) definiert Gesundheit als einen Zustand vollkommenen körperlichen, sozialen und geistigen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen. Was kann Laufen dazu beitragen und wie viel Laufen ist gesund?

Die Zeichen unserer technisierten Zeit sind Bewegungsmangel und die dadurch bedingten Folgeerkrankungen: Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Übergewicht und Diabetes mellitus. Viele Menschen durchlaufen heute im Laufe ihres Lebens den schleichenden Prozess zum metabolischen Syndrom („Wohlstandssyndrom"). Männer gehen viel seltener zum Arzt als Frauen und versäumen Vorsorgeuntersuchungen gerne.

Vor allem die Altersgruppe zwischen 35 und 55 Jahren zeigt sich als Vorsorgemuffel. Männer sterben im Durchschnitt einige Jahre früher als Frauen und tragen teilweise dazu selber bei. Männer trinken meist mehr Alkohol, rauchen häufiger, ernähren sich ungesund, wiegen zuviel und bewegen sich zu wenig. Frauen gehen mit ihrer Gesundheit sensibler und verantwortungsvoller um. Sie beschäftigen sich mehr mit dem Thema Gesundheit, achten mehr auf körperliche Signale und gehen regelmäßiger zu Vorsorgeuntersuchungen.

Auch wenn Frauen die Leistungsfähigkeit von Männern im Ausdauerbereich bedingt durch die anatomisch-physiologischen Voraussetzungen nicht erreichen können, so scheinen sie doch ökonomischer mit ihren körperlichen Ressourcen umzugehen, die höhere Lebenserwartung spricht jedenfalls dafür.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt auf verschiedenen Gesundheitsportalen für Frauen (www.frauengesundheitsportal.de) und Männer (www.maennergesundheitsportal.de) viele Informationen für ein gesundes Leben bereit.     

Die Medizin befindet sich im Umbruch. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass bei vielen chronischen Erkrankungen sowie im Alter Sport und Bewegung positive Effekte haben. Zunehmend werden daher Schwerpunkte in der Forschung und Praxis bei der Prävention gesetzt. Mit dem bundesweit eingeführten „Rezept für Bewegung" können die Ärzte ihren Patienten eine schriftliche Empfehlung für körperliche Aktivität geben.

Schwerpunktmäßig kann auf dem Rezept ein Training für verschiedene Bereiche empfohlen werden: Herz-Kreislauf, Muskel-Skelettsystem, Entspannung/Stressbewältigung sowie Koordination und motorische Förderung. Auf dem Rezept können auch Hinweise für den Übungsleiter vermerkt werden.

Bundesweit gibt es 18.000 Angebote der Vereine mit dem Qualitätssiegel „Sport pro Gesundheit" (www.sportprogesundheit.de). Gesetzlich Versicherte erhalten von den Krankenkassen in aller Regel einen Zuschuss für die Kursgebühren dieser Angebote.

Durch regelmäßigen Sport kann die Lebenszeit verlängert werden, allerdings geht ein Teil dieser Zeit für das Training drauf. Bereits bei einer leichten körperlichen Aktivität von 15 Minuten täglich oder 90 Minuten wöchentlich ergibt sich eine signifikante Reduzierung der Sterblichkeit (Wen et al. 2011). Gegen die körperliche Inaktivität als Risikofaktor kann ein moderates Ausdauertraining, wie es Laufen darstellt, in relativ kurzer Zeit viel bewirken. Laufen ist hervorragend geeignet zur Prävention und Behandlung von Bewegungsmangelkrankheiten. Außerdem stellt Laufen eine einfache, effektive und kostengünstige Methode dar, um sich fit zu halten (Aderhold und Weigelt 2012):

–       Laufen stärkt den gesamten Organismus, ökonomisiert das Herz-Kreislauf-System und die Atemfunktion.

–       Laufen stärkt den Bewegungsapparat und die Muskulatur.

–       Laufen regt den Stoffwechsel an und fördert auf natürliche Weise eine Gewichtsregulierung.

–       Laufen stärkt das Immunsystem.

–       Laufen fördert das Wohlbefinden, geistige Fitness und einen gesunden Schlaf.

–       Laufen verzögert den natürlichen Alterungsprozess.

Die positiven Effekte des Laufens werden auch in populärwissenschaftlichen Sachbüchern aufgegriffen (Klein 2003; von Hirschhausen 2009; Bartens 2011). Stefan Klein („Die Glücksformel") bekannte auf die Frage, was er nach allen Studien zum Thema Glück in seinem Leben geändert habe: „Ich bewege mich mehr".

Laufen hat nicht an Beliebtheit verloren, das beweisen die großen Citymarathons mit ihren Massen, aber auch die vielen kleinen Veranstaltungen. Jährlich nehmen in Deutschland ca. 130.000 Menschen an Marathonläufen teil.

Ausdauersport ist gesund und Laufsport ganz speziell, wenn er maßvoll betrieben wird. Laufen ist so etwas wie „ansteckende Gesundheit". Von Laufen unter gesundheitlichen Aspekten spricht man dann, wenn durch die sportliche Aktivität zusätzlich 2.000 kcal/Woche verbraucht werden, was einem Lauftraining von ca. 30 km in 3-4 Einheiten entspricht. Zusätzlich ist ein zweimaliges Kraft- und Flexibilitätstraining zu empfehlen. Bei diesem Trainingsumfang stehen Aufwand und gesundheitlicher Nutzen im optimalen Verhältnis. Durch ein intensiviertes Lauftraining werden Sie zwar noch leistungsfähiger, aber nicht unbedingt gesünder.

Die Belastungsgrenze ist individuell verschieden, je nach Alter, körperlichen Voraussetzungen und Trainingsjahren. Leistungssportler sind meist nicht gesünder als Freizeitsportler. Ihre Belastungen übersteigen häufig das Maß, das dem Körper gut tut. Das Risiko für Überlastungsverletzungen ist bei mehr als 60 km/Woche Lauftraining deutlich erhöht.

Lange Ausdauerbelastungen (Marathon und Ultralauf) sind aus orthopädischer und internistischer Sicht, insbesondere bei Grenzbelastungen und ungünstigen Wetterbedingungen, nicht unbedingt als gesund zu bezeichnen, das Training dafür schon eher. Bertolt Brecht (1998 – 1956) meinte einmal, der große Sport fange da an, wo er längst aufgehört habe, gesund zu sein.

Erschöpfende Ausdauerbelastungen können zu Anstiegen von kardialen Biomarkern (insbesondere Troponin und BNP) führen, welche normalerweise nur nach einem Herzinfarkt oder bei einer Herzinsuffizienz auftreten (Scharhag et al. 2011). Allerdings sind die sportbedingten Erhöhungen dieser Werte meist nur gering ausgeprägt und erreichen in der Regel nach 48h wieder Normalwerte. Man geht mittlerweile dabei von einer physiologischen Reaktion aus, wobei die Veränderungen bei gut trainierten Läufern meist geringer ausfallen.

Auch konnten vorübergehende Funktionseinschränkungen des Herzens nach längeren Ausdauerbelastungen festgestellt werden, die man als kardiale Ermüdung bezeichnet und deren Ursache und Bedeutung noch unklar ist. In keinem Fall konnte eine myokardiale Nekrose oder Fibrose verifiziert werden. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass erschöpfende Ausdauerbelastungen nicht zu einer Schädigung des gesunden und ausdauertrainierten Herzens führen. Da Marathon- und Ultralauf aber eine hohe Belastung für das Herz darstellen, sind eine ausreichende Vorbereitungszeit und ein regelmäßiger Gesundheits-Check anzuraten.

Das Verletzungsrisiko und der Schweregrad sind im Langstreckenlauf im Vergleich zu anderen Sportarten gering (Mayer et al. 2011). Akute Verletzungen treten selten auf, meist handelt es sich um Überlastungsbeschwerden der unteren Extremität und des Kreuz- und Rückenbereichs. Dabei treten vor allem Tendinopathien, unspezifische Rückenbeschwerden und periostale Stressreaktionen auf.

Als erhöhte Risiken gelten Vorverletzungen, ein geringes Trainingsalter und ein Laufumfang von mehr als 60 km pro Woche. Insgesamt gibt es bisher keine Hinweise, dass Marathon- und Ultralaufen einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat nachhaltig schädigen Präventiv wirken eine typgerechte Ausrüstung, ein ökonomischer Laufstil, ein strukturiertes und variables Training, Warm-up und Cool-down, ein begleitendes Dehn- und Kräftigungsprogramm sowie Laufschule, regenerative Maßnahmen und eine sportgerechte Ernährung.

Belastungsbedingte Magen-Darm-Beschwerden treten bei bis zu 50% der Langstreckenläufer auf (Mooren und Stein 2011). Ein Drittel ist dabei in der Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. 5% der Athleten greifen wegen dieser Beschwerden zu Medikamenten (Antacida, Antidiarrhoika etc.).

Bei den Beschwerden handelt es sich insbesondere um Übelkeit/Erbrechen, Refluxsymptomatik und Diarrhöen, wobei der untere Gastrointestinaltrakt doppelt so häufig betroffen ist. Die häufigsten Symptome sind Bauchkrämpfe, Stuhldrang bis hin zur Diarrhoe, die auch blutig sein kann. Bei Beschwerden des oberen Gastrointestinaltrakts treten vor allem Appetitlosigkeit, Übelkeit, Sodbrennen und Erbrechen auf.

Das Auftreten dieser Beschwerden zeigt eine Korrelation zu hohen und lang dauernden Belastungen. Begünstigende Faktoren sind der nahe Zeitpunkt und die Menge der Nahrungsaufnahme zur Belastung, eine hochkalorische Nahrung sowie hohe Fett- und Proteinanteile. Der vermutlich wichtigste ursächliche Mechanismus ist  die Verminderung des Blutflusses im Magen-Darm-Bereich. Dies wird noch verstärkt durch eine schlechte Hydratation und heiße Temperaturen. Eine individuell angepasste Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme vor und während des Trainings und Wettkampfs wirken präventiv.

„Aus Mäßigkeit entspringt reines Glück" (Johann Wolfgang von Goethe).

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

  

Literatur:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.

Bartens W. Glücksmedizin. Was wirklich wirkt. München: Droemer 2011.

Hirschhausen von E.  Glück kommt selten allein. Hamburg: Rowohlt 2009.

Klein S. Die Glücksformel – oder wie die guten Gefühle entstehen. Hamburg: Rowohlt 2003.

Mayer F, Weber J, Cassel M, Müller J, Riegels N, Müller S. Schadet Marathonlaufen dem Stütz- und Bewegungsapparat? Dtsch Z Sportmed 62 (2011) 299-303.

Mooren FC, Stein B. Schadet Marathonlaufen dem Gastrointestinalen System? Dtsch Z Sportmed 62 (2011) 304-9.

Scharhag J, Knebel F, Mayer F, Kindermann W. Schadet Marathonlaufen dem Herz? Ein Update. Dtsch Z Sportmed 62 (2011) 293-7.

 

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Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR

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