Thomas Kurschilgen - „Wege fortführen“ (II) ©DLV
Thomas Kurschilgen – „Wege fortführen“ (II)
Bei den Deutschen Marathon-Meisterschaften wurden am 14. Oktober die letzten deutschen Meistertitel des Jahres 2012 vergeben. Thomas Kurschilgen, Sportdirektor im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), zieht in einem zweiteiligen Interview eine Bilanz des „Superjahrs“ und erklärt, warum er optimistisch in die Zukunft blickt.
Herr Kurschilgen, in einigen Disziplinen wie dem Dreisprung, dem 400-Meter-Lauf oder dem Marathon der Männer schaffte kein deutscher Athlet den Sprung nach London. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie hier wieder den Anschluss an die Weltspitze schaffen?
Thomas Kurschilgen:
Weltspitzenleistungen sind nicht von heute auf morgen zu entwickeln. Sie bedürfen eines herausragenden Talentes und eines langfristig zielgerichteten Trainingsaufbaus, angelehnt an ein plausibles trainingsmethodisches Grundkonzept und kontinuierlich begleitet von hochqualifizierten Trainern.
Der Trackbereich wird häufig sehr zu Unrecht und zu undifferenziert kritisiert. Dabei ist uns auf europäischer Ebene unter der Führung von Cheftrainer Idriss Gonschinska eine sehr positive Leistungsentwicklung gelungen: In Helsinki hatten wir 20 Platzierungen in den Top Zwölf, die DLV-Staffeln haben drei Medaillen und eine weitere Endkampfplatzierung gesammelt. Zudem konnte die 4×100 Meter Staffel der Männer nach 20 Jahren den deutschen Rekord eindrucksvoll verbessern.
Diese Entwicklungen wurden eingeleitet durch eine intensivierte Leistungsdiagnostik in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig. Hinzu kam die enge Zusammenarbeit in ganzheitlich arbeitenden Kompetenzteams, ein verstärkter Wissensaustausch der Trainer und gemeinsame Trainingslager- und Lehrgangsmaßnahmen. Wir werden diesen Weg im kommenden Zyklus mit den verantwortlichen Bundestrainern in allen Disziplinblöcken konsequent fortführen.
Was stimmt Sie zuversichtlich, dass sich die deutschen Leichtathleten 2013 bei der WM in Moskau ähnlich gut präsentieren wie in 2012?
Thomas Kurschilgen:
Grundsätzlich sind Weltklasseleistungen nicht beliebig und fortwährend wiederholbar und produzierbar. Die Leichtathletik hat sich immer mehr zu einer ganzjährigen Sportart mit jährlich wiederkehrenden internationalen Meisterschafen, einer Straßenlauf- und einer Cross-Saison entwickelt. In der mittelfristigen Trainings- und Wettkampfplanung muss dies berücksichtigt werden, auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio 2016.
Wir müssen daher nach dem überaus erfolgreichen Olympiazyklus 2009 bis 2012 auch den Mut haben, unseren Spitzenathleten einmal die Zeit für ausreichende Regenerationsprozesse zu geben. Für 2013 sollte nicht das Maximum des erwünschten Erfolgs unsere Maxime sein, sondern das Optimum des individuell Leistbaren.
Ab dem kommenden Jahr wird der Leistungssport wieder von einem Cheftrainer, von Idriss Gonschinska, geleitet. Was erhoffen Sie sich von dieser Umstellung?
Thomas Kurschilgen:
Die strukturellen Veränderungen in der Olympischen Leichtathletik sind im Strukturplan Leistungssport für den Zyklus 2013 bis 2016 ausführlich begründet und beschrieben. Kernelemente sind die Kaderförderung in den TopTeams, die Trainerstrukturen, die Trainingssysteme, die gesundheitliche, psychologische und soziale Betreuung sowie das Bundesstützpunkt-Konzept.
Im Personalbereich wurden auf Basis der Erfahrungen und Erkenntnisse seit 2009 drei wesentliche strukturelle Veränderungen beschlossen: die Reduzierung der Cheftrainerebene mit der Erweiterung der Leitenden Bundestrainerebene auf den Sprung- und Sprintbereich, die Integration der U23-Nationalmannschaft in den Kompetenzbereich des Cheftrainers sowie die Zusammenführung der Altersbereiche U18/U20 in einen Verantwortungsbereich.
Diese Veränderungen sind ein richtungsweisender Schritt für eine effiziente arbeitsteilige Leistungssport-Organisation. Zudem können in der Zukunft wichtige Prozesse in der Personalentwicklung im Trainerstab eingeleitet werden.
Wie werden die Führungsaufgaben im Leistungssport künftig verteilt sein?
Thomas Kurschilgen:
Ich selbst werde als Sportdirektor und Verantwortlicher für den Leistungssport verstärkt strategisch, sportpolitisch und in der Gesamtveranwortung für den Leistungssport tätig sein. Die Zusammenarbeit mit den Partnern im Spitzensport, den internen und nationalen Gremien sind einige Schwerpunktaufgaben.
Dem Cheftrainer Idriss Gonschinska kommt verstärkt die operative Führung der Nationalmannschaft und die sportfachliche Zusammenarbeit mit den DLV-Bundestrainern zu.
Die Leitenden Bundestrainer werden als erste Ansprechpartner des Cheftrainers diesen Prozess intensiv begleiten und sich führend in die Fragen der Kaderbildung, die Nominierungsvorschläge zu den internationalen Meisterschaften und in die Strukturierung gemeinsamer Trainingslagermaßnahmen sowie die Wettkampfplanung ihrer Disziplingruppen einbringen.
DLV
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