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25
03
2013

Sport ist Sport und krank ist krank - Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT ©pixelio - Dieter Schütz

Sport ist Sport und krank ist krank – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT

By GRR 0

"Ich treibe Sport. Ich bin gesund. Ich brauche keinen Arzt. Wenn ich regelmäßig laufe, lebe ich sowieso im Mittel Jahre länger und dann ist mir sowieso alles egal". Diese Meinung ist nicht selten bei Sportlern. Nach einer früheren Befragung im Rahmen des BERLIN MARATHONs gaben circa 40 Prozent der Teilnehmer an, noch nie bei einem Arzt gewesen zu sein.

Wenn ich die Zwischenfälle analysiere, die es in meiner langjährigen Tätigkeit im Rahmen des BERLIN MARATHONs gegeben hat, waren es selten schicksalshafte Schläge. Meistens waren es nicht erkannte, schon länger bestehende Krankheiten, die ignoriert oder verdrängt oder auch von Ärzten mit nicht sportgerechten Medikamenten behandelt wurden. Es kam dann auch vor, dass Patienten einfach mit Sportverboten, berechtigt oder nicht berechtigt, belegt wurden.

Defekte oder Schmerzen am Bewegungsapparat können sich durch den Sport verschlimmern. Sie sind aber niemals gefährlich, höchstens schmerzhaft und lästig. Anders sind die Erkrankungen des Herz-Kreis-laufsystems zu werten. Nicht erkannte Erkrankungen, welche häufig auch symptomlos verlaufen, können folgenschwere Komplikationen bis hin zu Todesfällen auslösen.

Der Trend zum besseren Verstehen des eigenen Körpers und der komplexen Gesundheits-problematik ist sehr deutlich, wird aber häufig in eine produktorientierte falsche Richtung gelenkt. Mein Ziel ist es, an die Eigenverantwortung zu appellieren, ein besseres Verstehen
des eigenen Herzkreislaufsystems zu vermitteln und damit Risiken und Zwischenfälle zu vermeiden …

In den nächsten Ausgaben von LAUFZEIT werden einzelne Krankheitsbilder rund um das Herz-Kreislauf-system dargestellt – pragmatisch und verständlich.

Das Ziel ist klar: Prävention und Vermeidung von unangenehmen und teilweise bedrohlichen Zwischenfällen und Stärkung der Eigenverantwortung.

Die Themenfelder werden sein: Erkrankungen des Herzmuskels, Erkrankungen der Herzklappen, Erkran-kungen des elektrischen Systems des Herzens/Herzrhythmusstörungen, genetische Erkrankungen des Herzens und die regulativen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, zum Beispiel Bluthochdruck

 

1. Das laufende Volk und sein Herzmuskel

 

Im gesamten Muskel-System des menschlichen Körpers nimmt der Herzmuskel eine ganz besondere Stellung ein. Er leistet ohne Unterbrechung spielend 80–100 Jahre seine Tätigkeit. Zählen wir die Herzschläge des Lebens, kann jeder für sich ausrechnen was für ein enormes Arbeitspensum dieser kleine Muskel bewerkstelligen kann. Jede Minute werden in Ruhe 3–5 l Blut in zwei Kreisläufen durch das Herz gepumpt. Jeden Tag kontrahiert sich dieser Muskel 80–120.000 mal und leistet eine Arbeit bis zu 20.000 mKp.

Wann schläft dieser Muskel? Die Phase zwischen zwei Herzschlägen, genannt Diastole, bestimmt die Regeneration und Erholung dieses Wundermuskels. Genau in diesem Segment der längeren Erholungszeit des Dauerleisters, trainingsbedingt, liegt der Gewinn an Lebenszeit durch die niedrigeren Pulsfrequenzen.

Viele Läuferinnen und Läufer glauben, durch Sport und Müsli essen ist dieses System
lebenslang gesund. Welch ein Irrtum. Bei aller Stabilität, die uns der Sport vermittelt, können eigenverantwortete und schicksalshafte Krankheiten dieses Wunderwerk gefährden.

 

Gefährliche Angriffe

 

Im Vordergrund stehen entzündliche Erkrankungen. Sie können viral und bakteriell verursacht sein. Sie können den Herzmuskel partiell und total ereilen. Unverändert sind sie lebens-gefährlich, insbesondere die Viruserkrankungen. Es gibt viele spezielle Viren, die gern das Herz angreifen. Aber auch jeder grippale Effekt und jede noch so banale Virusinfektion können den Herzmuskel angreifen und zwar dann, wenn der biologische Schutz der Ruhe missachtet und in Virusinfekte hinein trainiert wird. Hier lag übrigens der größte Irrtum unseres verehrten Dr. Ernst von Aaken, der glaubte, durch die hohe Körper-Temperatur im Training oder Wettkampf Virusinfekte abzutöten.

Ein fataler Irrtum mit vielen zum Teil letalen Folgen. Unverändert ist die Diagnostik von Herzmus-kelentzündungen schwierig. Nur mit modernster Diagnostiktechnik ist sie zu präzisieren. Die Therapie bei bakteriellen Infektionen gestaltet sich mit Antibiotika meistens erfolgreich – in letzter Zeit allerdings durch gehäuften Missbrauch dieser Medikamente und die Entwicklung von Resistenzen zunehmend schwieriger. Unverändert schwierig sind Virusinfektionen des Herzmuskels, da wir nach wie vor gegen Viren keine Medikamente besitzen.

Hier ist das allerwichtigste Medikament Ruhe und nochmals Ruhe. Wird eine Entzündung überlebt, bleibt lange Zeit eine strukturelle Veränderung der Fasern, die die Muskelzellen umhüllen und damit die Sauerstoffversorgung der einzelnen Zellen – insbesondere unter Leistung – erschweren. Nach abklingen der akuten Erkrankung ist ein ganz langwieriger Reha-Prozess angesagt. An dieser Stelle ist Geduld und Erfahrung gefragt.

Überforderung kann schaden – kein Sport hingegen stabilisiert den Schaden. Exakt vermitteltes
Reha-Training ist der goldene Weg.

Wunderpille Bewegung

Durchblutungsstörungen des Herzens gehen immer auf eine Veränderung der Herzkranzgefäße zurück und sind selten schicksalshaft bedingt, meistens durch Risiko verursacht. Dazu gehören die Klassiker Bewegungsmangel, Tabak rauchen, Fehlernährung und die besondere Rolle des psychosozialen Stresses. Letzterer rückt mit der breiten Verzahnung in alle Körpersegmente durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse immer mehr in den Vordergrund. Auch hier gilt Änderung der Lebensstruktur als erstes Gebot.

Erfreulich aus unserer Sicht, dass trotz medizinischen Fortschritts und einem immensen technischen Reparaturbetrieb das wirksamste Medikament zur Sicherung der Durchblutung des Herzmuskels konsequent betriebener exakt dosierter Herzsport ist. Im Gegensatz vor circa 20 Jahren lehnten führende Kardiologen deutschlandweit Bewegungsmangel als Risikofaktor immer noch ab. Von nicht wenigen wurde ich beschimpft: Mit Herzkranken Sport zu treiben, sei doch Mord.

Im Alter neigen viele Menschen zu einer so genannten Herzmuskelschwäche oder Herzinsuffi zienz. Auch hier ist das Ursachenpaket vielschichtig. Der Therapieansatz ist bei diesem Krank-heitsbild primär medikamentös zu suchen, inzwischen aber auch als wichtigstes Medikament anerkannt: dosierte Bewegung, die nicht immer in Sport ausarten muss.

Ein wichtiges Kapitel ist das so genannte Hochdruckherz. Jeder vierte Deutsche hat die Anlage, die Krankheit Bluthochdruck zu erwerben. Leider macht diese Krankheit keine Beschwerden und wird selten konsequent und gut behandelt. Unbehandelt führt sie zu einer Verdickung des Herzmuskels, anfänglich durchaus ähnlich wie bei einem Sportler, später eindeutig als Krankheit einzustufen – mit dem Risiko, dass die versorgenden Blutgefäße nicht mitwachsen.

Ganz im Gegensatz zu einem Sportler. Unbehandelte „Hochdruckler“ sind dementsprechend das höchste Risikokollektiv bei Laufveranstaltungen. Spezielles hierzu in späteren LAUFZEIT-Ausgaben.

Letztendlich gibt es eine Reihe von genetischen Erkrankungen des Herzmuskels, die immer individuell zu klären sind und die auch immer einer individuellen Therapie bedürfen. Bei diesen Krankheiten ist die Frage nach sportlichem Tun immer eine Einzelfallentscheidung.

 

Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT –3/2013

 

LAUFZEIT

 

 

Praxis Dr. Willi Heepe – Berlin

 

Praxis Dr. med. Willi Heepe
Epiphanienweg 6
14059 Berlin
Deutschland

Telefon: +49 (30) 99 19 49 20
Fax: +49 (30) 26 93 13 01

E-Mail-Adresse 1: wh@praxis-willi-heepe.de
E-Mail-Adresse 2: heepe-berlin@t-online.de

 

Öffnungszeiten / Termine

Bitte vereinbaren Sie Sprechstunden telefonisch – unter (030) 99194920 – oder per E-Mail.

Dr. Willi Heepe ist praktischer Arzt und Sportmediziner.

Seit über zwanzig Jahren liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in der medizinischen Betreuung von Menschen, denen ein Leben in Bewegung Herzensangelegenheit ist. Hierzu gehören professionelle Ausdauersportler, aber auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen.

Dr. Heepe ist Fachbuchautor; seine Artikel zum Ausdauersport erscheinen regelmäßig in aktuellen Zeitschriften (beispielsweise Runners World und LAUFZEIT).

Er ist außerdem ein geschätzter Dozent zu den Themen Sportmedizin, Ausdauertraining und Kardiologie.

Willi Heepe war viele Jahre lang Medizinischer Direktor des Berlin-Marathon. Er ist fünfzigmaliger Marathonfinisher und auch im Alter von 70 Jahren ein aktiver Repräsentant jener »Laufkultur«, für deren Entwicklung er sich in Deutschland schon so lange engagiert.

 

Weitere Beiträge von Dr. Willi Heepe bei GRR:

 

Mit Taktgeber auf die Piste – Herzschrittmacher und Sport – Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT

 

Sanft, hinterhältig und bösartig – Der Bluthochdruck. Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT

 

Training im Winter – Tipps von Dr. Willi Heepe dem langjährigen Medical-Director des BERLIN-MARATHON

 

Bluthochdruck und Ausdauersport – Dr. Willi Heepe, der langjährige Medical Director des BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING fasst zusammen welche Aspekte bei diesem Thema eine Rolle spielen und worauf zu achten ist.
 

Marathonarzt Dr. Willi Heepe: „In das Alter hineinlaufen, aber nicht dem Alter davonlaufen" – Was macht Sinn? Für jeden ist der Blick in den Spiegel seines Lebens das Entscheidende, jeder über 35- oder 40-jährige Läufer sollte daran denken, dass möglicherweise der Lebenslauf in seinen Gesundheitspass schon eine Narbe oder schon ein Merkmal geschrieben hat

 

„Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut" – Marathon-Arzt Dr. Willi Heepe nimmt Stellung 

 

GRENZERFAHRUNGEN – Was passiert im Körper? Ultraläufe aus sportmedizinischer Sicht – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT – Welche gesundheitlichen Risiken liegen in Läufern jenseits des Marathonlaufens?

 

Plötzlicher Herztod bei jungen Sportlern – Ruhe ist die einzige Therapie – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT – Die Myokarditis oder Herzmuskelentzündung.

 

Sporttote verhindern! Von Dr. Willi Heepe – dem Berliner Marathon-Arzt – Die wichtigste medizinische Sicherung jedoch liegt in der gesundheitlichen Verantwortung eines jeden Sportlers für sich selbst und damit für die Familie.

 

Weitere weitere Beiträge von Dr. Willi Heepe finden auf der GRR-Medizinseite – benutzen Sie die "GRR – Suchfunktion"!

 

author: GRR

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