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16
04
2013

Dr. med. Ralph Schomaker, Rennarzt Volksbank Münster Marathon ©privat

Stellungnahme zu den jüngsten Herztodfällen im Laufsport – Dr. med. Ralph Schomaker, Rennarzt Volksbank Münster Marathon

By GRR 0

Plötzlicher Herztod beim Volkslauf: nicht der Lauf tötet, sondern die Todesursache sind meist unerkannte gesundheitliche Risikofaktoren.

Aktuell ist wieder in der Tagespresse von Sportlern unterschiedlichen Alters und Trainingszustandes zu lesen, die bei Volksläufen einen plötzlichen Herztod erlitten haben. „Sport ist Mord" heißt es dann gerne und es wird der gesundheitliche Nutzen jeder breitensportlicher Aktivität in Frage gestellt: „…so gesund kann Sport gar nicht sein, wenn immer wieder auch gut trainierte Leistungssportler durch den plötzlichem Herztod beim Sport aus dem Leben gerissen werden?"

Wissenschaftliche Untersuchungen hingegen belegen, dass sich über 90% aller plötzlichen Herztodfälle in Ruhe und nicht unter körperlicher Belastung ereignen. Nur knapp 10% der Fälle ereignen sich unter körperlicher Anstrengung (körperliche Arbeit, sportliche Aktivität, etc.).

Das Risiko für den Läufer, einen plötzlichen Tod beim Marathon zu erleiden wird als sehr gering angesehen – man rechnet derzeit 0,5 bis 0,8 Herztodfällen pro 100.000 Marathonteilnehmer. Das Gros der Fälle trifft Läufer nach Kilometer 30 und etwa 50% der plötzlichen Herztodfälle beim Marathon ereignen sich nach Kilometer 40.

Überdurchschnittlich häufig vom plötzlichen Herztod beim Sport betroffen sind:

·         Männliche Läufer

·         Lebensalter 40-50 Jahre

·         Neu- und Wiedereinsteiger in den Sport, insbesondere bei plötzlichem und sehr intensivem Trainingsbeginn

·         Läufer mit vorbestehenden Herzerkrankungen

·         Läufer mit gesundheitlichen Risikofaktoren (Nikotingenuss, Bluthochdruck, Übergewicht, Blutfettstoffwechselstörungen)

Warnsymptome, die Anlass zur Trainings- oder Wettkampfunterbrechung und zeitnaher ärztlicher Abklärung sein sollten sind:

–          Ungewohntes Herzklopfen oder Herzrasen mit Pulsunregelmäßigkeiten

–          Schwindelgefühl und Kollapsneigung unter körperlicher Belastung

–          Schmerzen und Engegefühl in der Brust, der Schulter oder dem Rücken sowie der Oberbauchregion

–          Brennen und Druck hinter dem Brustbein bis in den Halsbereich

–          Luftnot in Ruhe oder bei geringer körperlicher Anstrengung

–          Druck, Völlegefühl oder Schmerzen im Oberbauch mit Übelkeit und Unwohlsein.

 

Der gesundheitliche Nutzen des Laufens überwiegt die Risiken bei weitem!

Die Evolution hat mit dem Menschen in der afrikanischen Savanne über Jahrmillionen als Jäger und Sammler ein „Lauftier" designed. Der Mensch läuft von seinem ersten Lebensjahr nahezu bis zu seinem Tode – Laufen ist unsere ursprüngliche und natürliche Fortbewegungsform.

Im 21. Jahrhundert bewegen sich jedoch >80% der Europäer weniger als 1000 m am Tag aus eigener Körperkraft. Noch vor Über- und Fehlernährung spielt Bewegungsmangel die Hauptrolle bei der Entstehung vieler Zivilisationserkrankungen und zeichnet damit für die Haupttodesursachen in den westlichen Industrieländern verantwortlich.

Die Weltgesundheitsorganisation und der Weltverband für Sportmedizin hielten bereits 1994 in der „Kölner Deklaration" fest: „Körperliche Inaktivität stellt einen jener Risikofaktoren dar, die am häufigsten einen vorzeitigen Tod begünstigen."

Das Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, von Bluthochdruck oder Zuckerkrankheit betroffen zu sein oder an Krebs, Demenz oder Depressionen zu erkranken nimmt bei Bewegungsmangel und mit sinkender Ausdauerleistungsfähigkeit rasant zu.

So wird regelmäßiger Ausdauersport erfolgreich in der Vorbeugung und Behandlung der oben genannten Erkrankungen eingesetzt:

·         Je besser die Ausdauerleistungfähigkeit und die maximale Sauerstoffaufnahme trainiert ist, umso geringer ausgeprägt sind Alterung und Verkalkung der Schlagadern (sog. Intima-Media-Dicke der Halsschlagader), die Hauptursache für die Entstehung von Herzinfarkten und Schlaganfällen

·         Je schneller ein Mensch 10 km laufend zurücklegen kann, umso geringer ist sein Risiko an Bluthochdruck, Blutzuckerstörungen (Diabetes) und Cholesterin- und anderen Blutfettstoffwechselerkrankungen zu erkranken (zusammengefasst mit erhöhtem Bauchumfang als „Metabolisches Syndrom" die tödlichste Erkrankung in den westlichen Industrienationen)

·         Ein Ausdauertraining von mindestens 4 Stunden pro Woche und mit mindestens 100 Watt oder mindestens 7 km/h Laufgeschwindigkeit (schnelles gehen oder langsames joggen) senkt das Risiko an Dickdarmkrebs oder Brustkrebs zu erkranken um 40%

·         Tägliches Ausdauertraining von mindestens 30 Minuten Dauer (Radfahren >100 Watt, Laufen >7 km/h) senkt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden um bis zu 40%

·         >50jährige können durch regelmäßiges Ausdauertraining ihr Risiko, in den nächsten 10Jahren zu versterben – in Abhängigkeit von ihren Vorerkrankungen – nahezu halbieren.

Prof. Dr. Wildor Hollmann hat die Wirkung geeigneten und individuell angepassten körperlichen Trainings auf die Gesundheit und die Lebenserwartung von Menschen jeden Alters mit einem vielzitierten Gleichnis auf den Punkt gebracht:

„Gäbe es eine Pille, welche die folgenden Eigenschaften in sich vereinigen würde:

·         Senkung des Sauerstoffverbrauches des Herzmuskels bei gleicher Pumpleistung

·         Hemmung von Gefäßalterung und Gefäßverkalkung

·         Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes und damit Senkung des Thrombose- und Embolierisikos

·         Senkung von Übergewicht

·         Begünstigung einer optimalen körperlichen und geistigen Entwicklung in der Jugend

·         Verringerung altersbedingter körperlicher und geistiger Leistungseinbußen

– mit welcher Dramaturgie würde wohl ein solches Medikament weltweit gefeiert?"

 

Für die Marathonvorbereitung lässt sich festhalten, dass ein an die Gesundheit und die Fitness des Läufers angepasstes regelmäßiges Lauftraining einen der effektivsten und wertvollsten Wege selbstmotivierter Gesundheitsprävention darstellt.

Der gesundheitliche Nutzen regelmäßigen Lauftrainings übertrifft die möglichen Risiken bei weitem.

Schon ein wöchentlicher Kalorienverbrauch 1000 kcal durch ein Lauftraining (entspricht näherungsweise 2 Stunden langsamen Ausdauerlaufes mit etwa 7 kmh) bringt messbare gesundheitliche Effekte. Optimal ist langfristig ein täglicher zusätzlicher sportbedingter Kalorienverbrauch von 300 kcal (entspricht in etwa 4-5h wöchentlicher niedrig intensiver Laufaktivität).

 

Gesundheit – So profitieren Sie vom Laufsport:

Regelmäßiges Ausdauertraining

o   erhöht ihre mentale Stressfähigkeit und mentale Leistungsfähigkeit

o   erhöhte ihr „gutes" HDL-Cholesterin und senkt das „schlechte" LDL-Cholesterin

o   verringert ihre Diabetes-Risiko

o   verringert ihren Blutdruck

o   senkt ihre Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko

o   stärkt ihr Immunsystem

o   senkt ihr Erkrankungsrisiko an Dickdarm- oder Brustkrebs

o   senkt ihr Risiko an Depression oder Demenz zu erkranken

  

Volksläufer und Gesundheit – ein zentrales Thema im Fokus der German Road Races (GRR) e.V.

 

Insbesondere der Marathon hat sich in den letzen drei Jahrzehnten von einer Außenseitersportart mit wenigen Aktiven zu einem Massensportphänomen entwickelt. Derzeit wird in Deutschland von 80.000 aktiven Marathonläufern ausgegangen, über 40% von ihnen bestreiten mindestens zwei Marathonläufe pro Jahr.

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem demografischen Wandel und Studien zeigen, dass der Marathonlauf gerade für die >40jährigen eine typische Neueinsteigersportart darstellt. Ein großer Anteil der Läufer, die heute an Volksläufen und City-Marathons teilnehmen ist deutlich über 40Jahre alt und betreibt seit weniger als fünf Jahren ein regelmäßiges Lauftraining!

GRR begleitet seit Jahren den Wandel der Volksläufe von einem leistungssportlichen Event zu einem gesundheitssportlichen Ereignis. Die Gesundheit der Läufer stellt für die GRR angeschlossenen Läufe die höchste Priorität dar.

Um die Läufer optimal bei ihrem Lauf-Event begleiten zu können, hat GRR mit der Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie an der Deutschen Sporthochschule Köln vor 4 Jahren das Projekt MedPace initiiert.

Mittlerweile liegen aus Befragungen von Läufern der GRR angeschlossenen Volksläufe die Daten von 68.000 Läufern vor. In einem weiteren Schritt werden diese Gesundheitsdaten anonymisiert mit den Notfallprotokollen des einzelnen behandlungsbedürftigen Läufers auf der Laufstrecke verlinkt.

Diese Umfragen zeigen, dass für die meisten Volksläufer ihre Finisherzeit kaum von Bedeutung ist. Es stehen weniger leistungssportliche als vielmehr gesundheitssportliche Ziele im Mittelpunkt ihrer Trainingsmotivation.

Das Ziel, an einem Volkslauf teilzunehmen stellt einen hervorragenden Ausgangspunkt dar, um erfolgreich und nachhaltig in eine Lebensstiländerung zu starten.

Ein Beispiel aus den Befragungen: 2012 rauchten 26% der Deutschen, nur 8% der Marathonläufer waren Raucher.

22% der Marathonläufer hatten als ehemalige Raucher bereits mit Erfolg eine grundlegende Lebensstiländerung absolviert; der Beginn eines regelmäßigen Lauftrainings hat dabei vielfach eine zentrale Rolle gespielt.

Die Daten zeigen: Volksläufer sind gesünder als die nichtlaufende Bevölkerung.

Um dem seltenen Ereignis „Herztod beim Volkslauf" vorzubeugen unterstützt GRR die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin zur sportmedizinischen Vorsorgeuntersuchung.

Ursächlich für die plötzlichen Herztodfälle beim Sport sind in der Regel nicht die Laufbelastung sondern unerkannte angeborene oder erworbene Herzerkrankungen:

·         Bei den über-35jährigen Betroffenen liegen vielfach dem Läufer nicht bekannte Herzkranzgefäßverkalkungen zugrunde.

·         Bei den unter-35jährigen stehen zuvor nicht erkannte Herzwandveränderungen – sogenannte hypertrophe Kardiomyopathien – und angeborene Herzkranzgefäßanomalien im Hintergrund.

 

In vielen Fällen können diese Erkrankungen im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung erkannt und behandelt werden.

 

In Italien gelang es zwischen 1979 und 2004 durch einheitliche sportmedizinische Untersuchungen der 12-35jährigen Sportler (u.a. mit einem 12Kanal-EKG), die Anzahl plötzlicher Herztodfälle um über 80% zu senken!

In Deutschland hat die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention Leitlinien für die sportmedizinische Untersuchung definiert (online unter www.dgsp.de einsehbar), die verbindliche Mindeststandards für eine sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung festlegen.

Das Ziel ist die Erkennung latenter oder bereits vorhandener Krankheiten, die eine gesundheitliche Gefährdung bei Aufnahme sportlicher Aktivität darstellen können.

Die Vorsorgeuntersuchung nach DGSPstandard soll gesundheitliche Risiken mindern oder vermeiden helfen und eine optimale Ausübung von Sport und körperlicher Aktivität für jeden Sporttreibenden ermöglichen.

Die DGSP empfiehlt die Untersuchung für alle Neu- und Wiedereinsteiger im Bereich Freizeit- und Breitensport jeden Alters (vom Kind bis zu Senioren), ambitionierte Freizeitsportler wie auch Leistungssportler; für letztere gelten darüber hinaus die Inhalte der jeweiligen Kaderuntersuchungen.

Derzeit unterziehen sich in Deutschland weniger als 50% der Marathonläufer einer sportmedizinischen Untersuchung.

Die Kosten einer sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung (zwischen 70,- und 200,- Euro) werden seit 2012 zunehmend auch von den gesetzlichen Krankenkassen mit Kostenanteilen von 50-80% übernommen. Fragen Sie hierzu bei Ihrer Krankenversicherung nach.

 

Eine sportmedizinische Untersuchung dient der Risikoreduktion. Sie bietet jedoch keine 100%ige Sicherheit. Die meisten – aber nicht alle – vorbestehenden Herzerkrankungen können erkannt werden.

  

(Das Risiko eines plötzlichen Herztodes beim Laufen lässt erheblich senken aber leider nicht ganz ausschalten: insbesondere Herkranzgefäßverengungen in Frühstadien und Herzmuskelentzündungen stellen eine Gefährdung dar sein und können auch durch sehr gewissenhafte Untersuchung nicht erkennbar sein.)

 

Checkliste: Sinnvolle Bestandteile einer sportmedizischen Vorsorgeuntersuchung nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP)

·         Ausführliche gesundheitliche und sportliche Vorgeschichte des Sportlers und seiner Familie (Anamnese) gemäß DGSP-Fragebogen für Sportler

·         Gründliche körperliche Untersuchung (u.a. Größe, Gewicht, Bauchumfang)

·         Ruhe EKG mit 12-Kanalableitung, Blutdruck in Ruhe

·         Bei Beschwerden, Risikofaktoren oder Lebensalter >40Jahre: BelastungsEKG mit begleitender Blutdruckmessung

·         Bei Vorliegen von Risikofaktoren: dopplersonografische Untersuchung der Halsschlagadern (Carotisdopplersonografie)

·         Bei Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung: Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie mit Gewebedoppler)

·         Bei Kurzatmigkeit, Asthma oder Rauchen: Lungenfunktionsuntersuchung (Spirometrie, Spiroergometrie)

·         Bei Kurzatmigkeit: Röntgenuntersuchung der Lunge

·         Blutuntersuchungen (Blutfette, Blutzucker, Blutbild, ggf. Schilddrüsenwerte, Anämioewerte, Entzündungswerte, etc.)

·         Je nach Beschwerdebild und Befund können weitere bildgebende Verfahren (Röntgen, Ultraschall, CT, MRT) sinnvoll sein

·         Zusatzoption: zu leistungsdiagnostischen Zwecken kann die Belastungsuntersuchung (EKG) – sofern sie auf dem Laufband durchgeführt wird -mit einem Laktatprofil und einer Spiroergometrie kombiniert werden. Dann können aus den bestimmten Schwellen die individuellen Trainingszonen für die Trainingsplanung ermittelt werden.

Hinweis: unter www.DGSP.de finden Sie eine Liste der von der DGSP empfohlenen sportärztlichen Untersuchungsstellen und bei

German Road Races (GRR) e.V.: Bei den aufgeführten Sportmedizinischen Instituten haben Läufer, und vor allem solche, die es noch werden wollen, die Möglichkeit, sich beraten bzw. entsprechend untersuchen zu lassen

 

Dr. med. Ralph Schomaker, Rennarzt Volksbank Münster Marathon

author: GRR

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