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13
06
2013

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Achillessehnenprobleme und Fersensporn ©privat

Achillessehnenprobleme und Fersensporn – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Achillessehne verbindet die Wademuskulatur mit dem Fersenbein und ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Sie besteht zu 95% aus Typ-1-Kollagen, das kräftiger und flexibler ist das restliche Typ-3-Kollagen. In ihrem Verlauf vollzieht sie eine 90-Grad-Rotation und kann dadurch wie eine Feder wirken, in dem sie Kraft speichern und wieder abgeben kann.

Bei der Heilung einer Verletzung wird zunächst das schwächere und unflexiblere Ty-3-Kollagen gebildet. Die Spannkraft und Federwirkung der Sehne ist damit zunächst reduziert. Die Achillessehne hat keine typische Sehnenscheide sondern wird von einem Gleitlager und einer Umhüllung (peritendinöses Gewebe) umgeben. Diese Hülle ist reich an Blutgefäßen und dient der Ernährung der Sehne.

Durch die Kontraktion des Wadenmuskels wird über die Sehne das Fersenbein angehoben und so der Abdruck beim Laufen vorgenommen. Aufgrund der Hebelverhältnisse wirken enorme Kräfte, die schon im normalen Stand beim Anheben der Ferse das 2,5-fache des Körpergewichts betragen und in der Abstoßphase das 7-fache des Körpergewichts erreichen können (Aderhold und Weigelt 2012).

In Anbetracht der anatomischen Besonderheiten verwundert es nicht, dass viele Sportler, bei denen über den Fuß Sprungkraft entwickelt wird, Achillessehnenprobleme haben. Hierzu gehören aufgrund der Dauerbelastung der Sehne auch Langstreckenläufer. Dabei bestimmt vor allem der Trainingsumfang die Wahrscheinlichkeit einer Achillestendinopathie (Mayer und Dickhuth 2002).

Auch als Folge von veränderten Schuhkonstruktionen kann es zu einer Zunahme von dieser Problematik kommen (Mayer et al. 2000).

Fast alle Muskeln der Rückseite des Körpers neigen aufgrund ihrer haltenden (tonischen) Funktion zur Verkürzung und einer erhöhten Grundspannung. Hierzu gehören die Nackenmuskulatur, die ischiokrurale Muskelgruppe, die lumbalen Muskeln und eben auch die Wadenmuskulatur.

Die Folge ist eine erhöhte Anspannung der Achillessehne mit Behinderung des Stoffwechsels und chronischer Reizung. In aller Regel sind Schmerzen im Bereich der Achillessehne (Achillodynie) auf eine Reizung des die Sehne umhüllenden Gleitgewebes, des Peritendineums, zurückzuführen.

Früher ging man davon aus, dass es sich um einen entzündlichen Prozess handelt. Inzwischen hat sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass in den meisten Fällen eine Degeneration von Kollagenfasern mit Veränderung der Faserstruktur sowie Mikrorisse die Ursachen sind (Wünnemannn und Rosenbaum 2009).

Die nachweisbaren Zeichen der Degeneration im Farbdopplerultraschall sind sogenannte Neogefäße mit einer gesteigerten Durchblutung und eine Anhäufung von freien Nervenendigungen (Knobloch 2009). Es kann auch zu Verkalkungen im Bereich des Sehnenansatzes im Sinne eines dorsalen Fersensporns kommen.

Bei Belastungsbeginn treten häufig stechende Schmerzen auf, die mit zunehmender Laufbelastung abnehmen und erst bei hochintensiver, längerer Belastung stärker oder nach Trainingsende wieder auftreten. Die Schmerzen sind häufig verbunden mit einer verdickten Sehne. Sie äußern sich als Druckschmerzen. Bei Bewegung verspürt der Sportler ein Knirschen im Sehnenbereich, so ähnlich wie beim Formen eines Schneeballs. Die Liste der möglichen Ursachen ist lang, von Instabilitäten des Bandapparates, muskulären Schwächen über Fehlstellungen bis hin zur falschen Schuhauswahl und Trainingsfehlern.

Die fortgesetzte Einnahme von Antibiotika (Chinolonpräparate), Kortison und Anabolika (Doping!) schwächt das Sehnengewebe. Auch zu hohe Harnsäure- und Cholesterinwerte können zu Ablagerungen im Bereich der Achillessehne führen und eine Reizung bewirken.

Daher sollte eine genaue orthopädische Untersuchung in Verbindung mit einer Laufanalyse stattfinden.

 

Therapie

 

In fast allen Fällen ist eine Einlagenversorgung mit optimierter Schuhauswahl und orthopädischer Schuhzurichtung empfehlenswert. Empfohlen wird auch ein orthopädischer Fersenschuh für die Nacht. Dadurch wird während des Schlafs eine sanfte, lang anhaltende Dehnung auf den Fuß ausgeübt. Auch die Verwendung einer pneumatischen Fersenbandage kann zu einer Verbesserung führen.

In der akuten Phase der Achillessehnenentzündung kann auch ein Fersenkeil bzw. ein Schuh mit hoher Sprengung zu einer Entlastung führen. Die Empfehlung, auf weichen Untergründen mit extrem gedämpften Schuhen zu laufen, wird derzeit kritisch gesehen. Ein Lauftraining auf Sandboden führt durch das Einsinken zu einer erheblichen Mehrbelastung der Sehne. Sie sollten ein konsequentes Dehnungsprogramm (nur bis an den Schmerz heran) durchführen.

Am besten eignet sich eine einfache Übung (exzentrisches Training), bei der Sie mit durchgedrückten Knien auf einer Stufe stehen und das Körpergewicht auf den Ballen halten. Die über die Kante hinausstehenden Fersen senken Sie etwa 10 s lang. Die Intensität lässt sich erhöhen, indem Sie abwechselnd nur eine Ferse senken.

Dieses exzentrische Krafttraining sollten Sie mindestens 12 Wochen lang mit 6-mal 15 Wiederholungen durchführen. Eine geringere Dosis ist aufgrund des langsamen Zellumbaus in der Sehne nicht wirksam (Knobloch 2009). Durch dieses exzentrische Krafttraining verschwinden die krankhaften Gefäße samt schmerzleitender Nerven.

Transkutan aufgebrachtes Nitroglycerinspray ( 2×2 Hübe/Tag) fördert die Durchblutung und verbessert den Kollagenstoffwechsel. Ultraschallkontroliert kann auch eine Sklerosierung der Neogefäße mit Polidocanol vorgenommen werden.

Die Kältetherapie direkt nach dem Training, Salbenumschläge (z.B. auch Magerquark-Packung über Nacht), Querfriktionsmassage, Stoßwellentherapie, Elektrotherapie und auch Magnetfeldtherapie fördern die Durchblutung, regen den Stoffwechsel an und blockieren Schmerzrezeptoren.  Das Training sollte umgestellt und eventuell reduziert werden (als Alternativen bieten sich Radfahren und Aqua-Jogging an), bei stärkeren Beschwerden ist eine Trainingspause notwendig. Mit reduziertem Lauftraining können Sie nach Besserung schmerzlimitiert wieder beginnen. Das Lauftraining wird am besten in ebenem Gelände durchgeführt, da dies die Sehne am wenigsten belastet. Ein zusätzliches Balancetraining ist auch bei Sehnenbeschwerden sinnvoll.

Tritt keine Besserung ein, kann eine Injektionsbehandlung mit stoffwechselaktivierenden und schmerzlindernden Substanzen vorgenommen werden. Die Injektionen dürfen nur in das umhüllende Gewebe und nicht in die Sehne erfolgen. Bewährt haben sich Kombinationen von Lokalanästhetika mit homöopathischen Komplexmitteln. Auch gefäßverödende Medikamente und Hyaluronsäure werden eingesetzt.

Kurzfristig ist die Gabe von Antiphlogistika gerechtfertigt, ergänzend können Homöopathika (Rus toxicodendron, Traumeel®) und Akupunktur eingesetzt werden. Eine Supplementierung mit Gukosamin und Kieselsäure (Ackerschachtelhalm-Konzentrat) unterstützt die Regeneration. Eine Ruhigstellung im Gipsverband, wie es noch teilweise praktiziert wird, bringt nach heutigen Erkenntnissen keinen Nutzen.

Die Rehabilitation bei Achillessehnentendinopathie ist langwierig und liegt in erster Linie an der langsamen Teilungszeit der Sehnenzellen von 8 Wochen. Nur bei Versagen der konservativen Therapie ist eine Operation zu erwägen, wobei das chronisch entzündliche bzw. narbig veränderte Sehnengleitgewebe entfernt wird (Sehnendebridement).

 

Vorbeugung

 

Zur Prävention sollten Sie 3-mal in der Woche das vorgestellte exzentrische Krafttraining durchführen.

 

Fersensporn

 

Man unterscheidet zwischen einem hinteren (dorsalen) Fersensporn (auch Haglund-Exostose oder Haglund-Ferse) als Reaktion des Knochens am Ansatz der Achillessehne am Fersenbein und dem unteren (plantaren) Fersensporn am Ursprung der Fußsohlensehne (Plantaraponeurose). Durch erhöhten Zug der Sehnen und permanenten lokalen Druck (schlecht geformte Schuhe) – meist kombiniert mit einer Fehlstatik kommt es zu Entzündungen, zunächst des Schleimbeutels (Bursitis), dann auch des umgebenden Gewebes.

Gleichzeitig kann sich auch eine Achillestendinopathie  entwickeln. Es treten knöcherne Anbauten im Bereich der Sehnenansätze auf. Die eigentliche Schmerzursache ist meist nicht der Knochenvorsprung sondern die Insertionstendinose. Die möglichen Ursachen müssen von Systemerkrankungen (Rheumatoide Arthritis, Reiter-Syndrom, Morbus Bechterew, Diabetes mellitus, Osteoporose, Adipositas) abgegrenzt werden. Differenzialdiagnostisch ist auch an eine Mortonsche Neuralgie und ein Tarsaltunnelsyndrom zu denken.

 

Therapie

 

Die Behandlung des Fersensporns ist vorzugsweise konservativ. Bewährt hat sich eine Stufentherapie, an deren Beginn eine gewissenhaft durchgeführte Dehngymnastik der Waden- und Fußmuskulatur sowie Querfriktionen steht. Bei der Haglund-Ferse ist an eine Schuhzurichtung mit Aussparung in der Fersenkappe zu denken. Grundlegend ist beim plantaren Fersensporn auch die Versorgung mit Schuheinlagen, wobei meist die überlastete mediale Wölbung mit Weichbettung abgestützt wird und gegebenenfalls die Ferse ausgespart bleibt.

In der 1. Phase sind auch die Physikalische Therapie (Eis, Ultraschall, Softlaser, Magnetfeldtherapie), Akupunktur, die Gabe von Antiphlogistika und die zurückhaltend anzuwendende Steroidinjektion in Kombination mit Lokalanästhetika hilfreich. In der 2. Phase kommt die Stoßwellenbehandlung zum Einsatz, deren positive Wirkung in Studien nachgewiesen wurde.

Der Erfolg stellt sich in der Regel nach 3 – 4 Behandlungen innerhalb eines Monats ein. Als 3. Phase kann die Röntgenreizbestrahlung eingesetzt werden, von der auch gute Ergebnisse berichtet wurden. Durch den Einsatz des gesamten konservativen Behandlungsspektrums beträgt die Erfolgsrate 80 – 90 %. Bei anhaltenden Beschwerden besteht dann die Indikation zur operativen Behandlung. Neben der Abtragung des Sporns hat sich beim plantaren Fersensporn zunehmend die Einkerbung der Plantaraponeurose bewährt.

Dem schließt sich eine entsprechende Rehabilitationsphase an. Der entfernte Fersensporn wird aber wieder kommen, wenn die Ursachen (Verkürzung der Muskulatur, Laufstil und Schuhe, Trainingsbelastung) nicht beseitigt werden.

 

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

Literatur:

 

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.

Knobloch K. Aus nach Sportverletzung? Moderne Diagnostik, Therapie und Präventionsmöglichkeiten. Balingen: Spitta 2009.

Mayer F, Grau S, Bäuerle W, Beck M, Krauss I, Maiwald C, Baur H. Achillessehnenbeschwerden im Laufsport – eine aktuelle Übersicht. Dtsch Z Sportmed 2000; 51: 161-7.

Mayer F, Dickhuth HH. Chronische Achillessehnenbeschwerden im Sport. Dtsch Z Sportmed 2002; 53: 256-7.

Wünnemann M, Rosenbaum D. Chronische Tendinopathie der Achillessehne – ein multifaktorielles Beschwerdebild. Dtsch Z Sportmed 2009; 60: 339-44.

 

 

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author: GRR

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