Blog
26
10
2013

Dr. med. T. Bobbert - Charité - Universitätsmedizin Berlin - Körperliche Aktivität und Ernährung sind nicht die Antwort auf alles... ©privat

Körperliche Aktivität und Ernährung sind nicht die Antwort auf alles… Dr. med. T. Bobbert – Charité – Universitätsmedizin Berlin

By GRR 0

Bei vielen Erkrankungen ist eine gesunde Ernährung und vermehrte körperliche Aktivität die wesentlichen Grundlagen der Therapie. Beim Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM), dem sogenannten Altersdiabetes, trifft dies im besonderen Maße zu, da viele Studien zeigen konnten, dass körperliche Inaktivität und Übergewicht bzw. Adipositas (Fettsucht) das Risiko an einem T2DM zu erkranken erhöhen.

Zudem konnte vielfach gezeigt werden, dass sich durch einen verbesserten Lebensstil (Lifestyle Modifikation) bei Personen mit T2DM sowohl das Körpergewicht reduzieren lässt, als auch andere Parameter wie Blutzuckerwerte und Fettstoffwechselparameter verbessern. Eine Lifestyle Modifikation führte zudem bei Personen, die ein hohes Risiko für die Entwicklung eines T2DM besitzen, zu einer deutlichen Risikoreduktion in der Entstehung eines T2DM von ca. 60 %. Interessanterweise war sie auch erfolgreicher als eine medikamentöse Therapie.

Dies sind wesentliche Gründe dafür gewesen, dass in allen Leitlinien für die Therapie des T2DM eine Lifestyle Modifikation an erster und wichtigster Stelle steht. Interessanterweise gab es bisher keine Daten, die die Langzeiteffekte einer gesunden Ernährung und vermehrter körperlicher Aktivität auf die Lebenserwartung bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Personen mit T2DM zeigten.

Es mag zwar logisch erscheinen, dass sich dies positiv auswirkt, aber gerade in der Diabetologie ist man mit solchen Schlussfolgerungen vorsichtig geworden. So ist z.B. für viele Medikamente ein sehr guter Effekt auf den Blutzucker, aber kein Verminderung von Folgeschäden wie z.B. Herzinfarkt, Nierenversagen oder Tod festzustellen.

In der sogenannten Look Ahead Studie sollte nun gezeigt werden, dass eine Lifestyle Modifikation sich positiv auf Herz-Kreislauf-Ereignisse (z.B. kardiovaskulär bedingter Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) auswirkt. Dazu wurden an 16 Studiencentern in den USA 5145 übergewichtige Typ 2 Diabetiker eingeschlossen und zufällig auf 2 Gruppen verteilt. In der Interventionsgruppe wurde eine intensive regelmäßige Schulung und Beratung zu Ernährung und körperlicher Aktivität, in der Kontrollgruppe dagegen nur die üblichen Maßnahmen angeboten.

Die zwischenzeitlich erzielten Effekte waren sehr vielversprechend. So kam es in der Interventionsgruppe zu einem deutlichen Gewichtsverlust, der Bauchumfang, als Ausdruck des ungünstigen Fettgewebes, nahm ab. In der Interventionsgruppe betrug der Gewichtsverlust nach einem Jahr  8,7 % vom Ausgangsgewicht im Vergleich zu 0,7 % in der Kontrollgruppe und bei Studienende 6,3 % zu 3,5 %. Auch die Fitnesswerte oder die Blutzuckerwerte waren wesentlich besser.

Nach 13,5 Jahren wurde die Studie Ende 2012 jedoch gestoppt, da sich in den primären Zielen der Studie kein Unterschied in den Gruppen zeigte. In der Interventionsgruppe kam es bei 403 Personen zu einem Ereignis und  bei 418 in der Kontrollgruppe. Dieser minimale Unterschied war statistisch jedoch nicht signifikant.

Diese Daten sind zunächst außerordentlich ernüchternd und es stellt sich die Frage warum die sehr logische Annahme, dass sich eine Lifestyle Modifikation positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt, nicht zutrifft. Sicherlich muss man sich die Look Ahead Studie dazu näher anschauen. Das negative Ergebnis kann zum einen durch eine zu geringe Studiengröße bedingt sein, wobei dies aufgrund der Größe der Studie eher unwahrscheinlich erscheint.

Ein weiterer Punkt könnte eine zu geringe Gewichtsabnahme im Vergleich zur Kontrollgruppe gewesen sein. Schaut man sich den Gewichtsverlauf an, so ist dieser im ersten Jahr sehr hoch, nimmt dann rapide ab und pegelt sich relativ konstant auf einem niedrigeren Niveau wieder ein. Zudem kam es in der Kontrollgruppe zu einem relativ gleichmäßigen Gewichtsverlust, was nicht unbedingt dem normalen Gewichtsverlauf im Rahmen des T2DM entspricht.

Die Frage ist, ob eine stärkere Gewichtsabnahme in der Interventionsgruppe von Vorteil gewesen wäre. Dies würde aber dann nicht mehr in dem Rahmen liegen, was durch eine konventionelle Lifestyle Modifikation erzielt werden kann. Die Daten scheinen eher darauf hinzuweisen, dass eine Gewichtsreduktion mit anschließender Gewichtszunahme eher schädlich sein kann.

In der Studie wurde kein Unterschied in der Art der verwendeten Diät gemacht. So wäre es durch aus interessant zu sehen, wie unterschiedliche Diäten (z.B. Mediterrane Kost) das Ergebnis beeinflusst hätten.

In der Kontrollgruppe wurde außerdem studienbedingt insgesamt wohl auch mehr Schulungen angeboten als üblicherweise und vermehrt Cholesterinsenker eingesetzt, was auch dazu geführt haben kann, dass der Unterschied zwischen den Gruppen kleiner geworden ist.

Ein weiterer interessanter Punkt in der detaillierten Auswertung ist die Tatsache, dass eher die Personen in der Interventionsgruppe profitierten, bei denen keine Herz-Kreislauf-Erkrankung initial bekannt war, im Gegensatz zu denen, bei denen schon eine Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems diagnostiziert war. Auch dieser Unterschied war zwar nicht signifikant, aber zeigt in eine ähnliche Richtung wie andere große Studien, die zeigen konnten, dass, wenn erst einmal Erkrankungen bestehen, die Therapien sorgfältig überdacht werden müssen und nicht zu aggressiv sein dürfen.

Lässt sich anhand dieser Ergebnisse jetzt die Schlussfolgerung ziehen, dass man bei übergewichtigen Personen mit Typ 2 Diabetes auf diätetische Maßnahmen und vermehrte körperliche Aktivität verzichten sollte? Eher nicht. So kam es in der Interventionsgruppe u.a.  zu einer verminderten Anzahl an Depressionen oder Schlafapnoe und insgesamt zu einer wesentlich besseren Lebensqualität und Mobilität.

Weitere  Schlussfolgerungen sollten eher sein, dass es weiterer Forschung bedarf, ob ein Gewichtsabnahme immer sinnvoll ist, und zum anderen, dass vermehrt Wert auf die Prävention von Erkrankungen gelegt wird. Denn dies ist bereits recht gut bekannt: Eine Lifestyle Modifikation ist im Verhindern von chronischen Erkrankungen sehr effektiv, auch wenn sie schwer umzusetzen ist.

 

Priv.-Doz. Dr. med. T. Bobbert
Charité – Universitätsmedizin Berlin

Campus Mitte
Klinik für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin
Charitéplatz 1 , 10117 Berlin
Tel: +49/30/450-514252
Fax: +49/30/450-514950

 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply