Sport bewegt! Werner Schmidt fordert „Mehr Bewegung für alle Kinder“ – Die Buchvorstellung von Prof. Detlef Kuhlmann

Vor rund 50 Jahren prägte der Pädagoge Georg Picht mit seinem gleichnamigen Buch den Begriff der „Bildungskatastrophe“, um auf die Situation des Bildungswesens in der damaligen Bundesrepublik Deutschland aufmerksam zu machen. Jetzt hat der Essener Sportpädagoge Prof. Werner Schmidt nachgelegt und „Die deutsche Gesundheits- und Bildungskatastrophe“ (Titel des Buches) ausgerufen.

Seine unmissverständliche Forderung in diesem Zusammenhang lautet: „Mehr Gerechtigkeit und Bewegung für Alle Kinder“ (Untertitel). Wer wollte dem widersprechen? Und in den Sportorganisationen müssen jetzt alle Ampeln sofort auf Grün schalten – das soll heißen: Diese „konstruktive Streitschrift“, wie Schmidt sein Werk selbst bezeichnet, unterstützt nicht zuletzt das Anliegen aller sportanbietender Instanzen, für noch mehr kindgemäße Bewegungsangebote zu sorgen.

Dabei geht es Schmidt nicht nur, aber eben auch um die Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten von Kindern. Er macht sich vielmehr stark für das gesamte „Humankapital“ der nachwachsenden Generation, in das verstärkt investiert werden muss. Schmidt markiert demnach die derzeitige Katastrophe z.B. am prekären Gesundheits- und Bildungszustand jeden dritten Heranwachsenden, an der problematischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation und die einschleichende Verelendung ganzer Stadtteile in großstädtischen Ballungsräumen.

Schmidt möchte summarisch einen Beitrag leisten „für eine gerechte Solidargemeinschaft, die der zunehmenden Spaltung in unserer Gesellschaft entgegenwirkt“.
Seine Streitschrift besteht im Kern aus einer reichhaltigen Daten- und Faktensammlung, zwischendurch immer wieder garniert mit Thesen, Appellen und Zitaten, was geschehen muss, damit die Abwärtsentwicklungen aufgehalten werden können.

Inhaltlich ist das Buch in folgende fünf große Kapitel mit weiteren Unterabschnitten gegliedert:
Auf den ersten Blick: Gesellschaft-liche Schlüsselprobleme (1), Von Geburt an: Unterschiedliche
Gesundheitsförderung (2), Zuneh-mende Benachteiligung: Von der Krippe bis zur Ausbildung (3), Mehr Gerechtigkeit für ALLE Kinder (4) und Was ALLE Kinder brauchen (5), bevor ein kurzes Fazit das Werk abrundet.

Wer gezielt nach Material bzw. Wissensbeständen aus dem Sport sucht, wird z.B. gleich am Anfang fündig, wo Schmidt die Chancen des Kindersports resümiert: Seit der Jahrtausendwende entfallen zwei Drittel aller wahrgenommenen Termine auf den Sport, sogar 80% dieser Termine werden von den befragten Kindern als ihre Lieblingstermine bezeichnet, während es im hinteren Teil z.B. noch um die hohe Bedeutung der Freizeit-, Betreuungs- und Bildungsaktivitäten geht, wo einmal mehr der Sportverein als die Nummer eins der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit präsentiert wird.

Die Rekrutierungsquote, was die Mitgliedschaft von Kindern in Sportvereinen angeht, beläuft sich mittlerweile auf 87,5 Prozent. Das schafft keine Organisation oder Trägerschaft der Kinder- und Jugendarbeit auch nur annähernd. Sein Fazit hinsichtlich der nachweisbaren Effekte des Sportengagements lautet dabei, dass das positiv wahrgenommene Klima und die soziale Anerkennung, das individuelle Befinden und die Körperzufriedenheit als wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Identitätskonstruktion für junge Menschen angesehen werden können.

Das Buch ist erschienen als Band 6 der von Werner Schmidt selbst herausgegebenen Reihe „Kinder – Jugend – Sport – Sozialforschung“, in der theoretische und empirische Analysen zur sozialen Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport bei Kindern und Jugendlichen vorgelegt werden, um daraus wichtige Hinweise zur weiteren Entwicklung des Kinder- und Jugendsports abzuleiten.

Prof. Detlef Kuhlmann in der DOSB Presse

Werner Schmidt: Die deutsche Gesundheits- und Bildungskatastrophe. Mehr Gerechtigkeit und Bewegung für Alle Kinder. Hamburg 2013. 190 Seiten; 20,00 Euro