Fit zum Herzinfarkt - Zu den Besonderheiten von Herz-Kreislauferkrankungen bei Sportlerinnen und Sportlern - Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT ©privat
Fit zum Herzinfarkt – Zu den Besonderheiten von Herz-Kreislauferkrankungen bei Sportlerinnen und Sportlern – Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT
Das nachstehende Beispiel von Marathonläufer Andreas Böhm steht für einige andere und hat die Redaktion veranlasst, das Thema Herzinfarkt mit Blick auf aktive Läuferinnen und Läufer aufzugreifen. Der Anteil von Herzinfarkten als direkte Ursache in der Sterbestatistik liegt in Deutschland zwischen sechs und sieben Prozent. Nur etwa jeder vierte bis fünfte Herzinfarkt endet tödlich.
Dank des medizinischen Fortschritts können Herzinfarkte bei rechtzeitiger Erkennung meist gut behandelt werden und die Betroffenen weitestgehend gesunden. Doch ein Herzinfarkt kommt nicht immer mit den allgemein bekannten Symptomen daher.
Ja, mehr noch, manche Betroffene merken nichts davon oder ignorieren Körpersignale, die den Infarkt begleiten. Besonders bei Sportlerinnen und Sportlern kann das aufgrund ihres guten physischen Allgemeinzustandes der Fall sein. Somit gibt es Gründe zur besonderen Wachsamkeit und Vernunft. Lesen Sie mehr dazu dazu auf den nachfolgenden Seiten.
Unter Sportlern und besonders Läuferinnen und Läufern existiert nicht selten eine ziemlich arrogante Einstellung. Ich treibe Sport, ich rauche nicht, ich esse Müsli, ich habe kein Übergewicht – also habe ich das Recht, bis zu meinem Ende gesund zu sein.
Dieses dokumentieren circa 40 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Berlin-Marathon. Sie waren noch nie bei
einem Arzt. Vergleichbar wäre ein Autofahrer, der nie den Ölstand und den Reifendruck kontrollieren würde. Die sich damit
anbahnende Katastrophe verhindern sie jedoch durch eine Pflege ihres Lieblings.
Gilt nicht das Gleiche für den eigenen Lebenslauf? Die Natur hat uns konzipiert für ein störfeldarmes Dasein von circa 40 Jahren. Vor etwa 200 Jahren war das auch die Lebenserwartung. Heute leben wir dank des medizinischen Fortschritts mit der berechtigten Hoffnung, dass viele von uns durchaus den 100. Geburtstag feiern können. Allerdings fordert dieses auch neue Denkansätze in unserer eigenen Verhaltensstruktur.
Eine kanadische Metaanalyse über alle bekannten Studien zu Risikofaktoren dokumentiert, neun von zehn Herzinfarkten
und Schlaganfällen ließen sich allein durch eine Risikominimierung und eine Lebensumstellung verhindern.
Was ist mit den restlichen zehn Prozent?
Die Analyse von Zwischenfällen bei allen großen Läufen weist auf dieses Kollektiv. Beinahe alle dieser Komplikationen wären
durch eine sinnvolle Vorsorge erkennbar und damit auch zu verhindern gewesen.
Besonderheiten bei Sportlern
Die Arteriosklerose ist ein äußerst komplexer Prozess und bis in die Gegenwart noch nicht in allen Details erforscht. Absolute
Voraussetzung für eine Schädigung unseres Arteriensystems ist eine Entzündung der Innenhaut (Endothel) unserer Arterien.
Diese Schädigung findet ohne Wahrnehmung und häufig ohne Vorzeichen einerseits durch eine genetische Disposition – wie zum Beispiel eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis – oder auch durch eine erworbene beliebige Infektion statt.
Nicht immer wird dies durch auftretene Symptome vom Betroffenen realisiert.
Klassische vermeidbare Ursachen für Schädigungen sind das Tabakrauchen (Platz 1), der psychosoziale Stress, der Bewegungsmangel, das Ubergewicht und eine eklatante Fehlernährung. Nie ist ein Risikofaktor allein zu sehen.
Die Verquickung der Einzelnen führt zum Ergebnis.
Der Prozess läuft in etwa so ab: Das Endothel wird verletzt. Über diese Verletzungen können Cholesterinkristalle, Mineralsalze
und kleinste Fetttröpfchen in die Blutgefäßwand einwandern und damit den Grundstein der Arteriosklerose legen.
Einen neue Innenhaut wächst darüber. Damit wird dieser Prozess unumkehrbar. Dem Cholesterin kommt damit eine ganz besondere Bedeutung zu.
Einerseits ein notwendiges Stoffwechselmolekül, andererseits, wenn zu viel davon im Blut vorhanden ist, fällt es kristallin aus und ist damit ein zentraler Motor der Arterienverkalkung. Aber noch einmal – ohne Entzündung im Endothel kann nichts in die Gefäßwand einwandern, auch nicht ein Zuviel an Cholesterin.
Ist der Grundstein erst einmal gelegt und das risikoreiche Leben wird fortgesetzt, beschleunigt sich dieser Prozess von selbst.
Damit wird verständlich, dass regelmäßiger Sport und das damit verbundene Verbrennen der wichtigsten Nahrungsbestandteile
die Grundlage sauberer Arterien bleibt und ist.
Dennoch ist kein Sportler gegen schicksalhafte Veränderungen der Blutgefäße gefeit. Nur sorgfältige ärztliche Kontrollen nach Infekten oder auch in einer Routinekontrolle können hier schützen oder verhindern.
Ignorierter Bluhochdruck
Zu erwähnen an dieser Stelle ist eine, insbesondere von Sportlerinnen und Sportlern immer wieder ignorierte Erkrankung, die letztlich jeden vierten Deutschen trifft – Bluthochdruck. Dieser Krankheit kommt eine ganz besondere Bedeutung im Prozess
der Arteriosklerose zu. Sie wirkt über eine Verhärtung der Arterien mit eine Druckschädigung des Endothel und zusätzlich mit einer gefährlichen Veränderung (Verhärtung und Verdickung) der Herzmuskulatur.
Das weitere Verhängnis ist die späte Wahrnehmung der Ver änderungen unserer Blutgefäße. Die zum Herzen führenden Arterien müssen 60 Prozent ihres Querschnittes einbüßen eher wir Signale wahrnehmen. Die zum Kopf führenden Gefäße müssen 90 Prozent des Querschnittes einbüßen eher wir Defizite wahrnehmen. Die klassischen Symptome der Angina Pectoris sind Ausstrahlungen der Beschwerden in den Hals, in den linken Arm, hinter das Brustbein und selten sogar in den Unterbauch. Sie kommen anschwellend, mit Angst einhergehend und klingen nach wenigen Minuten wieder ab.
Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit Sportlerinnein und Sportlern stellt sich die Symptomatik bei Trainierten ganz anders ein. Sie klagen über einen Leistungsabfall, Schwächezustände, frühere Einmündungen und nicht selten auch Unlust zum Training. Diese anderen, aber überaus wichtigen Körpersignale haben ihre Ursachen in der trainingsbedingten guten Kapillarisierung des Herzmuskels.
Sie sind nicht selten gepaart mit der katastrophalen Einstellung des Sportlers – frei nach dem Motto: „ich kann doch nicht krank sein".
Die Kehrseite: Viele Ärzte kennen die Besonderheiten des Sportlerkreislaufs nicht und schon gar nicht das meistens völlig atypische Krankheitsbild in der Entwicklung. Auch die besondere Leistungsbreite Trainierter ist in der Diagnostik vielen Ärzten nicht bekannt.
Der dringende Appell an jeden Sportler, jede Sportlerin lautet: Schau dir deine Familie an.
Achte auf die Besonderheiten z.B. darauf ob es Angehörige mit frühem Infarkt oder Schlaganfall gibt. Reflektiere dein Leben! Ein ganz wichtiger Aspekt: Sportlerinnen und Sportler versuchen häufig ihrem psychosozialen Dauerstress davonzulaufen und zu ignorieren.
Doch genau dieser Stress ist einer der schlimmsten Endothelschädlinge und damit ein Grundstein für eine leise Entwicklung
zum Herzinfarkt. Also zuerst den Stress richtig verarbeiten und dann locker laufen.
Ganz wichtig für Läuferinnen und Läufer: Suche einen Arzt, eine Ärztin, der/die Verständnis für dein Sportleben und auch Erfahrung mit Sportlern hat. Vereinbare regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Beinahe alle Komplikationen und Todesfälle bei Laufveranstaltungen wären durch konsequente Vorsorge und Eigenverantwortung zu verhindern gewesen.
Dr. Willi Heepe in LAUFZEIT 3/2014
LAUFZEIT
Hinweis der Redaktion:
Alle in dem Titelthema gegeben Hinweise ersetzten nicht die Diagnose beim Arzt Eine regelmäßige Grunduntersuchung gehört zur Körperpflege für jede Sportlerin und für jeden Sportler. Erst recht bei Verdachtsmomenten oder auftretenden Symptomen
sollte umgehend der Arzt aufgesucht werden.
Ein Herzinfarkt ist immer ein Notfall und eine unmittelbare Gefahrfür Leib und Leben. Hier zählt jede Minute bis zur Notbehandlung. Inmitten einer großen Sportveranstaltung ist ein Notarzt meist nicht weit – allein beim Training in Wald und
Flur sieht das schon anders aus. Wer ein Handy dabei hat kann unter Umständen das eigene oder das Leben anderer retten.
Praxis Dr. Willi Heepe – Berlin
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Dr. Willi Heepe ist praktischer Arzt und Sportmediziner.
Seit über zwanzig Jahren liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in der medizinischen Betreuung von Menschen, denen ein Leben in Bewegung Herzensangelegenheit ist. Hierzu gehören professionelle Ausdauersportler, aber auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Dr. Heepe ist Fachbuchautor; seine Artikel zum Ausdauersport erscheinen regelmäßig in aktuellen Zeitschriften (beispielsweise Runners World und Lauf Zeit). Er ist außerdem ein geschätzter Dozent zu den Themen Sportmedizin, Ausdauertraining und Kardiologie.
Willi Heepe war viele Jahre lang Medizinischer Direktor des Berlin-Marathons. Er ist fünfzigmaliger Marathonfinisher und auch im Alter von 70 Jahren ein aktiver Repräsentant jener »Laufkultur«, für deren Entwicklung er sich in Deutschland schon so lange engagiert.
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