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Bewegung und Sport bei Vorhofflimmern – Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth in HERZ HEUTE
Der Beitrag über Vorhofflimmern von Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth in HERZ HEUTE scheint aktueller denn je: In Berlin leiden mehrere langjährig und hochtrainierte Marathonläufer an Vorhofflimmern, was man angesichts der sportlichen Vergangenheit der Läufer nicht für möglich hielt. Insofern kommt dieser Beitrag gerade zur rechten Zeit, um auf dieses gesundheitliche Problem aufmerksam zu machen. Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth war im übrigen aktiver und erfolgreicher Leichtathlet in Berlin, allerdings nicht Langstreckler, sondern Sprinter.
Horst Milde
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung, die zwar im jüngeren Alter eher selten ist, jedoch insbesondere jenseits des 40.-45. Lebensjahres bis auf 8-15 % bei den 80-Jährigen an Häufigkeit zunimmt. Entsprechend der demographischen Entwicklung mit immer mehr älteren Menschen nimmt deshalb auch die absolute Häufigkeit in der Bevölkerung zu, wobei Männer stärker als Frauen betroffen sind.
Vorhofflimmern ist eine chaotische und unregelmäßige Tätigkeit der Vorhöfe und an sich nicht lebensbedrohend. Vorhofflimmern kann vorübergehend (intermittierend) oder dauernd (permanent) auftreten. Viele Patienten bemerken das Auftreten von Vorhofflimmern selbst nicht, allerdings häufig die Symptome wie Leistungsknick, Müdigkeit oder Missempfindungen in der Herzgegend. Auch Herzrasen oder ein sehr niedriger Puls kann auftreten.
Bei einem Drittel der Patienten kann man keine Ursache bzw. Erkrankung finden, die erkennbar mit dem Auftreten von Vorhofflimmern zu tun hat.
Etwa zwei Drittel der Patienten mit Vorhofflimmern zeigen jedoch Symptome einer Grunderkrankung: am häufigsten hohen Blutdruck, aber auch koronare Herzkrankheit, Herzklappenfehler oder auch Herzmuskelerkrankungen. Neu aufgetretenes Vorhofflimmern muss deshalb immer abgeklärt werden. Liegt zusätzlich eine Herzerkrankung vor, werden die körperliche Belastbarkeit und Prognose meist von dieser Grunderkrankung bestimmt. Seltenere Ursachen von Vorhofflimmern sind eine Schilddrüsenüberfunktion oder erheblicher Alkoholgenuss, eventuell auch in Zusammenhang mit körperlicher Belastung.
Gefährlich ist bei Vorhofflimmern, dass sich Blutgerinnsel im Vorhof bzw. Herzohr bilden können, vor allem bei Risikopatienten (z. B. bei Herzschwäche, Bluthochdruck, Alter über 75 Jahre, Diabetes, Schlaganfall in der Vorgeschichte, Arteriosklerose). Die Blutgerinnsel können vom Blutstrom mitgerissen zu Gefäßverschlüssen führen. Gefürchtet ist vor allem der Verschluss eines Hirngefäßes: Schlaganfall. Deswegen müssen diese Patienten Gerinnungshemmer einnehmen: Marcumar oder einen der neuen Gerinnungshemmer Pradaxa (Wirkstoff: Dabigatran), Xarelto (Wirkstoff: Rivaroxaban), Eliquis (Wirkstoff: Apixaban).
Unterschiedliche Formen körperlicher Aktivität
Die Zahl älterer Menschen, die mehr oder weniger häufig und intensiv körperlich aktiv sind bzw. regelmäßig Sport betreiben, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Dies ist eine sehr wünschenswerte Entwicklung.
Bezogen auf das Herz-Kreislauf-System sollte man allerdings zwei Grundformen der Belastung unterscheiden:
Ausdauersport, wie z. B. Laufen, Radfahren, Skilanglauf, führt zu einer Belastung des Herz-Kreislauf-Systems durch eine höhere Pulsfrequenz und größere Pumpleistung des Herzens. Der Blutdruck steigt nur wenig an. Bei Auftreten von Vorhofflimmern sinkt die maximale Leistungsfähigkeit meist fühlbar um 5-15 % ab. Das gilt insbesondere, wenn das Herz vorgeschädigt ist und eine verminderte Pumpleistung aufweist.
Kraftorientierter Sport oder körperliche Belastungen mit hohem Krafteinsatz wie Training mit Gewichten (Hanteln), aber auch schwere Gartenarbeit führen zu einer deutlichen Herzfrequenzsteigerung, gleichzeitig aber auch zu hohen Blutdruckspitzen bei eher geringer Pumpleistung des Herzens. Das Auftreten von Vorhofflimmern schränkt die Leistungsfähigkeit der meist kurzfristigen Anstrengungen kaum ein.
Viele sportliche Belastungen oder auch körperliche Aktivitäten sind jedoch Mischformen (z. B. alpines Skifahren, Rudern, Spielsportarten); bei letzteren kommt oft noch eine abrupte Schnelligkeitsentwicklung hinzu (z. B. Tennis, Fußball, Volleyball). Auch hier führt das Auftreten von Vorhofflimmern mehr oder weniger zu einer Leistungseinschränkung.
Eine Besonderheit stellt das beliebte Schwimmen dar. Obwohl ruhiges und längeres Schwimmen eher als Dauerbelastung einzuordnen ist, steigt durch die horizontale Lage und den hydrostatischen Druck des Wassers der Blutdruck stärker als beim Laufen oder Radfahren an und stellt deshalb eine größere Belastung für das Herz dar.
Kann körperliche Aktivität Vorhofflimmern auslösen?
Bei hochintensiven Ausdauerbelastungen, wie sie z. B. beim Marathonlauf oder Rennradfahren vorkommen, spricht vieles für ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern auch bei jüngeren, sonst gesunden Personen. Wahrscheinlich gilt dies auch für alle anderen extremen Belastungen, wie z. B. extreme Bergtouren (mit Sauerstoffmangel!) oder erst recht beim Triathlon.
Die Ursache ist nicht ganz klar. Eine niedrige Ruheherzfrequenz (deutlich unter 55 Schläge/min), eine Vergrößerung der Herzvorhöfe durch lang währendes Training, aber auch Flüssigkeitsverluste mit Elektrolytverschiebungen könnten eine Rolle spielen.
Für Belastungen mit niedriger oder mittlerer Intensität, wie sie im Freizeitsport durchgeführt werden, gibt es hingegen keinerlei Hinweise von Auftreten eines vermehrten Vorhofflimmerns.
Für Spielsportarten oder reine Kraftbelastungen liegen zwar keine gesicherten Erkenntnisse vor, man kann aber nicht ausschließen, dass abrupte Schnelligkeitsbelastungen oder Kraftbelastungen mit starken Blutdruckanstiegen das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern erhöhen.
Sehr viel schwieriger ist die Konstellation zu beurteilen, wenn zusätzlich eine Grunderkrankung vorliegt. Welche Form und welche Intensität der Belastung dann möglich und sinnvoll sind, kann nur unter Abwägung aller Faktoren einschließlich der therapeutischen Maßnahmen beurteilt werden (siehe unten).
Welche körperliche Aktivität, welchen Sport kann man bei Vorhofflimmern durchführen?
Zunächst ist bei neu aufgetretenem anfallsweisem oder anhaltendem Vorhofflimmern zu klären, ob zusätzlich eine Grunderkrankung vorliegt, die behandelt werden kann oder muss. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um sogenanntes idiopathisches Vorhofflimmern. Sodann ist die Behandlungsstrategie festzulegen.
Wünschenswert ist die Wiederherstellung bzw. die Erhaltung des normalen Herzrhythmus, z. B. durch eine elektrische Behandlung (Kardioversion) und/oder eine Therapie mit Medikamenten. Allerdings: Unter einer Therapie mit Herzrhythmusmedikamenten (Antiarrhythmika) ist Leistungssport oder intensiv betriebener Freizeitsport (z. B. Marathon, Triathlon) nicht erlaubt.
Eine andere Behandlungsmöglichkeit ist die Ablation, die Verödung von Herzmuskelzellen, die das Vorhofflimmern verursachen, durch eine Katheterbehandlung. Gelingt dies, kann der Patient bzw. Sportler nach wenigen Wochen wieder jede körperliche Belastung durchführen. Zu beachten ist, dass bestimmte Medikamente wie Betablocker die Ausdauerleistung herabsetzen können.
Gelingt dies nicht und bleibt die Rhythmusstörung bestehen, wird der Arzt versuchen, mit Medikamenten eine optimale Herzfrequenz einzustellen. In der Regel wird in diesem Fall die körperliche Leistungsfähigkeit im Ausdauerbereich vermindert bleiben. Gerinnungshemmer müssen eingenommen werden wie wenn Vorhofflimmern anfallsweise auftritt.
Vorsichtsmaßnahmen
Patienten, die unter Schwindelattacken leiden oder nicht gut einstellbare Herzfrequenzveränderungen aufweisen, sollten keine Risikosportarten wie Klettern, exponiertes Bergsteigen, Tauchen, unbegleitetes Schwimmen (zum Beispiel im offenen Meer), Windsurfen durchführen. Aber auch bei optimaler Einstellung sind Belastungen im Grenzbereich nicht zu empfehlen.
Alle Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, sollten Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko vermeiden, denn im Verletzungsfall besteht ein erhöhtes Risiko für Blutungen besonders in der Muskulatur, in den Gelenken und den inneren Organen. Deswegen wird z. B. abgeraten vom Alpin-Ski, Snowboarden, Mountainbiking, Reiten, Klettern, Fußball, Handball, Kampfsportarten etc.
Belastungsformen mit rein statischen Belastungsanteilen sind ebenfalls wegen der z. T. erheblichen Blutdruckanstiege und Pressatmung ungünstig, insbesondere wenn größere Muskelgruppen gleichzeitig eingesetzt werden. Hierzu gehören Training an Kraftmaschinen, insbesondere Bankdrücken, Beinpressen, Gewichtheben, aber auch Rudern, Geräteturnen, Jollensegeln, Wasserski und Klettern.
Geeignet sind hingegen bei geringer Belastungsintensität Walking, Joggen, Radfahren, Ergometertraining, Skilanglauf, Gymnastik (immer mit kleinen Muskelgruppen), Golf und auch Sportspiele wie Tischtennis, Volleyball, Prellball.
Herzerkrankung und Vorhofflimmern
Die schwierigste Konstellation ergibt sich, wenn Vorhofflimmern vorliegt und gleichzeitig eine oder mehrere Herzerkrankungen bestehen, z. B. Herzschwäche, koronare Herzkrankheit oder Herzklappenfehler. Hier ist eine genaue Abklärung notwendig.
Am besten kann dies durch einen sportmedizinisch erfahrenen Kardiologen erfolgen, der sowohl die sportlichen Belastungsformen kennt wie auch die kardiologische Diagnostik beherrscht. Mit Hilfe von Ergometrie und Spiroergometrie wird erfasst, wie hoch die aktuelle körperliche Leistungsfähigkeit ist. Dadurch kann der Kardiologe vorgeben, wie intensiv trainiert werden kann und welche Sportarten betrieben werden können.
Fast alle Patienten können in solchen Fällen eine angepasste körperliche regelmäßige Aktivität durchführen. Grundsätzlich sind mäßige Ausdauerformen oder Kraft-Ausdauerformen mit kleinen Muskelgruppen, z. B. mit Thera-Band, zu bevorzugen, da sie im Vergleich zu abrupten Schnelligkeitsbelastungen oder reinen Kraftbelastungen das Herz weniger beanspruchen und ein geringeres Risiko für Komplikationen bedeuten.
Gerade bei Patienten mit Herzerkrankungen wie koronare Herzkrankheit oder Herzschwäche ist regelmäßige Ausdauerbewegung (3- bis 5-mal die Woche 30 Minuten, z. B. flottes Gehen, Radfahren, Heimtrainer, Nordic Walking) ein wichtiger Teil der Therapie. In vielen wissenschaftlichen Studien ist nachgewiesen, dass sich dadurch Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Prognose verbessern.
Prof. Dr. med. Hans-Hermann Dickhuth, Freiburg – in HERZ HEUTE – 2/2014
Deutsche Herzstiftung e.V.
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