MU Dr. Jiří Bizoň - Kardiologe und Marathonläufer - Er schätzt die Einsamkeit des Geländeläufers ©privat
Er schätzt die Einsamkeit des Geländeläufers – MU Dr. Jiří Bizoň – Kardiologe und Marathonläufer
Der Kardiologe MU Dr. Jiří Bizoň arbeitet in Hultschin als Ambulantspezialist. Er widmet sich dem Langlauf als seinem Lebenshobby. Auf seinem Konto hat er 163 absolvierter Marathonläufe. Durch das Gespräch mit ihm beginnen wir die Serie, in der wir die Leser der Zeitschrift Tempus Medicorum mit den Kollegen bekannt machen, die auch anders interesssant sind, als nur durch die Arztpraxis. „Ich entschuldige mich für die manchmal hochtrabenden Formulierungen,“ hat zum Schluß des Gesprächs MU Dr. Jiří Bizoň angeführt.
Beurteilen Sie selbst, ob sie wirklich hochtrabend sind.
Wenn man Kardiologe und Marathonläufer sagt, fällt einem ein, dass Sie deswegen laufen, um ein gesundes Herz zu haben, kurz gesagt, damit Sie fit bleiben. Stimmt das?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich laufe seit frühen Jugendjahren, und dass ich in Ruhestellung Pulsfrekvention zwischen 33 und 35 pro Minute habe, bringe ich als Beispiel meinen Patienten.
Wurden Sie erst Arzt oder Sportler?
Aus meiner Antwort ist klar, dass ich erst Sportler war.
Wie ist Ihre Sportkarriere verlaufen?
Ich bin imWald aufgewachsen, bin viel gelaufen und habe auch Fußball gespielt. An der medizinischen Fakultät lief ich 800-Meter-Strecken, aber nicht lange, weil ich nicht genug Zeit hatte. Nach Abschluß der Fußballkarriere widmete ich mich dem Radsport. Beim Laufen begegnete ich im Winter meinem Freund, einem Marathonläufer. Der überzeugte mich mit den Worten: „Beim Marathonlauf stellst du dich an den Straßenrand und läufst und läufst.“ Dieser Freund, obwohl er ein bisschen dick war, schaffte den Marathonlauf unter 2 Stunden 25 Minuten.
Seit wann sind Sie Marathon zuerst gelaufen?
Fast nach einem Jahr, mit 33 Jahren. Die Strecke war hügelig und am 37. Kilometer blockierte ich mich und 10 Minutem blieb am Straßenrand sitzen. Bin danach wieder aufgestanden und nach 3 Stunden 25 Minuten im Ziel angekommen.
Glauben Sie, dass Ihr Alter optimal für den Anfang war?
Für das Erreichen von besserer Zeiten war es zu spät. Was man bis dreißig mit Dauerntraining nicht schafft, das schafft man nicht mehr, man kann besere Zeiten nicht mehr erreichen. Als ich mit dem Laufen anfing, gab es in Ostrava nur 8 Läufer, die den Marathonlauf um 2 St. 25 Minuten schafften. Alle sind Langstrecken seit Jugendjahren gelaufen.
Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit dem Marathon?
Nach dem ersten Marathonlauf habe ich zwei Wochen darüger nachgedacht, ob ich laufen soll. Bis heute laufe ich immer sofort nach der Arbeit 5 Tage in der Woche, einmal mache ich Sauna. Massagen benutze ich keine, es reicht nur Stretching. Nach 5 Jahren, schaffte ich es unter 3 Stunden, meine beste Zeit war 2 Stunden 48 Minuten. Diejenigen, die diese Erfahrungen nicht geachtet haben, sind viele Kilometer gelaufen, das heißt über tausend Kilometer im Monat, die laufen heutzutage nicht mehr.
Haben Sie einen Trainer gehabt?
Einen Trainer habe ich nie gehabt, ich lief nach Gefühl, in den letzten 15 Jahren nach Sporttester. Ich beachte nur die Zeit und Kalorien und berechne nur die Aerobkapazität. Alles, was ich brauche, erfahre ich bei großen Marathonläufen, bei Messen für Läufer, aus ärztlichen Empfehlungen. Viel Theorie habe ich bei meinem Hauptmarathon in Berlin geschöpft, an dem ich mich ca fünfundzwanzigmal beteiligte.
Hatten Sie ein sportliches Vorbild?
Ein tschechischer Marathonläfer zu sein und als Vorbild nicht Emil Zátopek zu haben, wäre eine Sünde.
Wie viele Marathonläufe liefen Sie und wie lange möchten Sie noch laufen?
Ich absolvierte schon 163 Marathonläufe und ich werde so lange laufen, so lang es geht.
Welche bestandene Marathonläufe halten Sie für die wichtigsten?
Wie schon gesagt, mein wichtigster Marathonlauf ist Berlin, drei mal lief ich in New York. Im Jahre 1996 – zum hundertsten Jahrestag – lief ich den Marathon in Boston. Ich lief auch die Weltmeisterschaft der Oldtimer in Durban in Südafrika. Ich nahm am Marathonlauf in Los Angeles teil, hier war ich der am weitesten angereiste Teilnehmer. Ich lief auch in Saigon. Oft fahre ich nach Paris, Barcelona, Frankfurt, Helsinki, Stockholm usw. In den letzten Jahren fahre ich nur ins Ausland. Wer einmal die Atmosphäre dieser Läufe erlebt hat, an den mindestens 20 bis 30 Tausend Läufer teilnehmen und an der Strecke eine Million Zuschauer stehen, genießt dies als Satisfaktion für alle Trainingskilometer.
Wollten Sie manchmal den Marathon aufgeben?
Nicht einen einzigen Marathonlauf gab ich auf. Ich wäre vielleicht den nächsten nicht gelaufen.
Ist es finanziell ein anspruchsvolles Hobby?
Aus dem Geschilderten ist es klar, dass es ein sehr anspruchsvolles Hobby ist. Anderseits trinke ich keinen Alkohol (außer Bier nach den Lauf), rauche nicht, fotografiere nicht, sammle keine Waffen …
Wie viele Stunden pro Woche trainieren Sie?
Es hängt von der Jahreszeit ab. Im Winter, wenn es keine Wettkämpfe gibt, laufe ich drei mal wöchentlich 10 Kilometer, einmal 15 und einmal 30 Kilometer. Den 30 Kilometer-Lauf mag ich sehr. Ich erreiche ein ganz klares Denken. Der Winterwald ist ganz ruhig, die Vögel singen nicht, wie im Sommer. Während der Saison absolviere ich fünf Wettkämpfe. Drei im Frühling – z. B. im Februar in Sevilla, im März in Barcelona, Ende April in Hannover. Im Herbst den letzten Septembersonntag in Berlin, dann in einem Monat Frankfurt. Nach dem Marathonläufen laufe ich eine Woche überhaupt nicht, um mich vom Mikrotrauma, das bei den Wettkämpfen entstanden ist, zu erholen.
Sind Sie eher Einzelgänger oder laufen Sie lieber mit jemandem in der Gruppe?
Ich schätze die Einsamkeit des Geländeläufers. Wenn ich mit jemandem gelaufen bin, stören mich die Reden. Ich musste beschleunigen um den Mitläufer in einen anaeroben Stand zu setzen, damit ich meine Ruhe habe.
Verfolgen Sie den Marathon als Zuschauer?
Alle angeführten Marathonläufe verfolge ich als Läufer und Zuschauer gleichzeitig. Die absolute Mehrheit der Marathonrekorde kommt in Berlin zur Welt. Dann habe ich das Gefühl, dass ich die Kenianer so vor mir getrieben hatte, dass sie den Weltrekord gemacht haben.
Sagt Ihnen etwas der Name Abebe Bikila?
Das, was in den fünfziger Jahren Emil Zátopek bedeutet hat, war Abebe Bikila für den Marathonlauf in den sechziger Jahren. Wesentlich hat er zu der Popularität des Fernlaufes beigetragen. Nächste Asse der siebziger Jahren waren Ron Hill, Grete Waitz, bei uns (in Tschechien) Kantůrek, Chudomel, später Karel David.
Wie helfen Ihnen in der Medizin die Kenntnisse der Problematik des Laufens und seine Folgen auf den menschlichen Organismus?
In meinem Sprechzimmer habe ich an einer Wand meine Fotos von den bekannntesten Marathonläufen. Wenn einer von den „unentbehrlichen“ Patienten, von denen die Kirchhöfe voll sind, reden beginnt, dass er keine Zeit hat, reicht es nur, dass er sich diese Wand anschaut. Ich bin Kardiologe, der mehr Bradykardie mag, und dabei keiner von den Betablokatoren solche Bradykardie zuzieht, wie der Langstreckentraining. Ich habe den Ruf eines Arztes, der die Leute dazu bringt, sich mehr zu bewegen und ihnen weniger Medikamente verschreibt.
Glauben Sie, dass der Leistungssport gesund ist?
Leistungssport sind Gladiatorenspiele. Wenn sich jemand kaputt machen will und dafür Geld und Ruhm erwerben möchte, ist es sein Problem. Was mich am Sport stört, ist seine Ideologisierung.
Warum haben Sie sich für Kardiologie entschieden? War das Ihr Ziel, oder nur Zufall?
Marathonlauf und Kardiologie sind zwei Dinge, in denen ich nie der Beste werde, und das treibt mich.
Haben Sie in Ihrem Beruf auf Schwierigkeiten gestossen?
Weil ich meinen Beruf mehr als 40 Jahre ausübe, habe ich schon Vieles erlebt. Am schlimmsten war es zwischen den Jahren 2006 und 2012, als ich wegen einem Menschen im Ministerium, der gesetzwidrig gehandelt hat, aus der Arbeit entlassen wurde. Nach jeder meiner Berufung – es waren viele – bekam ich in drei Tagen einen Anruf, ob ich meine Praxis nicht verkaufe. Damals hat mir das Laufen und auch die Artikel aus der Zeitschrift Tempus Medicorum sehr geholfen.
Bleibt die tschechische Kardiologie in der Welt zurück?
Obwohl ich Ambulanzspezialist bin, bemühe ich mich, mit der Welt Schritt zu halten, nehme an vielen ausländischen Tagungen teil, bekomme monatlich drei ausländische Zeitschriften. Während der Zeit hat mich niemand überzeugt, dass das Herz eines Patienten aus London oder aus Berlin anders ist, als bei einem Patienten aus Hultschin. Bei der Therapie bemühe ich mich, mich nach diesen Regeln zu richten. Die tschechische Kardiologie hat in der Zeit meiner Praxis einen großen Fortschritt gemacht.
Haben Sie ein Ziel in Ihrem Berufsleben?
Ich hoffe, dass ich sowohl bei der Arbeit, wie auch beim Marathonlauf, nicht am 42. Kilometer bin.
MU Dr. Jiří Bizoň
· Geboren am 11. 7. 1948, verheiratet, zwei Kinder, die nicht im Arztfach arbeiten
· Absolvent der Medizinischen Fakultät in Olomouc – Abschlussjahr 1972, die Atestation I. und II. St. Bei der Innenmedizin, Kardiologe, die Lizenz ČLK, spezielle Tauglichkeit für Kardiologie und innere Medizin
· Nach dem Abschluss der Pflichtpraxis und dem Bestehen der Atestationen Ambulantspezialist, seit dem 1. 7. 1992 in der Privatpraxis (durch Registration Nummer 1 im Kreis Opava), wurde er selbstständig
· Außer Kardiologie sind seine Hobbys das Laufen und das Lesen-
Diesen Beitrag haben wir Heiner und Renate Marin zu verdanken. Beide sind jahrenlange ehrenamtliche Mitarbeiter des BERLIN-MARATHON u.a.m.
Renate Marin kümmerte sich dabei speziell um die Topathleten der großen Laufveranstaltungen wie BERLIN-MARATHON, Berliner Halbmarathon, ISTAF u.a.m.
Sie war auch über Jahre Leiterin der Leichtathleten der SCC-Jugendabteilung – aber wir verdanken dem Ehepaar Marin deswegen diesen Beitrag: Sie haben viele Jahre lang ständig mehrere Marathonläufer bei sich zu Hause aufgenommen und sie betreut.
Danke für diese stille Hilfe im Interesse des Laufsports und der Leichtathletik.
Horst Milde