Ausdauersport benötigt drei Dinge: Geduld, Geduld – und Geduld. ©Datasport Hirslanden
Ausdauersport benötigt drei Dinge: Geduld, Geduld – und Geduld. Stephanos Siaplaouras in Datasport
Was passiert im menschlichen Körper, wenn der Puls in die Höhe rast? Kann man ein gesundes Herz überfordern? Und wie sollen Sporteinsteiger trainieren?
Kardiologe Stephanos Siaplaouras beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen, die es bezüglich Herz-Kreislauf-System zu beachten gilt.
Herr Siaplaouras, wir alle wissen: Wenn wir Sport treiben, steigt der Puls. Was genau passiert dabei im menschlichen Körper?
Unsere Muskulatur benötigt Energie und Sauerstoff, um arbeiten zu können. Beides wird im Blut transportiert. Der Herzschlag sorgt dafür, dass das Blut in Schwung bleibt und sowohl genügend Energie wie Sauerstoff an die verlangten Orte gelangen. Wird die körperliche Anstrengung erhöht, benötigen die Muskeln mehr Energie und Sauerstoff, folglich braucht es mehr zirkulierendes Blutvolumen. Deshalb muss das Herz schneller schlagen, um diese Anforderung erfüllen zu können.
Ist das eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System oder tut man sich dabei etwas Gutes?
Beides. Sport an sich ist kurzfristig zunächst eine erhöhte Belastung für den Körper insgesamt wie auch für das Herz-Kreislauf-System im Speziellen. Aber als Folge davon wird eine Reihe von Anpassungsprozessen in Gang gesetzt, die langfristig die Gesundheit und Leistungsfähigkeit verbessern. Zum Beispiel lernen einzelne Organe, den vorhandenen Sauerstoff besser auszuschöpfen, und gleichzeitig wird auch die Leistungsfähigkeit der Gefässe erhöht, in denen das Blut transportiert wird. Sport hält die Gefässe geschmeidig und sorgt für eine gute „Innenauskleidung“ derselben, wodurch die Gefahr von Arteriosklerose deutlich gesenkt wird. Als Arteriosklerose bezeichnet man eine übermässige Ablagerung von Blutfetten, Blutgerinnseln, Bindegewebe und Kalk in den Gefässwänden. Ein anderes Beispiel ist der Blutdruck. Während des Sports ist der Blutdruck notwendigerweise höher als in Ruhe. Als Adaptation auf das Sporttreiben wird der Blutdruck im Alltag aber insgesamt gesenkt. Regelmässiges gemässigtes Sporttreiben ist definitiv gesundheitsförderlich, das ist mittlerweile unumstritten.
Werden die Gefässe nicht nur geschmeidiger, sondern auch grösser, wenn man Sport treibt?
Gefässe sind dynamisch und können ihren Querschnitt je nach Einsatz verändern, weshalb nicht die Grösse, sondern die Elastizität entscheidend ist. Ein Beispiel: Nach dem Essen erweitern sich die Gefässe des Darms für die Verdauung, und gleichzeitig werden die Gefässe der Muskeln enger, weshalb man ja auch nicht unmittelbar nach dem Essen Sport treiben sollte. Und umgekehrt verengen sich beim Sport die Gefässe des Verdauungstraktes und die Muskelgefässe erweitern sich. So werden Sauerstoff und Energie intelligent an diejenigen Stellen des Körpers geleitet, wo sie gerade benötigt werden.
Das menschliche Herz ist auch ein Muskel. Wird es durch sportliches Training grösser wie alle andere Muskeln auch?
Normalerweise nicht. Eine Herzvergrösserung oder Herzwandverdickung ist in der Regel pathologisch, also krankhaft vorgegeben. Durch Training wird das Herz nicht grösser, sondern es arbeitet effizienter und vor allem werden die dadurch initiierten Stoffwechselvorgänge ökonomisiert. Das kann man sich wie bei einem Automotor vorstellen. Ein drehmomentstarker V8-Zylinder-Motor benötigt weit weniger Drehzahl als ein schwacher 4-Zylinder-Motor, um die gleiche Leistung zu liefern. Auch ein gut trainiertes Herz erreicht mit weniger Aufwand eine grössere Wirkung. Eine Ausnahme ist das sogenannte Sportlerherz. Dies ist eine Sonderform einer Herzvergrösserung, die bei einem Alltagssportler in der Regel aber nicht auftritt. Dies beobachtet man bei Hochleistungssportlern.
Die Wissenschaft ist sich immer noch uneins darüber, ob dies ein physiologischer Anpassungsprozess oder schon pathologisch ist; das heisst, ob es eine gutartige Anpassungsreaktion ist oder doch schon Ausdruck einer Herzschädigung. Generell wird es aber eher als gutartig angesehen. Es kann sich auch zurückbilden. Die Differenzierung von der krankhaften Herzvergrösserung ist manchmal schwierig und nur durch die Verlaufsbeobachtung zu erreichen.
Wie pflegt man sein Herz am besten?
Ein gesundes Herz vermag viel zu leisten, aber bei besonderen Konstellationen kann es durchaus auch überfordert werden, weshalb es vor allem mit zunehmendem Alter ratsam ist, die Ressourcen des Herzens nicht allzu oft auszureizen. Auch hier kann dies mit einem Auto-Vergleich veranschaulicht werden. Selbst ein neues Auto beschleunigt man nicht gleich mit Vollgas ohne adäquate Vorbereitung, sondern man fährt es zuerst ein und hält den Motor regelmässig im gemässigten Drehzahlbereich, damit er eine möglichst lange Lebensdauer hat. Genauso ist das mit dem Herz, dem Motor unseres Körpers. Zu schnell und zu viel ohne adäquate Vorbereitung kann schaden. Übermotiviert und allenfalls durch Konkurrenzdruck oder eine "Midlife Crisis" neigen vor allem Männer mittleren Alters zur plötzlichen Überlastung des Herzens.
Was bedeutet das konkret für das Sportreiben, wenn man nur wenig Sport treibt oder gar als Einsteiger neu mit dem Laufsport beginnen möchte?
Für das einzelne Training gilt: Sinnvoll ist ein langsames Anregen des Kreislaufs und nicht gleich mit Vollgas vom ersten Meter an davonsprinten. Peak-Belastungen mit maximalen Pulswerten sollten nur sparsam eingesetzt werden. Langfristig bedeutet das: Lieber länger und dafür etwas langsamer laufen als kurz und schnell.
Ausdauersport heisst gerade deshalb Ausdauersport, weil er zwar Ausdauerleistungsfähigkeit bringt, diese aber auch nur mit Ausdauer erworben werden kann. Dazu braucht es drei Dinge: Geduld, Geduld und Geduld!
Nicht umsonst benötigen auch Leistungsathleten in Ausdauersportarten zum Teil mehrere Jahre, bis sie ihren Zenit erreichen. Gleiches gilt natürlich auch für Hobbyläufer. Es dauert Zeit, bis sich alle Anpassungen vollzogen haben.
Gerade für Wettkampfsportler gilt aber auch: Nur intensive Einheiten machen einen schneller. Wie gilt es abzuwägen?
Gesundheitssport und Wettkampfsport sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe, und nicht selten wird auch von Breitensportlern die gesundheitliche Benefit-Grenze überschritten, wenn sie immer ans Limit gehen. So hat man nach Marathonläufen und anderen intensiven Belastungen Marker im Blut gefunden, die eine Herzmuskelzellschädigung anzeigen. Nicht ganz klar ist allerdings, ob diese „Verletzungen“ wie bei einem leichten Muskelkater einfach wieder repariert und regeneriert werden, oder ob das langfristig doch zu einer Schädigung des Herzens im Sinne einer Narbenbildung führen kann. Intensive Belastungen dosiert angewendet sind aus Trainingsüberlegungen zwar sicher angezeigt und leistungssteigernd, aus gesundheitlicher Sicht aber muss empfohlen werden, diesbezüglich nicht zu übertreiben. Wie so oft entscheidet das Mass darüber, wann etwas noch gesund ist und wann nicht mehr.
In der Fitnessszene sind aktuell hochintensive Trainingsformen in Mode, da sie mehr Leistungszuwachs in weniger Zeit versprechen. Was sagen Sie dazu?
Die Versprechen sind trügerisch. Natürlich kann die Leistung mit hochintensiven Trainings gesteigert werden, aber langfristig nur unter Berücksichtigung und Einhaltung der nötigen Regenerationszeiten und in Kombination mit anderen, ruhigen Trainings. Wer nur intensiv trainiert, laugt seinen Körper unweigerlich aus.
Welche zusätzlichen Tipps können Sie Hobbysportlern geben?
Sie sollten sich bewusst sein, dass Laufsport oder jeder andere Ausdauersportart keine Eintagsfliege, sondern ein langfristiges Programm mit einem langfristigen Ziel darstellt – und deshalb sollte man ihn auch richtig betreiben. Ausdauersport benötigt Motivation und einen sorgfältigen Aufbau. Das erhöht die Chance wesentlich, dass man mit Spass und Erfolg bei der Sache ist und den Sport langfristig ausüben kann.
Redaktionelle Aufbereitung: FIT for LIFE
Quelle: Datasport News
Stephanos Siaplaouras
Dr. med. Stephanos Siaplaouras ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am Herzzentrum der Hirslanden Klinik in Aarau.