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05
03
2016

2014 European Championships Zurich, Switerland August 12-17, 2014 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

TRAININGSPRAXIS LAUFEN – Zur Bedeutung der Unterdistanzen und der „Langen“ für die Marathonleistung – Von Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Viele Tausend deutsche Langstrecken-Fans verfolgen vor Ort oder im TV die internationalen Marathon-Events. Nicht nur dass die Spitzenfelder echte Taktik- und Leistungsdemonstration abliefern, auch die Endphasen bieten oft außergewöhnliche Lauftechnikvorbilder.

Es ist noch gar nicht so lange her als auf der schnellen Berliner Strecke Wilson Kipsang (KEN) mit 2:03:23 und danach Dennis Kipruto Kimetto mit 2:02:57 Std. bei den Männern Weltrekord und Irina Mikitenko bei den Frauen Masters Weltrekord mit 2:24:54 liefen. Da fragen sich natürlich die Fans und öfter auch die Medien warum die Weltbesten gegenwärtig soviel schneller laufen als unsere deutschen Marathonis.

Arne Gabius – Deutschlands Silberstreif am Horizont

Viele Fans an der Strecke und am TV haben Interesse am Hochleistungssport. Bei den großen Events im Wintersport, Fußball oder der Handball-EM ist die Begeisterung sensationell und sie wollen am liebsten Deutsche siegen sehen. Das gilt natürlich auch für die großen Marathonläufe und die deutschen Ansprüche.

Endlich hat 2015 Arne Gabius mit 2:08:33 Std. den alten Marathon-Rekord aus dem Jahre 1988 von Jörg Peter geknackt und allen Hoffnung gemacht das wir es auch können. Philipp Pflieger folgte 2015 als zweitbester Deutscher, mit 2:12:50 vor Julian Flügel mit 2:13:57 aber noch mit recht großem Abstand.

Auch die ewige deutsche Bestenliste widerspiegelt trotz Gabius – Silberstreif am Horizont die aktuelle Straßenlaufmisere; 9 von 10 Leistungen bis zum 10.Platz wurden vor mehr als 16 Jahren erzielt. Der Weltrekord ist uns um mehr als 5 Minuten „davongelaufen“, sicher auch weil zwischenzeitlich vom DLV für einige Jahre die Arbeit für den Nachwuchs-Straßenlauf im Prinzip eingestellt wurde.

Ewige deutsche Marathonbestenliste Männer

2:08:33 Arne Gabius 1981 LT Haspa Marathon Hamburg 25.10.2015 Frankfurt
2:08:47 Jörg Peter 1955 SC Einheit Dresden 14.2.1988 Tokio
2:09:03 Michael Heilmann 1961 TSC Berlin 14.4.1985 Hiroshima
2:09:23 Christoph Herle 1955 VfL Waldkraiburg 21.4.1985 London
2:09:45 Stephan Freigang 1967 SC Cottbus 30.9.1990 Berlin
2:09:55 Waldemar Cierpinski 1950 SC Chemie Halle 31.7.1976 Montreal
2:10:10 Ralf Salzmann 1955 LG Frankfurt 14.2.1988 Tokio
2:10:22 Carsten Eich 1970 LAC Quelle Fürth/Mün. 25.4.1999 Hamburg
2:10:59 Michael Fietz 1967 LG Ratio Münster 26.10.1997 Frankfurt
2:11:17 Herbert Steffny 1953 Post-Jahn Freiburg 26.10.1986 Chicago

Mit den Unterdistanzen und den MSL hat man d e n Schlüssel

Die Leistungsprofile einiger weniger ausgewählter „Weltbester“ sollen Beteiligten helfen und zugleich die Trainer zum Nachdenken anregen welche Voraussetzungen erforderlich sind wenn deutsche Marathonläufer bei Männern und Frauen eines Tages den Anschluß nach ganz oben anstreben und in einem ersten Schritt den Bereich von 2:06-2:07 Std. und Frauen um 2:22 -2:23 Std. laufen wollen.

Das trotz des Marathon-Booms der vielen Tausend im letzten Jahrzehnt sich keine „Angebote“ für diesen Leistungsbereich ergaben unterstreicht das auch für Marathon ein längerfristiger Aufbau von Langstrecken-Talenten erforderlich ist.

Eine Leistungsanalyse einiger aus dem Bestenbereich verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den Unterdistanzen, der aeroben Schwelle, hier repräsentiert durch die 15 km/ 21,1 km Bestleistungen und den Leistungsverlusten auf der zweiten Streckenhälfte, die wohl am besten die Bedeutung der MSL (Marathonspezifischen Läufe ab der 35 km) unterstreichen.

Was die 15 km / 21,1 km – Unterdistanzen für das Marathon-Ziel bedeuten

Leistungsprofile          15 km        21,1 km    Marathon         Diff.
(Beispiele M / F)                                                                min/km
                                                                                        %
———————————————————————————————————————–
Wilson Kipsang       41:35       58:59       2:03:23        2:46   :   2:55
                           6,02 m/s      6,01 m/s    5,70 m/s       5 %
Dennis Kimetto       42:57       59:14        2:02:57        2:48   :  2:54
                           5,81 m/s       5,93 m/s   5,72 m/s       3,5 %

Florence Kiplagat   46:14        65:09        2:19:44        3:05   :    3:18
                            5,41 m/s    5,41 m/s      5,04 m/s       6,5 %
Paula Radcliffe       47:29        66:47        2:15:25        3:10   :    3:12
                            5,26 m/s      5;26 m/s    5,19 m/s       1,5 %
Irina Mikitenko       49:47        68:51         2:19:19       3:19   :    3:18
                            5,03 m/s       5,10 m/s     5,05 m/s     0 %
                                                                                     

Diese Leistungsanalyse sagt aus das für ein Leistungsziel von beispielsweise 2:06 Std. (5,57 m/s = 3:00 min/km) bei +3-5 % = 5,85 m/s “Geschwindigkeitsreserve“ eine Unterdistanzleistung über 15 km von 42:45 oder über 21,1 km um 60 Minuten erarbeitet werden oder eine Geschwindigkeit von etwa 1:03 Std. (42 x um 3:00 min/km) durch eine außerordentliche Ausdauerleistungsfähigkeit (vL-3 um 5,6 m/s) auf der Grundlage einer hohen marathonspezifischen LF (Qualitäts-MSL) zweimal hintereinander möglich sein müßte.

Für Frauen bedeutet das sie nach dem Vorbild der Besten für 2:23 (4,91 m/s) etwa 48:30 Min. für 15 km bzw. 68:10 Min. über 21,1 km können müssen oder zu 2 x 71:30 Min. (42 x um 3:23 min/km) ohne Geschwindigkeitsverlust auf der zweiten Streckenhälfte fähig sein sollten! Ein solches Training kann natürlich nur unter professionellen Bedingungen realisiert werden.

Logisch ergibt sich dass für zwei in etwa gleichen oder eine nicht so selten praktizierte zweite schnellere Hälfte das anteilige Qualitäts-Training der langen Strecken, der Marathonspezifischen Läufe (MSL) zwischen 35-42 km mit Trainerbegleitung entscheidet. Das beste spezifische Marathonniveau zeigte einmal Irina Mikitenko als sie in ihrem Berlin-Rennen die 4,85 m/s Geschwindigkeit die sie bei 15 km hatte „ohne Tempo-Verluste“ zu 2:24:54 bis ins Ziel lief.

Marathon und Hitze

Marathonläufer müssen aber – bei den in der Regel jährlich nur zwei sinnvollen Versuchen – auch mit den Wirkungen von Hitze auf ihren Organismus (Herzfrequenz, Körperkerntemperatur, Wasserverlust) Erfahrungen sammeln, die individuell und abhängig vom Geschlecht, der Ausdauerleistungsfähigkeit, Hitzeanpassung und den möglichen Maßnahmen zur Kühlung während der Belastung/Rennen sind.

Herzfrequenz   

Körperkerntemperatur

Abb.: Herzfrequenzverhalten und Körperkerntemperatur während 45-minütigen Dauerbelastungen mit 10°, 20° und 30° C Umgebungstemperatur                                      nach F.Hanakam S.101

Fazit für Marathon schneller

Zuerst ist die Grundleistung – die aerobe Schwelle – für eine angestrebte Marathonzielgeschwindigkeit zu erarbeiten. Am besten man kann 21,1 km – also Halbmarathon individuell unterschiedlich zwischen 2 – 4 mmol/l Laktat in dem angestrebten Marathontempo laufen!

In einem Leistungsdiagnostik-„Fachgeschäft“ oder bei einem Fachtrainer bekommt man die notwendigen Informationen und Trainingsempfehlungen für die langen Strecken im Zeitraum einer Marathon-UWV (letzte 10-12 Wochen) und den dafür notwendigen Geschwindig-keitsaufbau.

Für den Marathon braucht man vor allem aerobes Qualitätstraining, starke Beine mit schlanken Muskeln, ein „starkes Zentrum“ und eine hohe Laufökonomie. Auf dieser Grundlage führen ein hohes Fettstoffwechselniveau und immer längere Läufe oberhalb 80 % vom Renntempo – Ziel bis zu 42 km Länge oder auch mehr – zum persönlichen Marathon – Traumziel.

author: GRR

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