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26
07
2016

Geistig verwirrter 57jährige Cornelius Horan hält den führenden Lima (BRA) auf ©Victah Sailer

ATHEN 2004 – Resümee – Olympia historisch und die Favoriten – Horst Milde

By GRR 0

In einer jeweils elf-teiligen Serie haben wir ins im Vorfeld der XXVIII. Olympischen Spiele in Athen mit den Favoriten der Läufe ab 800 m aufwärts bei Männern und Frauen befaßt – sowie auch die vergangenen 104 Jahre seit 1896 in Athen Revue passieren lassen mit der Beteiligung und den Erfolgen der deutschen Teilnehmer.

Wie Favoriten zum Häufchen Elend werden können – zeigte der Marathonlauf der Frauen mit Paula Radcliffe. Olympia ist anders – wieder setzte auch hier der Marathonlauf der Männer in jetzt 108 Jahren seinen vielen Legenden und Histörchen eine weitere Fortsetzung hinzu, allerdings für Vanderlei da Lima aus Brasilien, dem führenden Läufer im Marathon bis Kilometer 37, mit fatalem Ausgang.

Geistig verwirrter 57jährige Cornelius Horan

Der geistig verwirrte 57jährige Cornelius Horan, ehemaliger katholischer Priester aus Irland, ein Wiederholungstäter, drängte den führenden Läufer von der Strecke an den Straßenrand. Horan wurde danach zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 3000 Euro Geldstrafe verurteilt. Nur das bringt dem späteren Bronzemedaillengewinner Lima nicht die Goldmedaille, die er vielleicht hätte gewinnen können, zurück.

Wenn in unserer historischen Olympia-Serie die Erfolge nebst Platzierungen der deutschen Teilnehmer seit 1896 aufgelistet wurden, so kann jetzt in der Fortsetzung und im Resümee von ATHEN nicht allzuviel darüber Positives geschrieben werden, denn das Resultat war mehr als deprimierend für die deutschen Läuferinnen und Läufer, selbst wenn man im Vorfeld schon relativ pessimistisch war.

Hier alle Laufwettbewerbe der deutschen Teilnehmer bei Frauen und Männern ab 800 m aufwärts, entsprechend der Serie:

Frauen:
800 m: Claudia Gesell – 4. im Vorlauf mit 2:03,87 ausgeschieden
1500m: Keine deutsche Teilnehmerin am Start
5000 m: Finale: 7. Irena Mikitenko – 15:03,36
10.000 m: Finale: 15. Sabrina Mockenhaupt – 32:00,85
Marathon: 18. Luminita Zaituc 2:36:45
Ulrike Maisch aufgegeben

Männer:

800 m: René Herms – 8. im Halbfinale 1:47,68
1500 m: Wolfram Müller – im Vorlauf mit 3:46;75 ausgeschieden
5000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start
10.000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start
Marathon: Kein deutscher Teilnehmer am Start
3000 m Hindernis: Kein deutscher Teilnehmer am Start

79 deutsche Leichtathleten wurden nominiert, 71 davon sind gestartet im 452-köpfigen deutschen Olympiaaufgebot. 2 Silbermedaillen gab es im Kugelstoßen durch Nadine Kleinert und im Speerwerfen durch Steffi Nerius – das war’s dann auch schon.

Das schlechteste Ergebnis seit Stockholm 1912 (auch 2 Silbermedaillen durch Hans Liesche im Hochsprung und Hanns Braun über 400 m). Die schwedischen Leichathleten reisten mit 12 Athleten an und gewannen drei Goldmedaillen.
Deutschland liegt zusammen mit Südafrika auf dem 24. Platz der Medaillenränge hinter Rumänien.

Die Gesamtrechnung muß man allerdings auch relativieren, das berühmte Mutterland des Sports Großbritannien holte auch nur 4 Medaillen, davon aber 3 Goldmedaillen, Frankreich ging ganz leer aus.
Aber wenn die deutschen Erbsenzähler tradtionell auch die Plätze bis zehn zuzählen, wird die deutsche Bilanz leider auch nicht viel besser.

Unsägliche Fernsehauftritte
Wenn dann die deutschen Athleten in ihren unsäglichen Fernsehauftritten eine Minute nach dem Zieldurchlauf mit den blödsinnigen Interviewfragen der Reporter sich auch noch verbal zusätzlich mit peinlichen Formulierungen gänzlich blamierten, dann fragt man sich schon, weswegen sie nach ATHEN fahren durften.

Die Läufer und Läuferinnen des DLV „glänzten“ durch den 7. Platz von Irena Mikitenko im 5000 m Lauf.

Wer die Erfolgsgeschichte der deutschen Läufer der letzten 104 Jahre der „Olympia-Erinnerungsserie“ noch im Kopfe hat, dem treibt’s die Tränen in die Augen – oder man sieht ATHEN als eine negative Ausnahme an nach der Devise „andere sollen auch mal gewinnen“.

Aber diese Einstellung kann sich bitter rächen, wenn man an einer Weiterentwicklung des Spitzen- und Leitungssports Leichtathletik in Deutschland interessiert ist.

„Schlimmer geht’s immer“ titelte die Frankfurter Rundschau über das Ergebnis der deutschen Leichtathleten insgesamt. DLV Vizepräsident Rüdiger Nickel hat schon seinen Hut genommen, das ist sicherlich nobel, das macht aber die Athleten nicht besser und schneller und entschuldigt auch nicht das schlechte Abschneiden und die teilweise seltsame Einstellung der Aktiven zum eigentlichen Höhepunkt ihrer sportlichen Laufbahn.

„Dabei sein“ ist nicht mehr alles, das war früher – „vorne dabei“ sein heißt heute die Devise.

Die Amerikaner hatten auch jahrzehntelang seit 1984 in Atlanta (Benoit) keine Medaille mehr im Marathon – obwohl die USA die Hochburg der Jogger und der großen Laufevents sind, jetzt haben die plötzlich 2 Aushängeschilder und läuferische Vorbilder im Marathon.

Deena Kastor holte sich die Bronzemedaille bei den Frauen – und wie es der Zufall will, am Sonnabend vor dem Männermarathon traf ich im Olympiastadion Dave Martin, aus dessen Buch der „Olympischen Marathonläufe“ in der Olympia-Erinnerungsserie viel zitiert wurde. Der sagte mir dann: „Noch ein Kilometer weiter und Kastor hätte gewonnen und morgen wird wieder ein Amerikaner auf dem Podium stehen“. Auf meine ungläubige Frage: „Na, wer denn?“ erklärte er mir dann, wie die US-Marathonläufer auf die Hitze in ATHEN eingestellt wurden und daß man mit ihnen das richtige Trinken regelrecht „eingepaukt“ hatte.

Dr. Dave Martin sollte recht behalten. Bis zum Halbmarathon war auf der großen Anzeigetafel im historischen Olympiastadion kein Amerikaner zu sehen, doch plötzlich schob sich danach einer mit dem unaussprechlichen Namen Mebrahtom Keflezighi nach vorne.

Auch der Weltrekordler vom real,- BERLIN-MARATHON Paul Tergat lag bis km 30 als Vierter in der Spitzengruppe noch gut im Rennen.

Doch von Insidern erfuhr man später über den Favoriten Tergat, daß er bei km 25 sein eigenes Getränk verpaßte, irgendetwas anderes getrunken hatte, danach bekam er Magenkrämpfe und fiel zurück. Die letzten 5 km lief er in 16.02, – von 30 zu 35 km aber die 5 Kilometer in 14.47, die letzten 2,195 km in 8.06 min.

Der einzige Kommentar von Paul Tergat zum Rennen: „Sehr, sehr hart“!

Lima feierte Bronze wie Gold
Von 101 Marathonläufern kamen 81 ins Ziel, viele mit Tränen in den Augen, denn das ehrwürdige Panathinaikon-Stadion von 1896, sowie der Lauf auf der historischen Strecke hat viele der Teilnehmer emotional stark beeindruckt. Die Siegerzeit von Stefano Baldini (ITA) von 2:10:55 auf der schwierigen, hügeligen, schattenlosen und endlos geraden Strecke ist eine Leistung sondergleichen.

Lima feierte dann seine Bronzemedaille wie Gold und auch das Publikum im Stadion applaudierte ihm stärker als den Sieger.

Keine Vorbilder mehr in Deutschland

Lima erhielt zusätzlich die Pierre-de-Coubertin Fair-play Medaille für sein sportliches faires Verhalten überreicht. Der vorausgesagte Podiumsplatz des US Amerikaners Kegflezighi in 2:11:29 bringt die Laufwelt in den Vereinigten Staaten wieder auf einen geraden Kurs der Weiterentwicklung im Langstreckenbereich, was man sich für Deutschland auch gewünscht hätte – aber wenn keiner für Deutschland läuft, kann es in Zukunft auch keine Vorbilder gegen!

Hoher Stellenwert des Marathon
Die Siegerehrung der Marathonläufer bei der großen Abschlußfeier im Olympiastadion durch den IOC Präsidenten Jacques Rogge und IAAF Präsident Lamine Diack zeigt den hohen und symbolischen Stellenwert des Marathon, den dieser in der Welt des Sports einnimmt.

Allan Steinfeld vom New York Marathon hatte schon das richtige „Händchen“ als er Deena Kastor, die Bronzemedaillengewinnerin im Marathon als das große Laufvorbild für die USA schon vor ihrem Triumph in ATHEN auf die Titelseite seines Laufmagazins setzte. Neben dem New York Marathon, waren auch Chicago, London und Berlin in ATHEN vertreten, um so direkt bei den Enttäuschungen auf der einen Seite, wie auch den begeisternden Leistungen der Läufer und Läuferinnen vor Ort dabei zu sein.

Dankeschön an die Volunteers
„Unvergeßliche, traumhafte Spiele“ waren die Worte des IOC Präsidenten Rogge zum Abschluß. Damit gingen in ATHEN zu Füßen der Akropolis die Spiele zu Ende – da meinte er einerseits die sportlichen Leistungen der Teilnehmer, über deren Wertigkeit „Otto Normalverbraucher“ immer mehr Zweifel anmeldet – aber sicherlich setzte Rogge mit seinen Worten auch den vielen ungenannten Volunteers ein bescheidenes verbales Dankeschön. Die Helfer der Spiele waren das Herz der gigantischen Sportmaschinerie, sie erst brachten mit ihrer Freundlichkeit und Zuvorkommenheit allen internationalen Besuchern und Gästen gegenüber das menschliche Antlitz des Sports an antiker Stätte zum Leuchten.

Peking 2008
Der Blick geht nach Peking 2008 und wie sich schon durch 110 m Hürdensieg von Liu Xiang (CHN) und Xing Huina (CHN) im 10.000 m Lauf der Frauen leise ankündigte, wird es zukünftig nicht nur für die deutschen Leichtathleten immer schwerer überhaupt noch vorne mitzuhalten, sondern die traditionellen Leichathletiknationen werden dort in Peking wohl aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, wie sich nicht nur Afrika, sondern auch Asien die Medaillen zukünftig untereinander teilen werden.

Nur noch Plazierungen in Zukunft

Die deutschen Leichathleten, wie auch insbesondere die Medien und die Sportöffentlichkeit werden sich in der Zukunft wohl daran gewöhnen müssen, mehr sich über Platzierungen zu freuen, als Medaillen zu zählen.

Horst Milde

 

 

Anlage
Haupteingang (Osttor) mit den fünf Olympischen Ringen und Podbielskieiche
Das Stadion
Stafettenläufer (Staffelläufer) von Karl Albiker
Rosseführer von Joseph Wackerle
Karte mit dem Fassungsvermögen der Gebäude und Anlagen, Reichssportfeld 1936
Die Schale für das olympische Feuer im Marathontor des Stadions
Innenraum des Berliner Olympiastadions vor dem letzten Umbau
Feuerhalter in den Umgängen

author: GRR

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