Die Laufstrecke auf dem "schwebenden Radweg" - Foto: Archiv Lake Garda 42 - COMMUNICO ITALIA SSD A RL
Viel zu schön zum Faulenzen: der Gardasee! JoAnna Zybon in „LAUFZEIT“
Anfang April lädt der größte italienische See Marathonis aus aller Welt ein, um seinen nördlichen Teil laufend zu erleben.
Dieses Jahr gönnten sich 1.904 Zieleinläufer die 42,195 km und 2.752 den Halbmarathon – Finisherrekord bei sonnigen 22°C. Beide Langstrecken waren schon zu Jahresanfang ausgebucht.
Stell dir vor, du schwebst über dem Gardasee. Fast wie ein Vogel. Unter dir glitzernde Wellen, neben dir steile Felswände, auf der anderen Seeseite schneebedeckte Gipfel. Alles in flirrendes Sonnenlicht getaucht, obwohl es gerade mal kurz nach neun Uhr ist. Dein Blick kann sich nicht losreißen von dem Panorama. Du hältst den Atem an, du zelebrierst jeden Schritt mit majestätischer Begeisterung, du genießt wie der König der Welt.
Du befindest dich auf der ersten Etappe des Marathonlaufs, auf der Ciclovia del Garda, einem schwebenden Radweg. Er ist wie ein langer Balkon konstruiert, der außen an der felsigen Steilküste hängt. Auch wenn dieser circa zweieinhalb Kilometer lange „Balkon“ in seiner geplanten Länge längst noch nicht fertig ist, so dass die Läuferschlange bald wieder auf die autofreie Hauptstraße einbiegt, bleibt dir der grandiose Blick auf See und Alpen noch lange erhalten. Träum weiter, Marathonläufer! Träum vom Hier und Jetzt, denn so ein atemberaubend schönes Jetzt gibt es selten.
Ein mediterranes Laufmärchen
Die Punkt-zu-Punkt-Strecke des Gardasee-Marathons ist ein landschaftlicher Traum, vom Start in Limone sul Garda am Westufer bis zum Ziel in Malcesine am Ostufer. Dazwischen läufst du durch drei Regionen: Lombardei, Trentino und Venetien. Durch die Orte Riva del Garda, Arco und Torbole. Da diese Romantik-Hochburgen bei deutschen Urlaubern sehr beliebt sind, wünschst du als Leser vielleicht nicht noch weitere zwanzig Seiten literarischer Schwärmerei?
Die „schwebende Laufstrecke“ – Foto: Archiv Lake Garda 42 – COMMUNICO ITALIA SSD A RL
Doch auch wenn der Gardasee die Deutschen immer schon magisch angezogen hat, das Marathonevent „LakeGarda42“ ist in der hiesigen Laufszene noch nicht sooo bekannt. Vielleicht, weil es bislang gerade mal fünf Austragungen gab. Deshalb weiter im Kurs: Der Halbmarathon-Wendepunkt liegt in Arco etwa fünf Kilometer vom See entfernt, so dass eine einzige Etappe des Abenteuers – der Weg vom See hinauf nach Arco – nicht vom Wellenrauschen begleitet wird. Dafür von Schmetterlingen und vom Blütenduft der Obstplantagen.
Schon der Rückweg zum See führt aber wieder an einem Gewässer entlang, am Fluss Sarco. Sein Murmeln und Plätschern trägt dich bis zur Mündung in Torbole. Hier, am nördlichsten Uferstück des Gardasees, empfangen dich so raue Winde und so tosende Wellen, als wäre es ein anderer Tag, als wärest du am Meer. Die Gischt erfrischt dich – und der See deine Füße, denn die Promenade ist überspült.
Einen Moment lang wünscht du, du wärest einer der unzähligen Windsurfer. Auf den letzten Kilometern schwächelt der Wind aber, so wie viele Marathonis … und wenn du am wieder friedlichen Seeufer entlang mit wieder staubtrockenen Schuhen und Füßen Malcesine entgegentrabst, begrüßen dich schon von Weitem die Zinnen des „Castello Scaligero“.
Die Windsurfer (genau: Wingfoilen) auf dem Gardasee – Foto: privat
Mit der Fähre zum Start
Die Startnummernabholung ist normalerweise eine Formalität. Am Gardasee ist es ein phänomenaler Ausflug, denn die Expo befindet sich in Riva del Garda, und wenn du nicht ausgerechnet in Riva wohnst, gönnst du dir am Freitag oder Samstag vor dem Marathon eine der Navigarda-Fähren … und siehst dir schon mal die Laufstrecke vom Wasser her an. Die Expo ist klein, aber fein, und geschmeidig organisiert. Ruckzuck hast du deine Starttüte und freust dich, weil die „Tüte“ ein schicker Rucksack mit Veranstaltungslogo ist, den du auch zu Hause noch oft benutzen wirst. Im Rucksack viele Pröbchen, Tuben, Riegel, ein Stirnband und ein Sportgetränk.
Teilnehmer beim „Morning run“ – ohne Zeitmessung – Foto: Archiv Lake Garda 42 – COMMUNICO ITALIA SSD A RL
Auch der Renn-Sonntag beginnt mit einer Fährüberfahrt – wie angenehm, dass die Schiffchentour zum Start in der Startgebühr enthalten ist und die Läufer gleich bei der Anmeldung ihre Fähre ohne Aufpreis reservieren können (oder ihren Bus, es kommt natürlich darauf an, wo du wohnst).
Die Fähren sind pünktlich auf die Minute, alle haben saubere Toiletten. Und ganz gleich ob am Freitag, Samstag oder Sonntag: auf den Sonnendecks musst du immer erst abwarten, bis jeder, aber auch jeder Passagier sein Selfie mit der Burg oder der Felswand im Hintergrund geknipst hat, bevor du etwas sehen kannst. Aber nach dem Selfie-Ansturm: wow! – Du willst nie wieder hier weg.
Zeitlimits ernst nehmen
Spätestens beim Lauf hast du wieder festen Boden unter den Füßen. Jawohl, du läufst so gut wie immer über feste Untergründe wie Natursteinpflaster, Asphalt, Steinplatten, Tunnelböden, Radwege und Brücken. Am angenehmsten, weil federnd, sind die hölzernen Bretter des „Balkons“. Die steilsten Anstiege erwarten dich gleich zu Beginn in den pittoresken Gassen von Limone, aber da sind die Beine noch frisch und alle Limonesi aus dem Häuschen …
Unterwegs nach Riva del Garda – Foto: Archiv Lake Garda 42 – COMMUNICO ITALIA SSD A RL
Solltest du damit rechnen, das Zeitlimit von 6:15 Stunden (brutto) voll auskosten zu wollen oder zu müssen, präge dir die Cut-Off-Zeiten für unterwegs ein, denn falls du ein Problem hast und zurückfällst, wirst du aus dem Rennen genommen. Ohne Diskussion!
Die Hauptstraße und Lebensader der Anwohner muss pünktlich wieder freigegeben werden. Wenn diese Hauptstraße wieder pulsiert, ist es gar keine gute Idee, die restliche Distanz auf eigene Faust zurücklegen zu wollen. Im Zweifel gibt es ja auch noch den Halbmarathon, der sich Zielmatte und -schluss von 15:15 Uhr mit dem Marathon teilt.
„Competitive“ und „Non-Competitive“
Die Organisation der Läufe ist sehr solide. Zu wünschen übrig lässt lediglich der Toilettenmangel am Start in Limone, wo Läufer auf der Seepromenade bis zu 45 Minuten in der Toilettenschlange stehen. Auch vor dem Halbmarathon in Arco ist die Wartezeit lang. Da geht deine Startlaune erstmal flöten. Aber 2026 wird sicher nachgebessert, denn die Verantwortlichen der Agentur „Communico“ legen sehr viel Wert darauf, ihren Teilnehmern die schönst möglichen Lauferlebnisse zu bereiten.
Schnelle Zeiten sind ihnen hingegen nicht so wichtig. Die Sieger werden trotzdem begeistert gefeiert, dieses Jahr zwei Deutsche: Tobias Beibl mit 2:38:16 und Stefanie Hansen mit 3:03:44. Die Ergebnisliste ist zweigeteilt, weil in Italien bei der Anmeldung ein ärztliches Attest hochgeladen werden muss. Italiener oder Ausländer, die dieses Attest erbringen, kommen in die reguläre „Competitive“-Liste. Ausländer ohne Attest in die alphabetisch geordnete Ergebnisliste ohne Rangfolge, die jedoch alle Zeiten enthält.
Wie auch immer: die vielleicht romantischste Marathonstrecke der Welt wartet auf dich am Lago di Garda.
Der 6. Gardasee-Marathon startet am 12. April 2026. Die Anmeldung dafür hat bereits geöffnet.
Infos & Anmeldung:
https://lakegarda42.com
Marathon und Rahmenprogramm auf einen Blick:
| Freitag 16:00 |
Trail Run über 10 km | Start in Malcesine
Rundstrecke entlang des Monte Baldo |
| Samstag 9:3018:00 |
Morning Run über 8 km
Kids Run über 600 m |
Start und Ziel am Seeufer in Limone, anschließend FrühstückStart im Zentrum von Riva |
| Sonntag 9:009:30 |
Marathon
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Start in Limone, Ziel in Malcesine
Start in Arco, Ziel in Malcesine |
Quelle: JoAnna Zybon in „LAUFZEIT“ – Heft: 4/2025.
Rennen mit Spenden – Das war der 2. Berliner Tafellauf – JoAnna Zybon berichtet
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