Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.
Dehnen – neue wissenschaftlich fundierte Empfehlungen – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Seit Jahren wir das Thema „Dehnen“ kontrovers diskutiert. Vor oder nach dem Sport?
Wie lang? Statisch oder dynamisch? Kann Dehnen einem Muskelkater vorbeugen, Schmerzen reduzieren und das Risiko für Verletzungen minimieren?
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Jan Wilke von der Universität Bayreuth hat konkrete Empfehlungen zum Thema Dehnen für die Praxis verfasst (Warneke et al. 2025).
Dehnen erzielt nicht in allen Fällen die Effekte, die ihm zugeschrieben werden. So kann es etwa Fehlhaltungen nicht beseitigen und hat auch in der Verletzungsprävention nur einen geringen Wert. Oft gibt es wissenschaftlich belegte Alternativen, die genauso gut oder besser als das Dehnen funktionieren.
Beispielsweise führt auch Krafttraining zu einer Steigerung der Beweglichkeit, wenn es über den vollen Bewegungsspielraum ausgeführt wird. Was fehlt, sind klare Empfehlungen für die Praxis, denn Dehnen ist eine leicht anwendbare, immer verfügbare und kostenlose Form des Trainings.
Wann ist Dehnen sinnvoll, wann nicht? Wie lange soll man dehnen und mit welcher Technik?
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Zur Verbesserung des Bewegungsumfangs wird Dehnen sowohl akut (einzelne Sitzung) als auch chronisch (langfristiges Training) empfohlen, obwohl auch alternative Interventionen (z.B. Widerstandstraining) zur Verfügung stehen. Zur kurzfristigen Steigerung der Beweglichkeit mindestens zwei Serien mit fünf bis 30 Sekunden Dauer – Dehntechnik egal.
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Durch Dehnen lässt sich Muskelsteifigkeit akut und chronisch reduzieren. Zur Senkung der Muskelsteifigkeit mindestens vier Minuten statischen Dehnens – für die langfristige Anwendung fünfmal pro Woche.
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Dehnen scheint als Erholungsstrategie nach dem Training weitgehend ineffizient zu sein.
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Dehnen verringert das allgemeine Verletzungsrisiko nicht. In manchen Fällen kann es das Risiko von Muskelverletzungen verringern, allerdings besteht die Möglichkeit, dass dies durch mehr Knochen- und Gelenkverletzungen kompensiert wird.
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Dehnen kann einen geringen Effekt auf den chronischen Kraftzuwachs und die Muskelhypertrophie haben, erfordert jedoch hohe Dosen und ist in dieser Hinsicht weit weniger wirksam als Widerstandstraining.
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Dehnübungen haben möglicherweise positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, es bedarf jedoch weiterer Forschung, bevor klinische Empfehlungen ausgesprochen werden können. Zur positiven Beeinflussung des Herz-Kreislaufsystems und der Gefäße sogar mindestens sieben Minuten (akute) oder 15 Minuten (langfristig) statischen Dehnens.
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Dehnen führt nicht zu relevanten Haltungsveränderungen.
Fazit: Nicht empfohlen wird Dehnen zur Verletzungsprävention, zur Beschleunigung der Regeneration oder zur Haltungsverbesserung.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Warneke K et al. Practical recommendations on stretching exercise: A Delphi consensus statement of international research experts. J Sport Health Sci (2025), doi.org/10.1016/jshs.2025.101067
Weitere Hinweise finden Sie in meinem Beitrag auf der GRR-Homepage:
Dehnen (Stretching) – wann und wie? – ein Update (2017).
Sowie in:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.
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