Landessportbund Berlin, das Team mit Birte Oppermann in der Rudolf Harbig-Halle - Foto: Maurice Weiss
Freundlich, aber klar und eindeutig – Was wäre der Sport ohne Trainer*innen! SPORT IN BERLIN
Ohne sie keine Spitzenleistungen und Medaillen. Einige stellen wir in einer Serie vor. Die Tage von Birte Oppermann beginnen oft vor 7.45 Uhr und enden nach 18.30 Uhr. Plus Abend-, Wochenend- und Trainingslager-Termine.
In der Rudolf-Harbig-Halle am Olympiapark macht sich der Berliner Leichtathletik-Nachwuchs warm. Landestrainerin Birte Oppermann sammelt ihre Gruppe um sich, ein gutes Dutzend etwa 12- bis 14-Jährige. Es wird gequatscht, herumgealbert und getuschelt. Oppermann könnte nun schreiend für Ruhe sorgen.
So wie wahrscheinlich so viele Trainergenerationen vor ihr. Stattdessen ruft die 33-Jährige mit heiserer, aber freundlicher Stimme mitten ins Gequassel: „Hey, ihr Lieben! Zuhören!!“ Die Mischung stimmt: nett in Wort und Ton, klar und eindeutig in Lautstärke und Eindringlichkeit.
Man muss nicht immer brüllen. Es geht auch weniger hart, aber dafür herzlicher: „Denk dran, dich ordentlich warm zu macheni!“, ruft sie noch einem Schützling zu. Und die Talente von der nahe gelegene Sportschule im Olympiapark – Poelchau-Sportschule folgen ihr. Selbst als Oppermann noch im Büro zum Interview sitzt, machen sie sich unten in der Halle warm, angeleitet von anderen Coaches wie Schultrainer Karsten Sokolowski.
„Die Kids haben alle das Ziel, Sport oder genauer gesagt Leichtathletik, zum Beruf zu machen”, erklärt Oppermann, aber bremst zugleich: „In dem Alter schon von Olympia zu sprechen, finde ich schwierig.” Auch das unterscheidet die dynamisch wirkende Frau mit den kurzen blonden Haaren von früheren Übungsleitenden, denen es nur um Erfolge ging. Nicht, dass Oppermann keinen Wert auf Leistung legen würde. „Es ist schön, wenn sie sich als Ziel Olympia setzen, aber mir ist wichtiger, ihnen bewusst zu machen, wie der Weg dorthin aussieht.” Denn der sei vielen gar nicht so klar.
Sie muss hier nicht nur U16-Athletinnen und -Athleten für Mehrkampf begeistern und für Meisterschaften vorbereiten, sondern auch für ihren weiteren Weg in der U18. Daher lässt sie oft die Jugendlichen zu Beginn ihre Ziele aufschreiben, bewahrt sie auf und vergleicht später: „Viele schreiben nur ‘Spaß haben’ und ‘sich verbessern’, sie sollen aber weiter und konkreter denken”, fordert sie. Vielleicht hat das auch mit dem Werdegang der ehemaligen Weit- und Dreispringerin zu tun.
Unter ihrem Mädchennamen Birte Damerius war die gebürtige Berlinerin, aus einer Volleyball-Familie kommend, als Aktive „immer irgendwie deutschlandweit vorne mit dabei, aber ich habe nie die EM- oder WM-Teilnahme geschafft, weil ich körperlich und mental nicht bereit war”.
Aus solchen verpassten Chancen wachsen später oft große Trainerkarrieren. Wobei Oppermann, wie sie seit ihrer Hochzeit heißt, nach Laufbahnende 2019 zunächst gar nicht Trainerin werden wollte. „Ich habe Sportmanagement studiert und mich immer in der Sportorganisation gesehen.” Sie arbeitete zunächst sozial in einem Sportjugendclub mit teils rechtsaffinen Jugendlichen. „Ich habe versucht, sie mit Sport von der Straße runterzukriegen”, erzählt sie, „ich bin sehr empathisch und es hat mich kaputt gemacht, vieles da zu sehen.”
Stattdessen ergab sich eine Trainerstelle beim Berliner Leichtathletik-Verband. Sie erbat, zunächst zu 50 Prozent in der Geschäftsstelle arbeiten zu dürfen. „Weil es familienfreundlicher ist.” Trainerin sei eben mehr als ein Fulltime-Job. „Doch nach einem Monat habe ich mich zur Trainerstelle entschieden.”
Auch wenn die Tage nun oft vor 7.45 Uhr beginnen und nach 18.30 Uhr enden. Plus Abend-, Wochenend- und Trainingslager-Termine. Warum der Sinneswandel? „Wegen der Kinder. Die Freude der Kids zu sehen, das macht schon Spaß”, sagt sie. Und zeigt, was sie meint. Oppermann geht hinunter in die Leichtathletik-Halle. Dort begrüßt sie Assistentin Anna, die für ihren Trainerschein hier volontiert. „Als meine Trainerin war sie toll, hat uns immer verstanden, auch außerhalb des Sports”, schwärmt die 18-Jährige. Ähnlich äußern sich aktuelle Athleten.
„Sie ist fast wie eine Freundin, man kann über alles reden”, sagt die 13-jährige Kiana-Soo, die erkältet aussetzt. „Sie ist sympathisch und ehrgeizig, sie kann ermutigen”, sagt die gleichaltrige Melin. Also alles nur Wohlfühloase hier? Mitnichten, Oppermann hat auch in der Ausbildung von älteren Trainern gelernt, wann sie streng sein muss. Es wird nicht nur über Weihnachtsausflüge zum Eislaufen, sondern weit mehr über anstehende Wettkämpfe und Bestzeiten geredet. Als die Gruppe zwischen Sprintübungen auf einer Matte ausruht, ruft Oppermann rauer: „Aufstehen!”, „Nicht herumsitzen!”, „Hopp-Hopp-Hopp.”
Dennoch scherzt sie auch gern, darüber, sich eine Trillerpfeife zu besorgen, oder über Straf-Liegestütze. Die spricht sie aber nur im Witz an. Etwa bei einer Athletin, die im Sprint noch vor dem Ziel abbremst, weil sie merkt, dass sie keine gute Zeit erreichen wird. Oppermann gibt danach ihrer Fußspitze sanfte Tritte, die Strafpredigt dazu fällt verständnisvoll aus. „Wenn du müde bist, geh’ nicht an den Start, aber wenn du antrittst, zieh’ auch voll durch.”
Eine Ansage, die den Stil von Birte Oppermann zusammenzufassen scheint: freundlich in Wort und Ton, aber klar und eindeutig. Wie die pink-rosa gemusterte Handyschale, die sie im Training umgehangen trägt: hart, aber mit viel Herz.
Dominik Bardow
Quelle: SPORT IN BERLIN 1/ 2025 – LSB Berlin
Auf Augenhöhe: Der Sport und die Berliner Bevölkerung – Manfred Nippe in SPORT IN BERLIN
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