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Wohin steuert die Lauftherapie? Streiflichter anlässlich des 30-jährigen Bestehens des „Verbands der Lauftherapeuten (VDL)“ – Von Wolfgang W. Schüler
Der „Verband der Lauftherapeuten (VDL)“ beging Ende des Jahres 2024 ein Jubiläum; er wurde 30 Jahre alt. Zweck des Verbands ist die berufliche Interessenvertretung ausgebildeter Lauftherapeuten.
Er ist ein Gegenüber sowohl zu den Trägern der Ausbildung in Lauftherapie als auch zu Organisationen und Verbänden des Gesundheitswesens.
E ist ein Netzwerk interner Unterstützung und äußerer Kooperationen entstanden, das dabei hilft, die Lauftherapie in der Fachwelt und Öffentlichkeit bekannt(er) und für Hilfesuchende bzw. Klienten nutzbar(er) zu machen.
Für diesen Beitrag wird das VDL-Jubiläum zum willkommenen Anlass genommen, nicht jedoch, um die Entwicklungsgeschichte des Verbands in den 30 Jahren seines Bestehens zu beleuchten, sondern vielmehr, um einen Blick auf die durch ihn mit vorangetriebene Entwicklung der Lauftherapie insgesamt zu werfen. Das Faktum, dass immer mehr erfahrene Läufer mit medizinisch bzw. psychosozialem Berufshintergrund sich für die Zusatzausbildung in Lauftherapie entscheiden, spricht für sich. Der Beitrag soll an der Ausbildung Interessierten grundlegende Einblicke in die Entwicklung der Lauftherapie ermöglichen und Zugänge zu ihr aufzeigen.
Der Beitrag gliedert sich in die folgenden Abschnitte: Lauftherapie und Forschungsstand, Lauftherapie und Dokumentation, Lauftherapie und Öffentlichkeit, Lauftherapie und Ausbildung, Lauftherapie und Praxis, Lauftherapie und Fachliche Anerkennung, Lauftherapie und Zukunft.
Lauftherapie und Forschungsstand
Wenn am Anfang nichts anderes als die Einzelerfahrung stand, so stellte sich im Verlauf Verallgemeinerbarkeit bzw. Gewissheit ein. Die quantitative und qualitative Forschung hat dafür entsprechende Gütekriterien definiert. Um jedoch Forschungsergebnisse zu generieren, braucht es zunächst einmal ein spezifisches Forschungsinteresse.
Die Tatsache, dass das Laufen zu den führenden Breitensportarten gehört, erweist sich für die Lauftherapie als glücklicher Umstand: kaum eine andere Bewegungs- bzw. Sportart wurde so umfassend und intensiv beforscht. Insbesondere in den beiden letzten Jahrzehnten haben Forscher international in bald kaum mehr zu überblickender Quantität verlässliche Ergebnisse hierzu vorgelegt, die durch zahlreiche Metastudien zusammenfassend bestätigt werden konnten.
Die Aussage, dass Laufen bzw. Lauftherapie – ja, moderat ausgeübte ausdauernde Bewegung insgesamt – positiv auf die Gesundheit wirkt, ist damit und über die eigenen Postulate der Lauftherapie hinaus unbestritten. Ob bei Kindern oder Erwachsenen, ob im körperlichen oder seelischen Bereich – die Liste ihrer heilsamen Effekte ist lang. Auch wenn in manchen Unterbereichen noch Forschungsbedarf besteht, bewegt sich die Lauftherapie insgesamt auf sicherem Terrain.
Lauftherapie und Dokumentation
Während zu Beginn nur einzelne hinweisgebende, ja lauftherapeutische Publikationen zur Verfügung standen, so ist ihre Zahl in Artikel-, Buch-, aber auch Videoformaten über die Jahrzehnte derart gestiegen, dass Philosophie, Ansatz, Methodik und Reichweite der Lauftherapie mittlerweile sehr umfassend dokumentiert sind. Damit ist eine Art Archiv entstanden, das jederzeit Zugriffe in großer Breite zulässt, vielfältige Nachschlagemöglichkeiten bietet und – wenn gewollt – auch Selbststudium erlaubt. Hinzu kommen die unzähligen Publikationen aus Sportwissenschaft, Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Pädagogik, Physiotherapie und Naturheilkunde, die das Hinterlegte in spezifischer Weise inhaltlich vertiefen, ergänzen und untermauern. Von den vielen, Fachwissen in Alltagssprache herunterbrechenden journalistischen Beiträgen noch gar nicht gesprochen. Dass sich dort Fakten, Ansätze und Programme bereits verselbstständigt und Rückbezüge auf die Begründer der Lauftherapie zuweilen aufgelöst haben, ist wiederum ein zeittypisches Phänomen.
„Ein Standardwerk, welches viele, die über das Laufen schreiben wollen, zur Hand nehmen werden!“ – Prof. Dr. med. Gerhard Uhlenbruck
Lauftherapie und Öffentlichkeit
In den 1990er Jahren waren Läufer überwiegend noch irritiert oder belustigt, wenn über Lauftherapie und Lauftherapeuten gesprochen wurde. „Wer hat sich denn so was ausgedacht?!“, hörte man zuweilen sagen. Da galt es, individuelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Dass diese gelang, lag daran, dass man Läufer bei ihren positiven Selbsterfahrungen abholen und diese Erfahrungen gedanklich in den Rahmen professioneller Intervention stellen konnte. Dadurch, dass die Laufbewegung selbst – ob Volksläufe oder Lauftreffs – mit dem Gesundheitsgedanken als Motiv spielte bzw. warb, hatte die Lauftherapie eine letztlich hilfreiche Hintergrundfolie.
Und heute? Die Situation von damals erscheint umgekehrt: Die meisten Läufer haben in etwa eine Vorstellung davon, was Lauftherapie ist. Wer Artikel in Laufzeitschriften oder Tageszeitungen zum Thema Laufen und Gesundheit aufschlägt, findet nicht nur den argumentativen Boden dafür bereitet, sondern vielfach auch die Verwendung des Begriffs Lauftherapie. Hierzu äußern sich Journalisten, von ihnen befragte Fachleute der Sportwissenschaft, Medizin, Psychologie und Physiotherapie und natürlich die Lauftherapeuten selbst. Schaut man in die zahlreich erscheinenden allgemeinen Publikationen zum Laufen, kann man gar den Eindruck gewinnen, dass der Begriff fast schon inflationär verwendet wird und „jede“ laufinduzierte gesundheitliche Regung als Therapie bzw. Selbsttherapie apostrophiert wird. Vielleicht fällt Lauftherapeuten bei ihrer Aufklärungsarbeit heute nun auch die Aufgabe zu, dies wieder etwas einzufangen, geradezurücken, auszubalancieren.
Lauftherapie und Ausbildung
Gab es in den 1990er Jahren einen Ausbildungsträger, so zählen wir derzeit fünf. Damit hat sich aus einer Monopol- eine Polypol-Situation ergeben. Ferner trägt jede Ausbildung – neben den allgemeinen Grundlagen – ihre eigene Handschrift. Das ermöglicht es heutigen Interessenten, inhaltlich aus einer Breite auszuwählen, die es lange Zeit so nicht gab. Zudem hat sich der regionale Zugang verbessert, haben sich Wege verkürzt: es existieren Ausbildungsstätten in Hamburg (1), Niedersachsen (1), Nordrhein-Westfalen (2) und Bayern (1). Schließlich: alle Ausbildungen sind arbeitnehmerfreundlich und können berufsbegleitend wahrgenommen werden.
Die fünf aktuellen Ausbildungsträger seien kurz benannt … jedoch nicht, ohne das Institut zu nennen, mit dem alles begann:
- Deutsche Lauftherapiezentrum (DLZ)
Es ist anfangs der 2020er Jahre vom Markt gegangen, nachdem es fast 30 Jahre lang, und zwar von 1991 bis 2019, unter der Leitung von Initiator Prof. Dr. Alexander Weber, Bad Lippspringe/NW, Lauftherapeuten ausgebildet hat.
- Die Lauf-Akademie
Aus dem DLZ ist die Lauf-Akademie in Hamburg/HH hervorgegangen, geleitet [vom Sohn des Prof. Weber] Urs Weber, langjähriger Redakteur der Laufzeitschrift „Runner’s World“, letzter DLZ-Vorsitzender und ehemaliger DLZ-Dozent. Laut Erstankündigung wird seit Frühjahr 2023 ausgebildet.
- Natura. Akademie für Gesundheit (NA)
Seit 2003 besteht die Ausbildung von Prof. Dr. Ulrich Bartmann – bis 2017 unter der Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (dgvt) mit Ausbildungsort Würzburg/BY und seit den 2020er Jahren unter dem Dach von Natura. Akademie für Gesundheit, Prichsenstadt/BY.
- Europäische Akademie für biopsychosoziale Gesundheit, Naturtherapien und Kreativitätsförderung (EAG)
Seit 2009 findet sich deren Angebot, das sich zunächst vorrangig an in der Suchtarbeit Tätige wandte, am Ausbildungsort Hückeswagen/NW. Die Ausbildung steht in der Trägerschaft des Fritz Perls Instituts (FPI) und firmiert unter „Lauftherapie im Integrativen Verfahren – Green Running©“.
- Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)
Seit 2015 wird in Hildesheim/NI durch Prof. Dr. Sabine Mertel & Team ausgebildet. Mit „Multimodale Lauftherapie (MML)“ erlangen die Absolventen ein Hochschul-Zertifikat.
- Laufcampus Akademie
Laufcampus, geleitet von Andreas Butz in Euskirchen/NW, der „Ausbildungen von Lauftrainern im Haupt- und Nebenberuf“ anbietet, hat laut Erstankündigung ab Herbst 2022 neue, ergänzende Module mit aufgenommen, die es bei Laufcampus ausgebildeten Lauftrainern nun ermöglichen, zusätzlich auch Lauftherapeut zu werden.
Lauftherapie und Praxis
In gut drei Jahrzehnten wurden in Deutschland etwa 800 Lauftherapeuten DLZ, dgvt bzw. NA und HAWK ausgebildet. Wie viele praktizieren gegenwärtig? Dazu fehlen Erhebungen. Gewiss wird man sich die Zahl der Aktiven bildlich als ein auf der Spitze stehendes Dreieck vorstellen können: je früher sie ausgebildet wurden, umso weniger sind sie mehr aktiv, je später dagegen, umso mehr. Nach eigener Einschätzung praktiziert zur Zeit jeder Fünfte aller jemals Ausgebildeten. Insofern ist die Lauftherapie nach wie vor ein Feld, das reichlich Verwirklichungschancen bietet und Sorge vor lokaler „Konkurrenz“ – so man sie hat – eher unbegründet erscheinen lässt.
Viele Lauftherapeuten schafften sich neben ihrem Grundberuf ein zweites Standbein, eine Nebentätigkeit, einen Nebenverdienst. Sie bieten Lauftherapie- bzw. Gesundheitslaufkurse in eigener Regie an oder treten als freie Mitarbeiter in den Dienst von Freizeit-, Sport-, Bildungs-, Erziehungs- und Therapieeinrichtungen.
Andere, sowohl Selbstständige als auch Angestellte, bringen ihr Laufangebot direkt an ihrem Arbeitsplatz ein und sorgen für eine Erweiterung des dort bestehenden Behandlungsrahmens. So findet sich die Lauftherapie als ergänzendes Angebot z. B. in medizinischen und psychotherapeutischen Praxen, Kliniken, Reha-Zentren und Heimen.
Schließlich gründen zunehmend mehr Absolventen sog. „Laufschulen“ und loten ihre Möglichkeiten eines beruflichen Teil- oder Komplettumstiegs aus, einige haben ihn bereits vollzogen. Dabei wird die Lauftherapie häufig in ein erweitertes Bewegungsangebot eingebunden, das von Nordic Walking über Anfänger- und Fortgeschrittenenlaufkurse, Langstreckencoachings bis hin zu Entspannungsverfahren und Ernährungsberatung reichen kann.
Seitdem sich Sportvereine dem Ziel der Prävention und Gesundheitsförderung stärker verschrieben haben, findet man vereinzelt auch in ihnen Lauftherapeuten, meist Mitglieder dieser Vereine. Sie führen mit ihren Laufkursen Laufanfänger behutsam an Bewegung und/oder Sport im Verein heran und räumen dabei manche Stolpersteine des Beginnstadiums, insbesondere bei gesundheitlicher Beeinträchtigung, aus dem Weg.
Daneben gibt es auch jene Absolventen, die die Ausbildung „nur“ mal so für sich gemacht haben, zur eigenen Weiterbildung, persönlichen Entwicklung und Zufriedenheit.
All das zeigt, wie vielfältig und individuell die persönlichen Wege nach der Ausbildung sein können. Wobei auffällt, dass über die Jahrzehnte immer wieder neue Berufsgruppen die Lauftherapie für sich entdeckt haben – z. B. laufende Pfarrer, die, wie Manuela Bünger, in ihren Kirchengemeinden Meditative Laufkurse anbieten.
„Das vorliegende Werk ist so etwas wie das Vermächtnis von Wolfgang W. Schüler, ein Handbuch, in dem man immer wieder nachblättern kann. Auch erfahrene Lauftherapeuten und Trainer können von diesem Pionier noch lernen.“ – Manfred Steffny
Lauftherapie und Fachliche Anerkennung
Hier sei ein Blick auf die verschiedenen Organisationsebenen der Lauftherapie geworfen:
Die Ausbildungsträger
Das ehemalige Deutsche Lauftherapiezentrum (DLZ) stand in direkter Kooperation mit der VIACTIV Krankenkasse (ehemals BKK vor Ort), Bochum. Zusammen richteten sie u.a. im Oktober 2016 eine zweitägige Fachtagung zur Lauftherapie aus. Der DLZ-Gründer und -Vorsitzende Prof. Dr. Alexander Weber selbst erhielt im September 2021 den Horst-Milde-Award, ein vom Forum für Sportgeschichte, Berlin vergebener Ehrenpreis zur Würdigung von Lebensleistungen für den Laufsport.
Die von Prof. Dr. Ulrich Bartmann geleitete Ausbildung wurde von der Bayerischen Psychotherapeutenkammer zertifiziert und bringt Psychologen und Ärzten Fortbildungspunkte im Rahmen ihrer Weiterbildungsverpflichtung.
Die von Prof. Dr. Sabine Mertel verantwortete Ausbildung ist von der Ärztekammer Niedersachsen anerkannt worden. Auch werden „Leistungspunkte gemäß dem European Credit Transfer System (ECTS) erworben, die auf Studieninhalte eines späteren Studiums individuell angerechnet werden können.“ (Hochschule HAWK)
Der Berufsverband
Der „Verband der Lauftherapeuten“ ist anerkanntes Mitglied im Dachverband Freie Gesundheitsberufe als „ein Zusammenschluss von Berufsverbänden, der sich für eine qualifizierte Berufsausübung in Gesundheitsberufen auf dem freien Markt einsetzt. Alle assoziierten Gesundheitsexperten sind entsprechend den Qualitätsstandards der Freien Gesundheitsberufe zertifiziert“ (FG Dachverband). Ebenso wurde der VDL von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Fachinstitution in den „Wegweiser Gesundheitsförderung“. aufgenommen.
Gesundheitseinrichtungen
Es finden sich Kliniken und Heime, in denen die Lauftherapie zum festen Bestandteil des Behandlungskonzeptes und der -praxis gemacht worden ist. Ein Beispiel: die Hartmut-Spittler-Fachklinik in Berlin, die auf Entwöhnungstherapien bei Suchterkrankungen spezialisiert ist und in der das Lauftherapeutenteam um Franz Kuhnlein und Jörg-Werner Runge erfolgreich wirkt.
Die Praktiker
Hier gibt ein Beispiel Lauftherapeut Torsten Schubert aus Wentorf bei Hamburg. Die von ihm entwickelte und von der Agentur für Arbeit zertifizierte Maßnahme zur „Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ von Langzeitarbeitslosen schließt ein Lauf-Coaching mit ein. „Arbeitsämter können Arbeitsuchende an ihn vermitteln. Die Ämter übernehmen alle Kosten.“ (Runner’s World)
Die Klienten
Einige Krankenkassen bezuschussen die Kursgebühren ihrer Mitglieder, wenn diese an Lauf(therapie)kursen als Maßnahme der Prävention teilnehmen wollen.
Lauftherapie und Zukunft
Ausdauernde Bewegung zählt zu einer unserer herausragenden anthropologischen Konstanten, insofern ist ihre Bedeutung im Gestern, Heute und Morgen festgeschrieben. In einer Zeit, in der trotz besseren Wissens um mögliche Abhilfe und trotz unterschiedlichster Angebote, sich körperlich zu betätigen, der Bewegungsmangel allgemein weiter zunimmt, und mit ihm körperliche und seelische Erkrankungen, wird die Stimme und das Angebot der Lauftherapie weiter, zukünftig sogar noch mehr als bisher gebraucht.
In diesem Sinne äußert sich Prof. Dr. Alexander Weber (ehem. Deutsches Lauftherapiezentrum): „Der zündende Gedanke von damals ist aktueller denn je.“ Und Urs Weber (Die Laufakademie) ist überzeugt: „Der Markt für Lauftherapeuten wird in Zukunft stark anwachsen.“
„Dem Herausgeber gelingt es sehr gut strukturiert darzustellen,
was Lauftherapie heute ist und kann.“ – Dr. Erdmute Nieke
Wolfgang W. Schüler
Der Autor
Wolfgang W. Schüler, Lauftherapeut DLZ und Lauftherapeut IART/USA, ist Gründungsmitglied des Verbands der Lauftherapeuten/VDL (1994). Er war Initiator und Leiter der VDL-Arbeitsgruppe zur „Befragung ausgebildeter Lauftherapeuten“ (1996), Gründer und Leiter der VDL-Fachgruppe „Lauftherapie mit Kindern und Jugendlichen“ (1998-2004) und Mitwirkender bei der Revitalisierung des Verbandes (2008). Er ist VDL-Chronist und -Autor (seit 2004) sowie VDL-Beauftragter für Internationale Kontakte (seit 2011).