Vertrauen ist alles – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – Nachschlag Paris 2024!

Vorlauf über 3000 Meter Hindernis. Olivia Gürth, deutsche Meisterin und Trainingspartnerin von Gesa Krause, spurtet in der Spitzengruppe um Platz vier.

Fünf schaffen es in den Endlauf. Auf der Ziellinie wird sie kurz von einer Läuferin blockiert, zwei Läuferinnen rennen ins Ziel. Das Ergebnis: Sechste in 9:16,47 Minuten. Für Olivia Gürth ist Paris 2024 vorbei. Um eine Hundertstelsekunde geschlagen von Norah Jeruto.

Die Kenianerin, die für Kasachstan startet, hat eine Geschichte. Im April 2023, gut ein halbes Jahr nachdem sie in Eugene (Oregon) Weltmeisterin wurde, suspendierte die Integrity Unit der Leichtathleten (AIU) sie. Jerutos Blutwerte deuteten darauf hin, dass sie mit Eigenblut dope und mit Epo.

Ein weiteres halbes Jahr später der Freispruch. Ein Arzt hatte ausgesagt, dass Jeruto an Darmgeschwüren leide, die stark bluteten, wenn sie sich in Kasachstan aufhalte. Kehre sie heim nach Kenia, hörten die Blutungen auf. Deshalb schwankten die Werte. „Man muss das Vertrauen haben, dass das alles mit rechten Dingen zugeht bei ihrer Wiederzulassung“, sagt Olivia Gürth.

Ihr Gesicht ist eine starre Maske, ihre Pupillen sind geweitet.

Ihre amerikanische Kollegin Emma Coburn twitterte damals: „Freundliche Erinnerung: Wenn eine Leistung als zu gut erscheint, um wahr zu sein … ist sie es.“

Nicht Olivia Gürth läuft im Finale, sondern Norah Jeruto. „Da muss man einfach an das System glauben“, wiederholt die Deutsche, „dass sie wissen, was sie tun.“

Was eigentlich, wenn man nicht glaubt?

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung