Im Durchschnitt erkranken Frauen später im Leben an koronaren Herzkrankheiten, doch sie sterben häufiger daran als Männer. - Foto: Cornelia Gann/Universität Zürich - UZH
Gendermedizin – Starke Herzen – Universität Zürich – UZH – Thomas Gull
Das Herz ist unser wichtigstes Organ. Doch die Herzmuskelzellen sind träge. Die Kardiologin Carolin Lerchenmüller erforscht, wie diese Zellen neu gebildet werden und wie das Herz gestärkt und geschützt werden kann.
Herzmuskelzellen sind gross im Vergleich zu den meisten anderen Körperzellen. Und sie sind sehr träge, wenn es darum geht, sich zu teilen. «Die Zellteilung ist ein anstrengender Prozess», sagt Kardiologin Carolin Lerchenmüller, «Zellen mit der Struktur und Grösse der Herzmuskelzellen möchten das prinzipiell nicht tun.» Das hat Folgen: Denn wenn sie kaputt gehen, etwa bei einem Herzinfarkt, werden sie in der Regel nicht durch neue ersetzt, sondern durch Narbengewebe (Fibrose).
Dadurch verhärtet sich das Gewebe und büsst einen Teil seiner Funktion ein. Das gilt für die Fähigkeit, elektrische Signale zu leiten, und die Kontraktilität. Das bedeutet, die Zellen können sich weniger gut zusammenziehen, was die Leistung des Herzens beeinträchtigt.
Sportliche Mäuse
Die Leistung beschädigter Herzen könnte verbessert werden, wenn sich Herzmuskelzellen contre cœur doch neu bilden würden. Genau daran arbeitet Lerchenmüller in ihrer Grundlagenforschung mit Mäusen. Diese werden sportlich herausgefordert, etwa indem sie in einem Laufrad rennen. Und siehe da: Nach acht Wochen Training fanden sich bei diesen Mäusen neu gebildete Herzmuskelzellen. «Die Zahl der neuen Zellen ist nicht sehr gross», sagt Lerchenmüller, «doch die wichtige Erkenntnis ist, dass sich Herzmuskelgewebe selbst erneuern kann. Damit taucht sofort die Frage auf: Wie können wir das anstossen oder unterstützen?»
Die offensichtliche Antwort: durch sportliche Aktivität. Oder durch biochemische Anreize. «Wir haben bereits Faktoren gefunden, die das Herz schützen», sagt Lerchenmüller, die erste Professorin für Gendermedizin an der UZH. Dazu gehören bestimmte microRNA (kleine nichtkodierende Ribonukleinsäuremoleküle) und zum Beispiel das Protein CITED4. «Dieses Protein wird in den Herzmuskelzellen durch sportliche Aktivität vermehrt produziert. Und es kann das Herz vor Schädigungen schützen, zumindest bei Mäusen», so Lerchenmüller. Umgekehrt konnte Lerchenmüller zeigen: Fehlt das Protein und wird das Herz geschädigt oder durch sportliche Aktivität stark beansprucht, führt dies zu Herzschwäche. Diese Erkenntnisse werden zurzeit präklinisch getestet, etwa mit gentherapeutischen Interventionen, bei denen das Gen mit dem Bauplan für das CITED4-Protein in die Herzmuskelzellen geschleust wird.
Frauenherzen, Männerherzen
Lässt sich die Forschung in Mäusen auf den Menschen übertragen? Und weshalb ist sie gerade für Frauen wichtig? Die Kardiologie spielt in der Gendermedizin eine Vorreiterrolle, weil sich Frauen- und Männerherzen unterschiedlich entwickeln. So erkranken Frauen im Durchschnitt später im Leben an koronaren Herzkrankheiten, doch sie sterben häufiger daran als Männer. Herzkreislauferkrankungen sind mit 49 Prozent die wichtigste Todesursache bei Frauen, die koronaren Herzkrankheiten stehen dabei an erster Stelle.
Wir wissen, dass Sport das Herz schützt und hilft, Krebs zu bekämpfen.
Ein weiteres Problem ist die Diagnose bei Herzinfarkten.
Da Frauen häufig andere Symptome haben als Männer, wird ein Herzinfarkt nicht erkannt oder manchmal erst später. «Es gibt noch viel zu tun», sagt Lerchenmüller dazu. Das gilt auch für ihre Forschung. Denn ihre grundlagenwissenschaftliche Arbeit machte sie teilweise nur mit männlichen Mäusen. «Manchmal ist es, insbesondere bei sehr aufwändigen und teuren Methoden, nicht möglich, zu Beginn alle Variablen mit einzubeziehen. Dazu gehören auch jene, die durch weibliche Geschlechtshormone ausgelöst werden können», so Lerchenmüller. Dieses Vorgehen habe eine gewisse Berechtigung: «Wenn man mit der Forschung ganz am Anfang steht, geht es zunächst darum, die grundsätzlichen Wirkungsmechanismen zu verstehen. Und die Anzahl der verwendeten Tiere muss immer sehr gut begründet werden», sagt Lerchenmüller. Doch insgesamt sei es sehr wichtig, den Geschlechteraspekt zu berücksichtigen, betont die Kardiologin.
Deshalb ist sie an mehreren Projekten beteiligt, bei denen auch Geschlechtsunterschiede im Vordergrund stehen. Ein Beispiel, wie die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung für die Klinik relevant werden könnten, sind Chemotherapien bei Krebs. Die Medikamente, die die Krebszellen angreifen, beschädigen auch die Herzmuskelzellen. Das gilt etwa für die Chemotherapie bei Brustkrebs, die auch bei jungen Frauen häufig eingesetzt wird. «Heute wissen wir, dass viele der Frauen, die Brustkrebs überleben, später an Herzschwäche sterben», sagt Lerchenmüller. «Wir fragen uns deshalb: Wie können wir das Herz schützen und trotzdem den Krebs bekämpfen?»
Stress für den Körper
Dazu brauche es ein feines Zusammenspiel von gezielten Therapien, so Lerchenmüller. «Wir wissen, dass Sport das Herz schützt und gleichzeitig hilft, Krebs zu bekämpfen. Das ist natürlich die perfekte Kombination.» Idealerweise könnten die positiven Effekte, die der Sport im Herzen auslöst, unterstützt werden durch therapeutische Interventionen, die auf Lerchenmüllers Forschung auf molekularer Ebene basieren.
«Ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit den Grundstein legen, um gerade in solchen Stresssituationen für den Körper wie einer Chemotherapie das Herz stärken zu können. Noch besser wäre, wenn das bereits vorbeugend möglich wäre.» Es gibt noch viel zu tun. Doch der Anfang ist gemacht.
Dieser Artikel stammt aus dem UZH Magazin «Gesunde Frauen und Männer»