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03
04
2024

Michael Reinsch - Foto: Horst Milde

Zweiter Bewegungsgipfel: „Sportförderung ist Demokratieförderung“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einer segensreichen politischen Wirkung für die Gesellschaft, wenn sie den Sport unterstützt. Verbände und Opposition fordern Taten statt Worte.

Mit leeren Taschen lässt sich hervorragend über schöne und wichtige Themen diskutieren. Wie den Sport. Wenn sich dabei auch noch alle einig sind, umso schöner. Schließlich geht man zufrieden auseinander, ohne dass die eigenen Worte oder die der Gesprächspartner Konsequenzen hätten.

Welch eine Bühne für Politiker.

So muss man sich den zweiten Bewegungsgipfel vorstellen, zu dem Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD am Dienstag in den Kuppelsaal des historischen Olympiageländes von Berlin eingeladen hatte. Nicht nur Parteifreunde aus nah und fern waren gekommen, Mitstreiter in der Ampelkoalition, von denen man erwarten konnte, dass sie dem Eindruck vom Scheitern der Sportpolitik Faesers engagiert widersprechen.

Selbst die Innenminister der unionsregierten Freistaaten Bayern und Sachsen, Joachim Herrmann, Vorsitzender der Sportministerkonferenz, und Armin Schuster, waren gekommen, gestandene Opposition.

Herrmann kritisierte dann auch, dass seit dem ersten Bewegungsgipfel ohne Not zwei Prozesse entstanden seien; er meinte den ergebnislosen von Faeser, den der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als eine Art unverbindlichen Wunschzettel ablehnt, und den von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der zu einem Konsenspapier mit dem Titel „Runder Tisch Bewegung und Gesundheit“ führte. Mit dem ebenfalls vom organisierten Sport abgelehnten Entwurf für ein Sportfördergesetz, sagte Herrmann, sei die Enttäuschung noch größer geworden. „Das wird ohne Geld nicht gehen“, sagte er: „Wir treten auf der Stelle, solange nicht klare Entscheidungen getroffen werden können.“

Im Gegensatz zu den verärgerten Landessportbünden war Herrmann immerhin anwesend. Sein Kommen spricht noch mehr als das „Wir“ in seiner Rede für einen parteiübergreifenden Konsens, die Zuständigkeit und die Verantwortung des Bundes anders als bisher nicht allein auf die Spitze des Sports, die Vertretung Deutschlands bei den Olympischen Spielen zu konzentrieren. „Wir wollen den Worten Taten folgen lassen“, rief Herrmann: „Die Länder sind bereit dazu.“

Wie sehr dieser Bereitschaft das Prinzip Hoffnung innewohnt, breitete mit Genuss Herrmanns Parteifreund, der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer aus, sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktionen im Bundestag. Mit keinem einzigen Euro werde der Sportentwicklungsplan im aktuellen Haushalt bedacht, führte er aus, und da neunzig Prozent dessen Inhalts Länder und Gemeinden betreffe, werde hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gesprächsformate gebe es genug, kritisierte er und forderte: „Es geht darum, an die Umsetzung zu gehen.“

Die große Einigkeit gilt dem, was Faeser in fünf Punkten zusammenfasste: der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements, der Anerkennung von Bewegungsmangel als Gesundheitsrisiko und gesellschaftlichem Problem, die es zu bekämpfen gelte, der Förderung von Breiten- und Gesundheitssport, und sei es mit Olympischen und Paralympischen Spielen im Land, sowie der Schaffung von Sport- und Bewegungsräumen in Stadt und Land. „Fördern wir Sport, fördern wir auch die Werte der Demokratie und den Zusammenhalt“, sagte Faeser. Sie versprach, sich für eine finanzielle Ausstattung des Sportentwicklungsplanes einzusetzen, den nun zunächst der Bund allein entwickelt. Sie erwähnte nicht, den Haushalt welches Jahres sie meinte; über 2025 hinaus sollte sie, die Wahlprognosen berücksichtigt, keine Regierungspläne mehr hegen.

Ihr Kabinettskollege Lauterbach, der zum Fototermin in die bei Berliner Hipstern so beliebte Trainingsjacke, in Jeans und Sportschuhe schlüpfte, spulte routiniert seinen Vortrag vom Sport als bester Medizin gegen Herz-Kreislauf-Schwäche, gegen Krebs und Demenz ab und verklärte das von seinem Haus geplante Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin zu einer Leitstelle für Sport- und Bewegungsförderung.

Sport sei nicht die schönste Nebensache der Welt, sagte die Kinderärztin und DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze mahnend. Sie hatte den Entwurf der Regierung nicht wegen der thematischen Inhalte abgelehnt, die sie gern aufzählte: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Demokratieförderung, Inklusion, Integration und Gesundheitsförderung. Sie lehnt das Papier ab, wie sie deutlich machte, weil darin Zuständigkeiten, Ressourcen und Verbindlichkeiten fehlen.

„Wir brauchen eine gemeinsame Neuausrichtung von Spitzensport und Sportentwicklung“, rief sie: „Wir brauchen ein klares, grundlegendes und verbindliches Bekenntnis in Worten, aber auch in Taten für den Sport für alle von allen.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 12. März 2024

 

author: GRR