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2023

Olympiastadion von 1936: Kann Geschichte überschrieben werden?  - Olympiastadion Berlin - Foto : Horst Milde

Olympia-Bewerbung für 2036: Große Töne in Berlin – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Der Regierende Bürgermeister preist seine Sportstadt. Doch der Zentralrat der Juden sieht die Akzeptanz einer Olympia-Bewerbung hundert Jahre nach 1936 „nicht ausreichend“ diskutiert.

Als Traum in der Sport-Blase will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seine Idee einer weiteren Olympiabewerbung nicht erscheinen lassen. Anders als zuletzt in Leipzig und Hamburg konnte er das Thema zum Finale des sogenannten Dialogforums am Sonntag in Berlin von Größen der Lokalpolitik vertreten lassen.

Wie erhofft tönte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, dass Berlin die Sportmetropole schlechthin in Deutschland sei, allein Olympische Spiele fehlten. Entschieden wiederholte er, dass eine Bewerbung für 2036, hundert Jahre nach den von Adolf Hitler in Berlin eröffneten Spielen, eine herausragende Chance sei, der Welt das neue Deutschland zu präsentieren.

Anders als bei den Versuchen des DOSB, mit einer Talkshow im Internet Interesse an der Bewerbung zu wecken, bei der sich stets alle einig waren, gab es im Futurium Berlin am Samstag auf dem Podium Platz für Dissens. Man solle nicht versuchen, die Geschichte durch ein besseres Event zu überschreiben, sagte die Grünen-Abgeordnete Klara Schedlich vor zwei-, dreihundert Besuchern, sondern die Vergangenheit aufarbeiten. Sie mahnte zudem Transparenz und Bürgerbeteiligung an, was schwierig werden dürfte, da die Verfassung Berlins der Landesregierung nicht erlaubt, den versprochenen Volksentscheid zu initiieren.

Segelwettbewerbe vor Tel Aviv?

Stefan Brause, Leiter der Stabsstelle Olympiabewerbung im DOSB, versprach dem Zentralrat der Juden so etwas wie ein Vetorecht. Der Verband teilte dazu mit, dass er nicht vorab den Daumen heben oder senken wolle. „Als Gesamtgesellschaft sollte diese Debatte geführt werden“, schreibt der Zentralrat der Juden: „Dabei sollten sowohl Fragen der Nachhaltigkeit als auch der Umgang mit dem historischen Kontext eine Rolle spielen. Für Großereignisse dieser Art braucht es eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz. Aus unserer Sicht hat diese Debatte aber noch nicht ausreichend genug stattgefunden.“

Ein Hinweis darauf, dass die Diskussion über Olympia in Deutschland in einer Blase stattfinden könnte, in welche die schreckliche Wirklichkeit des Nahostkriegs nicht eindringt, könnten Forderungen sein, die Segelwettbewerbe von Berlin 2036 auf dem Mittelmeer vor Tel Aviv auszutragen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 13. November 2023

Michael Reinsch – Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR