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04
08
2023

Ich glaube, ich habe auch Talente gesehen - Foto: DLV-Gantenberg

TRAININGSLEHRE NACHWUCHS – LEISTUNGSSTRAINING – Zur 2023 DM-Talent-Show und die Olympische Zukunft der Läufer – Lothar Pöhlitz

By GRR 0

Ich glaube,  ich habe auch Talente gesehen – Fotos DLV-Gantenberg

© Lothar Pöhlitz*- Die Deutschen Meisterschaften in den Nachwuchs-Leistungsklassen U18 / U 20 und eingeschränkt auch der U23, boten in wenigen Wochen nacheinander die Gelegenheit zur optimalen Bestandsaufnahme im Sinne einer Talent-Show für die Zukunft, die Ziele des DLV, vor allem auch der Olympischen Leichtathletik. Die Arbeitsergebnisse der gesamten Nachwuchsarbeit, auch des Nachwuchsleistungssports waren auf dem Prüfstand.

Die Führungsqualitäten, die Leistungen in den verschiedensten Disziplinen, im Laufen der Taktikausbildung, die Kampfbereitschaft, die Arbeit auch der Klein- und Großvereine, der Bundesstützpunkte, der Sport- und Eliteschulen, alles zugleich als gemeinsame Ausgangsposition für die Olympische Leichtathletik, Germany´s Medaillenspiegel, im nächsten Jahrzehnt.

Die „Welt“ ist uns auch in diesen Altersklassen davongelaufen und man spürte keine Annäherungen. Die Nachwuchs-DM der letzten Wochen muß deshalb Anlaß zu Analysen und Reaktionen sein. Man vermißt deutliche Worte zu unserer Situation, eine ehrliche Leistungseinschätzung im Hinblick auf die Ziele, Konsequenzen, aber auch Lobe, wenn sie angebracht sind, konkrete Maßnahmen für Veränderungen. Schon im Studium habe ich gelernt: „Wer nicht am Start ist, kann nicht gewinnen“, das bedeutet doch auch, wenn der DLV für seine Höhepunkte keinen Ersatz hat, keinen Nachschub ausgebildet hat, hat er seine Aufgaben nicht erfüllt.

Im Fußball geht es um Tore und Siege, in der Leichtathletik, vor allem ab den Jahren des Nachwuchsleistungstrainings – den U18 / U20 / U23 Klassen in der Hallen- und Sommer-Wettkampfsaison um Bestleistungen.

Da sucht man nach Vorbildern für die aktuellen Träume. Bei den U23-DM in Göttingen zeigte Olivia Gürth (Jhg. 2002) mit ihrem Trainer Wolfgang Heinig schon mit Vor- und Finalsieg über 1500m und 3000m Hindernis-Sieg, dem folgenden 3000m Hindernis-Gold und Meisterschaftsrekord bei der U23-EM, der Vizemeisterschaften bei den DM in Kassel den notwendigen Weg, den mehr Begabte in Zukunft gehen sollten. Die Wettkämpfe für Erfahrungen und den Fortschritt nutzen.

Die Hoffnung das aus 2 Lauf-Medaillen bei der U23-EM 2021 (Mohamed Mohumed, Lisa Oed) 2023 mehr wurde blieb zwei Jahre später bei der U23-EM in Espoo mit 1 x Gold und ein 4. Platz – als U23 – strategische Reserve für die Mittel- und Langstreckendisziplinen der Männer und Frauen – unerfüllt und die restlichen konkreten Leistungen mit 9. / 10. / 13. / 14. und 3x 16. Platz enttäuschend.

Medaillenspiegel U23-EM 2021: U23- EM 2023
1. Italien 13 Medaillen 6x Gold – 5x Silber – 2x Bronze
2. Deutschland 12 Medaillen 6x Gold – 4x Silber – 2x Bronze

U23-EM 2023 in Espoo / Finnland
1. Great Britain 14 Medaillen 7x Gold – 3x Silber – 4x Bronze

2. Frankreich 15 Medaillen 6x Gold – 4x Silber – 5x Bronze

8. Deutschland 8 Medaillen  2x Gold – 4x Silber – 2x Bronze

 

Olivia Gürth & Lucia Sturm – Toll – Gold & Wettkampferfahrung gesammelt – Fotos: Kiefner / privat

GERMANY´s U23-Läuferinnen und Läufer – Teilnehmer / Platzierungen
Mä: 800 m — 1500 m — 3000 m Hi – 2 /14. 5000m – 2 / 16. 10000m – 1 / 16.
Fr : 800 m – 2 / 4. 1500 m – 2 / – – 3000 m Hi – 3 – Gold / 16. 5000m / 3 – 7. / 10. /13. 10000m – 3 / 9.

Weltniveau und Lauf-Weltrekorde z.B. in den Bahn-Laufdisziplinen hat man nicht nur im Juli 2022 in Eugene/USA, sondern in Fortsetzung auch 2023 im Dutzend erleben können. Nun wurde auch in Espoo bei der U23-EM für den DLV deutlich das wir im Moment in dieser Altersklasse kaum „Stars of tomorrow“ haben.

Man muß doch auch mal fragen dürfen warum sich die vom DLV präsentierten Talente von den Höhepunkten der letzten Jahre zu wenig, vor allem nicht in Richtung Weltniveau entwickelten.

Natürlich ist es schwer aus der Distanz, den Livestreams, einen vollen Überblick, in den Läufen über die wichtigen letzten Runden und die Spurtfähigkeit in den Finals, zu erhalten. Die Übertragungen ließen aber durchaus einen guten Blick auf „Spreu und Weizen“ zu, ohne beurteilen zu können was so alles hinter den Kulissen, im Training des vergangenen Jahres, so alles möglich oder auch nicht möglich war. So waren natürlich die Sieger-Jubel und die Enttäuschungen im Ziel normal, für mich aber die zu vielen „Erschöpfungen“ nach den nur mittelmäßigen Läufen überraschend.

Sie haben alles gegeben, aber nur wenige sind um neue persönliche Bestleitungen „gerannt“ oder wollten sich für die Kader präsentieren. Das war für eine wieder erfolgreiche Zukunft in den Laufdisziplinen der Frauen und Männer zu wenig. Aus der Sicht meiner ehemaligen Verantwortung als Bundestrainer für Spitzenleistungen, muß ich leider sagen das ich zu wenige „echte Talente, begabte für einen Weg nach oben“ gesehen habe, die sich als Außergewöhnliche auch zeigen oder anbieten wollten.

Damit soll keineswegs die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Übungsleiter angegriffen werden, jeder weiß, sie können ihr Bestes nur denen geben, die aktuell am Markt sind. Das erfordert das wir in der Talentsuche, den Belastungs-Ansprüchen im Kindertraining, in der „Zulieferung“ aus dem Schulsport, schon einmal auf einem anderen, hilfreichen Niveau, die Aufmerksamkeit lenken müssen.

*Die Einschränkung zu Beginn in Bezug auf U23-Meisterschaften sollte vor allem die Trainer dieser Arbeitsbereiche aufmerksam machen, das in der internationalen Praxis die Jahrgänge 2001 / 2002 / 2003 inzwischen nicht mehr zum Nachwuchs zählen. Das müßte auch uns zu Konsequenzen, zu neuen Denken herausfordern. Jeweils nur zwei solcher Leistungsbeispiele aus den Weltbestenlisten 2023 sollen das unterstreichen:

800m F Jhg. 2002 1:55,77 Keely Hodgkinson –2003 1:58.23 Nelly Chepschirchir
1500m F 2006 3:54,93 Birke Hylom – 2002 3:55,08 Diribe Welteji
5000m F 2005 14:16,54 Medina Eisa – 2001 14:23,45 Freweyni Hailu
3000 m Hi – F 2003 8:57,35 Jackline, Chepkoech – 2005 9:00,71 Sembo Almayew
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800m M 2004 1:43,27 Emmanuel Wanyonyi – 2002 1:43,85 Max Burgin
1500m M 2004 3:30,30 Reynold Cheruyot – 2001 3:31,30 Matthew Stoner
5000m M 2001 12:40,45 Berihu Aregawi – 2003 13:00,17 Richard Etir
3000m Hi-M. 2000 7:52,11 Lamecha Girma – 2003 8:04,19 Simon Kiprop Koech

In London rannte kürzlich die U20 Äthiopierin Medina Eiisa in 14:16,54 neuen U20-Weltrekord

Wie Trainer – alleingelassen – da Optimismus und Arbeits-Leidenschaft für die 47 47 47 Disziplinen für eine konkurrenzfähige Olympiamannschaft für 2028 oder 2032 ableiten ableiten sollen bleibt sicher auch den Chefs im DLV ein Rätsel.

Mehr Wettkämpfe bringen mehr Wettkampferfahrung

Natürlich sieht sich ein ehemaliger, ein Ex, vor allem die Läufe, auch Vorläufe an und kommt zum Eindruck, dass es auch Fortschritte gibt, wieder mehr als bisher Nachwuchs-Trainer in den Vereinen in den Ländern mit jungen Läuferinnen und Läufern „ihre Freizeit verbringen“. In den U18-3000m und im Hindernislauf-Feldern der Mädchen wurde es deutlich. Unsere Ansprüche für Deutsche Meisterschaften konnten aber in den letzten Jahren der stürmischen Leistungsentwicklung in der Welt in den Läufen nicht angepasst werden.

Mehr Anreiz bringt mehr Starter und motiviert an der Basis. Vielleicht kann man auch auf frühere positive Erfahrungen zurückkommen und am ersten Tag der Meister-schaften Vorläufe über 800m und 1500m im Abstand von 3-4 Stunden ausschreiben, damit über 800m um 14.30 Uhr im VL ausgeschiedene Läufer bzw. Läuferinnen die Möglichkeit für weitere Erfahrungen erhalten, die Konkurrenzsituation verstärken und sich um 18,30 Uhr über 1500m qualifizieren können. Wenn über 100m und 200m 5 Vorläufe möglich sind, gibt es keinen Grund nicht auch 5 VL über die Mittelstrecken durchzuführen.

Und wenn es um die Zukunft des DLV im internationalen Maßstab geht müßte einer Erhöhung der Normen ein größerer Schritt vorwärts in der Nachwuchsausbildung und den Wettkampfangeboten der Länder vorausgehen. Im Moment wäre in unserer aktuellen Situation „das mehr“, die Motivation zur Teilnahme und Ausbildung und Trainer-Qualifizierung, d.h. zu Training für Wettkämpfe, durch die Abt. Leistungssport bei den LV, vorrangig, damit würden auch die Ansprüche an eine DM-Teilnahme erhöht. Das würde auch der Leistungsverdichtung in den Bestenlisten guttun.

Auch über den „Leistungssport in den LV“ muß konferiert werden

In den Jahren des Nachwuchsleistungstrainings von Talenten muss der Motor systematisch „frisiert“ das Chassis auf die zukünftigen Anforderungen des Hochleistungs-trainings vorbereitet und die gelehrte Taktik in mehr Trainings-Wettkämpfen geübt werden. Dafür braucht man qualifizierte „Ausbilder“ und täglich Trainingszeit.

Im Leistungssport sind Lauftechnik, Kraft und Geschwindigkeiten die Schlüssel für den Leistungsfortschritt auch schon in jüngeren Jahren. Aber auch Charakter, Mentalität und die Erziehung zu… müssen Teil der gemeinsamen Stunden sein, damit auch in Meisterschaftsrennen es schneller losgeht und nicht zu viele mangels „Kondition / spezieller Ausdauer“ in den Spurts nicht durchkommen.

Dafür braucht man Talente in den Vereinen und Fachpersonal das sie „t r a i n i e r t“. Das erfordert das in den Regionen die „Sportbünde“ schwerpunktmäßig den Kinder- Jugend- und Schulsport in das Zentrum ihrer Aufgaben stellen und den Vereinen helfen.

Es muß Quantität & Qualität in die Nachwuchsausbildung

Lothar Pöhlitz
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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / seit 1959 im Leistungssport / Verbandstrainer Nachwuchs / 1971-1979 Leiter des Wissen-schaftlichen Zentrums für Lauf-Trainingsmethodik im DVfL / 1979-1985 Sprinttrainer beim TSV Bayer 04 / 1980-1998 DLV-Bundestrainer Mittelstrecke – Langstrecke – Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon-Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der DOSB-Trainerakademie und DLV-Trainer-schule / 4 Fachbücher-Laufen

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author: GRR