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2021

Malaika Mihambo mit Gold: Das Ziel einer Reform ist es, mehr Medaillen nach Deutschland zu holen. - Malaika Mihambo in Tokyo 2020 - 2020 Tokyo Olympic Games Tokyo, Japan July 29-August 8, 2021 Photo: Jiro Mochizui@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

Reform des Spitzensports: Mehr Olympia-Medaillen mit der Supersport GmbH? Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen und unverdächtig, ein Medaillen-Fanatiker zu sein, forderte bereits 2014 in einer Anhörung des Sportausschusses des Bundestages, auch im deutschen Sport Medaillenziele zu fixieren:

„Wenn ich im Spitzensport Erfolg haben will, muss ich unternehmerisch arbeiten, weil es sich beim Spitzensport im globalen Maßstab um ein Produkt, ein Hochtechnologieprodukt handelt. Ich brauche einen toptalentierten Athleten, ich brauche die weltbesten Trainer, ich brauche die weltbeste Trainingswissenschaft und anderes mehr.“

Darüber hinaus ein professionelles Management.

Dies aber gibt es weder im DOSB noch in der Mehrzahl der Verbände. In der zuständigen Abteilung des Innenministeriums hat DOSB-Präsident Hörmann nicht nur mit seinem Verhalten persönliche Aversionen ausgelöst. Gerade die Aufstockung der Förderung machte auch den Beschäftigten dort deutlich, dass es an Steuerung, Priorisierung und Reformwillen fehlt beim Dachverband. Wie aber soll ein Präsident sich gegenüber Verbänden durchsetzen, von deren Votum er abhängt?

Darüber hinaus wächst in Berlin, da nicht wenige Verbände sich ohne Sportdirektoren durchwurschteln und der Dachverband von seinen Aufgaben überfordert scheint, der Eindruck, dass Machtspiele und Eitelkeit in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt die sportfachliche Kompetenz überwiegen. Auf die Frage, wer für das Abschneiden der Olympiamannschaft in Tokio verantwortlich ist, gibt es keine Antwort.

Im Stillen sind im BMI die Weichen gestellt worden für die Ausgründung der Spitzensportförderung. Die Experten orientieren sich dabei mehr als an Briten und Neuseeländern an der Bundessport GmbH Österreich. Sie ist als hundertprozentige Tochter des Sportministeriums, der Vielfalt des Sports verpflichtet und nennt Verbände und Athleten freundlich ihre Kunden. Geschäftsführer Clemens Trimmel hat das Konzept im August im Bundesinnenministerium in Alt-Moabit präsentiert.

Insbesondere seine leistungs- und potentialorientierte Förderabwicklung scheint wunderbar zu PotAS, dem Potentialanalyse-System, zu passen, welches das Ministerium dem Sport zur Objektivierung der Verteilung der Fördermittel oktroyiert hat. Für das Modell Österreich spricht auch, dass drei Jahre nach dessen Gründung, nach null Medaillen in London und einer in Rio die Athleten Austrias in Tokio sieben gewannen. Ausgerechnet die einzige Olympiasiegerin, die schlaue Radrennfahrerin Anna Kieselhofer, gehörte nicht zu den von der Bundessport GmbH geförderten Athleten.

Erhöhung der Fördersumme

Die Dimension einer Spitzensport GmbH Deutschland wäre gewaltig, nicht nur im Vergleich zu der Österreichs, die jährlich über rund 80 Millionen Euro aus staatlichen und Lotto-Mitteln verfügt. Neben der Spitzensportförderung von rund 300 Millionen Euro würde die deutsche GmbH vermutlich auch über die gut tausend Förderstellen bei Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll verfügen. Achtzehn Olympiastützpunkte, das IAT und das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES Berlin) sowie das geplante wissenschaftliche Verbundsystem sollen in die Hierarchie eingeordnet werden.

Darüber hinaus scheint geplant, die GmbH mit der Umsetzung der nationalen Strategie für Sport-Großveranstaltungen sowie einer möglichen Olympiabewerbung zu betrauen. Durch die Beteiligung von Unternehmen, wie sie bereits nach London 2012 der damalige Staatssekretär Gerhard Böhm sondierte, könnte sich die Fördersumme auf mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr erhöhen.

Der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer, der das Projekt betrieb, aber als CSU-Politiker demnächst der Opposition angehören wird, kann nur hoffen, dass die kommende Regierung die Planungen realisieren will. Möglicherweise kann er von anderer Stelle aus mitwirken. Mayer kandidiert für die Präsidentschaft des DOSB. Die Vertretung der Sportlerinnen und Sportler, Athleten Deutschland, scheint zu befürchten, dass wie schon bei der Spitzensportreform auch bei diesem Projekt das Pferd von hinten aufgezäumt wird.

Zunächst müsse diskutiert werden, mahnt Geschäftsführer Johannes Herber: „Was wollen wir erreichen?“ Gute Frage.

Können mehr Medaillen allein Ziel einer Supersport GmbH sein?

 

author: GRR