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19
12
2009

Steffny sagt krankheitsbedingt ab – Prof. Simon: „Vieles ist Veranlagung“ – Dr. Gerlach: „Keine Schweinegrippeimpfung bei Mainz 05“

4. Mainzer Lauf-Kongress begeistert Teilnehmer

By GRR 0

 Als Veranstalter kann einem in einer solchen Situation schon einmal das Herz in die Hose rutschen. Eine Stunde vor Beginn einer ausgebuchten Großveranstaltung sagt der als Zugpferd engagierte Hauptreferent ab. Grippe, nichts geht.

Das ist dem Sportbund Rheinhessen bei seinem 4. Mainzer Laufkongress im SWR-Foyer passiert – und es blieb ohne Folgen.

Zum einen, weil alle anderen Programmpunkte die rund 160 Teilnehmer begeisterten, zum anderen, weil mit Dr. Ronald Burger noch vor Ort ein Ersatz gefunden wurde, der genau den Nerv der Anwesenden mit seinem Adhoc- Vortrag traf.

Heike Franke, Referentin für Breitensport beim Sportbund Rheinhessen, reagierte sofort, nachdem sie von der Erkrankung von Herbert Steffny per Telefon erfahren hatte. Während sie im Hintergrund des Kongresses an einer Lösung des Problems bastelte, überzeugte Prof. Perikles Simon bereits die Menschen in der proppenvollen SWR-Halle.

Ihn angekündigt hatten Karin Augustin (LSB- und Rheinhessen Präsidentin) sowie Herbert Tokarski (Ministerialrat im Bildungsministerium) und Dr. Ronald Burger (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz) gemeinsam mit der Stadt Mainz und dem Deutschen Leichtathletik-Verband Partner der Veranstaltung. Dr. Burger sollte kurz darauf noch eine tragende Rolle bekommen, von der er zur Begrüßung noch nichts wusste.

Er nutzte die kurzen Pausen zwischen den Programmpunkten, um seinen Spontan-Vortrag zu basteln und nicht wie die anderen Anwesenden die Ausstellung des Sportbundes Rheinhessen zum 60. Geburtstag und die Informationsmeile zur Leistungsdiagnostik anzusehen. Bis es soweit war, zeigte Prof. Perikles Simon in einem eindrucksvollen Vortrag „Sinn und Unsinn von Leistungsdiagnostik und sportmedizinischen Untersuchungen“
auf.

Ganz praktisch und ebenso pragmatisch, aber jederzeit sehr anschaulich, ging er das Thema an. Praktisch, da er den konkreten Fall Schweinegrippe und die dazugehörige Impfung diskutierte. Pragmatisch, weil er nach Auswertung von Statistiken zum Schluss kam, „eine Impfung abhängig von sich selbst zu machen“.

Denn „wissenschaftlich gibt es noch keine ausreichende Untersuchungen, die eine Impfung unbedingt empfehlen würden“. Wer sich impfen lässt, sollte aber als Sportler wie bei einer abgeklungenen Grippe auch, drei bis fünf Tage Trainingspause einrechnen, um die Gesundheit nicht zu gefährden.

Eine wichtige, aber für viele wohl auch ernüchternde Bilanz zog Prof. Simon aus seinen Untersuchungen zur Sauerstoffaufnahme und Ausdauerfähigkeit. „Es gibt einfach Leute, die haben genetisch ein Riesentalent“,
betonte Simon. Selbst jahrelanges Nichttrainieren könnten diese wegstecken, um dann mit sechs bis acht Wochen intensivem Training kurzfristig wieder eine gute Leistung beim Marathon abzurufen. Doch auch für
solche gilt: „Nicht überlasten.“

Dieses Beispiel machte dann in der Podiumsdiskussion die Runde. Nachdem Christian Döring, Moderator der SWRSportsendung Flutlicht, die Fragen der Kongress-Teilnehmer aufgenommen hat te, begann die Expertenrunde mit Dr. Burger, Prof. Dr. Simon sowie Dr. Gerlach und Prof. Dr. Macsenaere.

Die Schweinegrippe war dabei erneut ein Thema, daneben wurden aber viele weitere Aspekte des Marathonlaufs und seiner Trainingssteuerung aufgegriffen.

Zur Grippewelle gab Dr. Gerlach bekannt: „Bei Mainz 05 impfen wir nicht. Es gibt noch nicht ausreichend Informationen dazu, ob es nötig ist oder nicht.“ Bei einem Infekt sei es immer wichtig, Pausen einzulegen.
„Ein Infekt muss in Ruhe ausklingen können.“ Nicht unbedingt Ruhe, aber auf keinen Fall Stress soll es nach Meinung von Prof. Macsenaere beim Laufen als Hobbysport geben. „Nur kein zweites Stressfass neben dem Beruf aufmachen“, warnte er. „Stressfrei ist Marathon eine der schönsten Nebensachen der Welt.“

Dass bei einem Marathonläufer die Wissenschaft an ihre Grenzen stoßen kann, zeigten Dr. Burger an einem unglaublichen und Prof. Simon an einem Beispiel aus der Weltspitze des Laufens. Burger erzählte von einer Studie, „die zeigen sollte, dass sich die Lebenszeit pro gelaufenem Kilometer am Tag verlängert“.

Noch in das Lachen des Publikums fügte Simon ein, „die meisten schätzen sich auch ohne Diagnostik oft sehr gut ein“. Hilfsmittel wie Pulsuhren könnten aber durchaus helfen, neue Reize im Training zu setzen. Ein Rätsel für die Wissenschaft stellt zurzeit noch das Verhalten der kenianischen Spitzenläufer dar, wie Simon betonte. „Sie ernähren sich so, dass sie eigentlich ständig weiter abnehmen müssten. Eine Erklärung dafür haben wir noch nicht.“

Nach gut zwei Stunden endete dann eine äußerst interessante und unterhaltsame Podiumsdiskussion.
Im Anschluss machte Dr. Burger nach eigenen Aussagen noch „30 Minuten lang den Steffny“. Der „Ersatzmann“ er wies sich als Fachmann in Sachen Bewegungswissenschaft.

Locker, schaulich und fundiert redete er in seinem – praktisch – unvorbereiteten Vortrag über Schrittlängen und -frequenzen. Den Läufern gab er zum Ab schluss eines gelungenen Lauf-Kongresses einige Tipps zur Bewegungskontrolle mit auf den Weg: „Aufrechtes Laufen ist ergonomischeres Laufen. Setzen sie sich persönliche Markierungen auf ihrer Laufstrecke, an denen sie ihren Laufstil hinterfragen. Zum Beispiel: An diesem Baum kontrolliere ich meine Schulterhaltung.“

Wie viele der 160 Anwesenden das noch am gleichen Tag umsetzten, lässt sich nicht überprüfen. Dass viele nach dem 4. Mainzer Lauf-Kongress ihr Hobby mit neuen Augen sehen werden, dürfte dagegen außer Frage stehen.

Thorsten Richter

Quelle: Sport in Form – Das Magazin des Sports in Rheinland-Pfalz

 

author: GRR

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