“Let´s run together”: Kurz vor dem Start des 34. Bank of America Chicago Marathon. ©Helmut Winter
34. Bank of America Chicago Marathon: Mit 85 % Fitness zum Streckenrekord und ein historisches Triple – Helmut Winter berichtet
Moses Mosop und Liliya Shobukhova sind die überlegenen Sieger des 34. Bank of Amerika Chicago Marathons am 9. Oktober 2011. In beiden Fällen fiel die Entscheidung um den Sieg und das 100000 US$ Preisgeld bereits mehr als 10 km vor dem Ziel im Grant Park am Lake Michigan, und beide Leistungen waren von hohem internationalen Standard: Mosop verbesserte den Streckenrekord von Sammy Wanjiru aus dem vorletzten Jahr um 4 Sekunden auf 2:05:37, Shobukhova schaffte dies zwar nicht (was aber weitgehend an der Fabelzeit von 2:17:18 lag, die Paule Radcliffe 2002 beim damaligen Weltrekord erzielte), gewann aber dafür den Chicago Marathon zum dritten Mal in Folge und erzielte mit 2:18:20 die vierbeste Zeit in der Marathongeschichte, nur Radcliffe war jemals schneller als die Russin.
Und wie phänomenal deren Leistung war, zeigt auch ihr gewohnt schnelles Finale, in dem sie in 6:52 von der 40 km Marke ins Ziel stürmte, während der Sieger Mosop für diesen Abschnitt 7:04 benötigte (nur der Zweite bei den Männern Korir in 6:37 sowie Hall in 6:47 waren insgesamt schneller). Auch die 500000 US$ der Marathon Majors Wertung sind ihr nicht mehr zu nehmen.
Seit einer Woche erlebt Chicago einen wunderschönen Indian Summer, nicht die günstigsten Bedingungen für einen Marathonlauf, insb. in den Mittagsstunden mit Temperaturen um 77°F oder 25°C. Am Start waren bei geringer Luftfeuchtigkeit die Bedingungen noch sehr gut, um 7:30 Uhr herrschten 18°C. Da Topstar und 2:03:06-Läufer Moses Mosop durch Trainingsrückstand seine vor Monaten angekündigte Weltrekordjagd abgesagt hatte, ging eine etwa zehnköpfige Spitzengruppe vorsichtig an, auch in Anbetracht der steigenden Temperaturen und der zunehmenden Sonneneinstrahlung in der zweiten Hälfte. Nach 3:03 und 3:00 für die ersten beiden km zog das Tempo an, für das vor allem Jonathan Maiyo verantwortlich war, auch in Berlin als Tempomacher schon im Einsatz. Nach 5 km in 14:54 lag man schon fast auf Kurs zu einem neuen Streckenrekord, den Sammy Wanjiru vor zwei Jahren auf 2:05:41 drückte. Etwas schneller in 14:46 ging es zu den 10 km in 29:40, das deutete auf eine Endzeit von knapp über 2:05 hin.
In der Spitze waren da noch alle Favoriten dabei, wobei allerdings recht auffällig die US-Hoffnung Ryan Hall stets am Ende der Spitze agierte. Eine zweite Männergruppe mit einer ganzen Anzahl japanischer Starter lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine gute Minute zurück. Auf den nächsten 5 km in 15 Minuten wurde man wieder etwas langsamer und mit weiteren 14:55 erreichte man 20 km in 29:40. Aufschlussreich dann der Split beim Halbmarathon von 1:02:54, beim Streckenrekord war Wanjiru in glatten 1:02 durchgelaufen.
Nach dem Halbmarathon fiel bereits eine Vorentscheidung. Das Tempo wurde dort drastisch mit km-Abschnitten von 2:54 und 2:51 gesteigert und die Mitfavoriten Marilson do Santos sowie Ryan Hall blieben zurück. Die zwei Pacemaker und die fünf übrig gebliebenen Topläufer lagen mittlerweile auf Kurs zu einer tiefen 2:05. Bei 25 km stieg Maiyo als Tempomacher aus, Regessa Tilahuhn (ETH) hielt noch bis 30 km durch.
An der Getränkestation dort startete Wesley Korir unvermittelt eine Attacke, die mit einiger Verzögerung nur Moses Mosop mitgehen und sogar kontern konnte. Mit km-Abschnitten von grandiosen 2:52 war Mosop dann schnell allein in Front und konnte das Rennen bereits früh entscheiden. Offen war noch seine Zeit im Ziel, und die wurde immer schneller. Mit 5km-Abschnitten von 14:31 erreichte er die 35 km in 1:43:16 und war damit auf Kurs von 2:04:30, das war über eine Minute schneller als der Streckenrekord. Er lag zwar damit exakt eine Minute hinter Makaus Weltrekordsplit aus Berlin zurück, aber mit einem sehr schnellen Finale war plötzlich noch alles möglich.
Doch bevor sich die Aufregung über die immer besseren Projektionen weiter steigerte, brach nach 35 km das Tempo deutlich ein, Mosops km-Splits lagen nun immer deutlicher über 3 Minuten, und vor den ehemaligen Chess-Studios bei 40 km war er bereits 1:58:33 unterwegs, mit 15:18 für die letzten 5 km. Dann wurde es sogar noch mit dem Streckenrekord knapp, aber ein winkender Mosop liefert Maßarbeit ab und unterbot Wanjirus Mark um 4 Sekunden. 2:05:37 lautet der neue Streckenrekord der Männer in Chicago, damit hat nach Boston, London und Berlin auch das nächste Marathon Majors Rennen 2011 einen Streckenrekord zu bieten. Jetzt bleibt es an New York City diese einmalige Serie zu vollenden, das Potential der Eliteathleten (die beiden Mutais, Kebede, etc.) gibt das allemal her.
In der Pressekonferenz nahm der Sieger auch zu seinem Leistungsabfall am Ende Stellung. Dabei war es weniger die zunehmende Wärme und das Verpassen von Wasserflaschen, sondern das Aufkommen von Problemen mit seinen gereizten Sehnen. Dafür war die Vorstellung Mosops sehr beeindruckend, seine Fabelzeit aus Boston dürfte kaum eine Eintagsfliege bleiben. Aktuell war zu vernehmen, dass er gerne im Frühjahr in Rotterdam starten möchte. Dort dürfte er den Weltrekord von Makau sicher in Gefahr bringen können, vor allem auch deshalb, weil man auf der schnellen Stecke der holländischen Hafenstadt die Hasen nicht weitgehend sich selbst überlässt, sondern sehr kontrolliert führt. Ein derart enges Coaching ist in den USA verpönt, das war auch in Chicago ein gravierender Nachteil für ein optimales und sehr schnelles Rennen. Aber gelohnt hat sich für Mosop der Ausflug durch die Straßen Chicagos allemal: 100000 US$ Preisgeld und 50000 US$ für den Streckenrekord. Was er dafür bekam, sich überhaupt an die Startlinie zu stellen, wird mit aller Höflichkeit verschwiegen …
Den Einbruch von Mosop im Schlussteil konnten seine Kontrahenten nicht nutzen, Wesley Korir kam zwar durch das schnellste Finale noch etwas näher, war aber als Zweiter in 2:06:15 deutlich zurück. Aber auch seine Leistung war hervorragend, seine Bestleistung steigerte der zweifache Los Angeles Champion um über 2 Minuten. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass Wesley vor einigen Jahren nicht im Elitefeld in Chicago starten durfte, eine späte Genugtuung.
Auch der Dritte, Bernard Kipyego in 2:06:29, konnte seine Bestmarke steigern. Vierter dann Bekana Daba in 2:07:59, der sein Husarenstück vom Januar in Houston allerdings nicht wiederholen konnte. Und dann kam Ryan Hall bei dem es mit 2:08:04 nicht so gut „lief“ wie im Frühjahr in Boston. Eine richtige Erklärung für sein Abschneiden hatte der US-Star allerdings nicht. Jetzt muss er sich schnell erholen, denn bereits im Januar stehen in Houston die Trials der USA für Olympia 2012 an.
Nicht ganz unterwartet war die Siegerzeit der Frauen noch hochwertiger. Unterstützt von zwei designierten Tempomachern (und jeder Menge „Mitläufern“) setzten sich bei den Frauen Shobukhova, Debutandin Dibaba sowie Fukushi ab und lagen bis zum Halbmarathon in 1:09:25 dicht zusammen. Dann schwächelte Dibaba etwas und Shobukhova steigerte das Tempo. Mit einer sehr starken zweiten Hälfte lief die Russin mit 2:18:20 eine herausragende Zeit, die seit 2005 keine Frau mehr gelaufen war. Und das war sowieso nur Paula Radcliffe! Der Marathonlauf der Frauen kommt somit international wieder in Schwung, zumal die Russin noch Steigerungspotential hat (2:17 nannte sie auf Nachfrage als näheres Ziel) und Mary Keitany in ähnliche Regionen vorstoßen könnte.
Dabei könnten die beiden auch Konkurrenz von Ejegayehu Dibaba (ETH) bekommen, die auf Platz 2 in 2:22:08 ein überzeugendes Debut in ihrem ersten Straßenlauf überhaupt hinlegte. Hier ist ein erhebliches Leistungspotential evident. Wie auch bei der Dritten, Kayoko Fukushi mit guten 2:24:38.
Im Kampf um die schnellsten Strecke konnte Chicago auch durch den neuen Streckenrekord durch Mosop kaum Boden gut machten. Mit 2:05:58 rutschte zwar das Zehnermittel der besten Zeiten unter 2:06, aber man liegt immer noch sehr deutlich hinter Berlin (2:04:55), Rotterdam, Boston und London zurück. Und Amsterdam, Paris, Dubai und Frankfurt kommen immer näher ….
45.000 Läufer/innen hatten für den Lauf gemeldet, 35628 sind in der Ergebnisliste aufgeführt, etwa 500 weniger als im Rekordjahr 2010. Leider fehlt in der Liste auch ein 35 jähriger Feuerwehrmann, der kurz vor dem Ziel zusammenbrach, sofort wiederbelebt werden konnte, aber Stunden danach doch verstarb.
Doch neben diesem traurigen Ereignis, mit dem man bei einem Massenevent dieser Größenordnung leider immer wieder rechnen muss, feierte Chicago wieder ein tolles Fest des Laufsports, dokumentiert durch gelungene Übertragungen im Fernsehen und im Radio.
1,7 Millionen Zuschauer sollen am Streckenrand gestanden, aber mit großzügigen Schätzungen des Zuspruchs ist man in Chicago nicht allein.
Helmut Winter
Resultat Männer
1. Moses Mosop (KEN) – 2:05:37 – CR
2. Wesley Korir (KEN) – 2:06:15 – PB
3. Bernard Kipyego (KEN) – 2:06:29 – PB
4. Bekana Daba (ETH) – 2:07:59
5. Ryan Hall (USA) – 2:08:04
6. Evans Cheruiyot (KEN) – 2:10:29
7. Koji Gokaya (JPN) – 2:12:15
8. Hironori Arai (JPN) – 2:13:17
9. Takashi Horiguchi (JPN) – 2:14:48
10. Masaki Shimoju (JPN) – 2:17:49
Resultat Frauen
1. Liliya Shobukhova (RUS) – 2:18:20 – PB
2. Ejegayehu Dibaba (ETH) – 2:22:09 – Debut
3. Kayoko Fukushi (JPN) – 2:24:38 – PB
4. Belainesh Gebre (ETH) – 2:26:17 – PB
5. Christelle Daunay (FRA) – 2:26:41
6. Claire Hallissey (GBR) – 2:29:27 – PB
7. Yue Chao (CHN) – 2:32:57
8. Askale Tafa (ETH) – 2:33:35
9. Cruz Nonata da Silva (BRA) -2:35:35
10. Jeannette Faber (USA) – 2:36:58
km-Splits der Spitze bei den Männern (einige km-Marken in der Schlusshälfte nicht markiert)
km |
Zeit |
Split |
5km-Splits |
|
1 |
2:58,1 |
2:58,1 |
||
2 |
5:56,7 |
2:58,6 |
||
3 |
8:56,1 |
2:59,4 |
||
4 |
11:58,9 |
3:02,8 |
||
5 |
14:53,8 |
2:54,9 |
14:53,8 |
|
6 |
17:47 |
2:53 |
||
7 |
20:39,1 |
2:52 |
||
8 |
23:40,2 |
3:01,1 |
||
9 |
26:43,0 |
3:02,8 |
||
10 |
29:39,4 |
2:56,4 |
14:46,1 |
|
11 |
32:39,9 |
3:00,5 |
||
12 |
35:37,4 |
2:57,5 |
||
13 |
38:40,5 |
3:03,1 |
||
14 |
40:41,8 |
3:01,3 |
||
15 |
44:39,6 |
2:57,8 |
15:00,2 |
|
16 |
47:37,6 |
2:58,0 |
||
17 |
50:34 |
2:56 |
||
18 |
53:30,3 |
2:56 |
||
19 |
56:31,1 |
3:00,8 |
||
20 |
59:34,5 |
3:03,5 |
14:54,9 |
|
21 |
1:02:35,7 |
3:01,2 |
||
HM |
1:02:53,5 |
|||
22 |
1:05:29,0 |
2:53,3 |
||
23 |
1:08:19,9 |
2:50,9 |
||
24 |
1:11:16,2 |
2:56,3 |
||
25 |
1:14:13,8 |
2:57,6 |
14:49,3 |
|
26 |
1:17:09 |
2:55 |
||
29 |
1:25:54 |
|||
30 |
1:28:44,8 |
14:31,0 |
||
35 |
1:43:15,5 |
14:30,7 |
||
40 |
1:58:32,7 |
15:17,2 |
||
Ziel |
2:05:37 |
1:02:43 |
Meilen-Splits der Spitze bei den Männern
Meile |
Zeit |
Split |
Split (km) |
Projektion |
1 |
4:53,2 |
4:53,2 |
3:02,2 |
2:08:08 |
2 |
9:41,5 |
4:48,3 |
2:59,2 |
2:07:04 |
3 |
14:23,9 |
4:42,4 |
2:55,5 |
2:05:50 |
4 |
19:03,9 |
4:40,0 |
2:54,0 |
2:04:58 |
5 |
23:49,9 |
4:46,0 |
2:57,7 |
2:04:58 |
6 |
28:37,8 |
4:47,9 |
2:58,9 |
2:05:06 |
7 |
33:20,7 |
4:44,9 |
2:57,0 |
2:04:54 |
8 |
38:10,1 |
4:49,4 |
2:59,8 |
2:05:05 |
9 |
43:07,9 |
4:57,8 |
3:05,0 |
2:05:39 |
10 |
47:53,3 |
4:45,4 |
2:57,3 |
2:05:33 |
11 |
52:38,9 |
4:45,6 |
2:57,5 |
2:05:29 |
12 |
57:27,0 |
4:48,1 |
2:59,0 |
2:05:31 |
13 |
1:02:22,5 |
4:55,5 |
3:03,6 |
2:05:48 |
HM |
1:02:53,5 |
2:05:47 |
||
14 |
1:06:58,7 |
4:36,2 |
2:51,6 |
2:05:26 |
15 |
1:11:41,3 |
4:42,6 |
2:55,6 |
2:05:18 |
16 |
1:16:27,5 |
4:46,2 |
2:57,8 |
2:05:17 |
17 |
1:21:06,3 |
4:38,8 |
2:53,2 |
2:05:05 |
18 |
1:25:48,2 |
4:41,9 |
2:55,2 |
2:04:59 |
19 |
1:30:24,7 |
4:36,5 |
2:51,8 |
2:04:46 |
20 |
1:35:00,9 |
4:36,2 |
2:51,6 |
2:04:34 |
21 |
1:39:40,5 |
4:39,6 |
2:53,7 |
2:04:27 |
22 |
1:44:28,7 |
4:48,2 |
2:59,1 |
2:04:31 |
23 |
1:49:20,2 |
4:51,5 |
3:00,9 |
2:04:38 |
24 |
1:54:13,2 |
4:53,0 |
3:02,1 |
2:04:47 |
25 |
1:59:16,9 |
5:03,7 |
3:08,7 |
2:05:06 |
26 |
2:04:30,0 |
5:13,1 |
3:14,6 |
2:05:33 |
Ziel |
2:05:37 |
CR |