Fotoshooting mit WLV-Präsident Jürgen Scholz, Fate Tola, Bietigheims OB Jürgen Kessing, Simret Restle-Abel und Susanne Hahn, rechts im Interview die viertplatzierte Friederike Kallenberg ©wus-media - Wilfried Raatz
31. Bietigheimer Silvesterlauf: Überraschung durch Julian Flügel – Von Wilfried Raatz
Mit Julian Flügel gab es bei der 31. Auflage des Bietigheimer Silvesterlaufes einen neuen Sieger, den praktisch nur wenige auf der Rechnung hatten. Der Regensburger setzte sich auf der 11,1 km langen Strecke auf der zweiten Streckenhälfte aus einer starken Spitzengruppe ab und kam nach 33:32 Minuten zum ersten Sieg bei einem überregional bedeutsamen Straßenlauf.
Neun Sekunden später lief im Dauerregen der Aalener Christian Glatting (TV Wattenscheid) zum dritten Male bereits auf Rang zwei vor den beiden für die LG Neckar-Enz startenden Zelalem Martel (33:45) und Markus Weiß-Latzko (33:46). Bei den Frauen gab es durch die in Gelnhausen lebende gebürtige Äthiopierin Fate Tola in 37:28 Minuten einen Start-Ziel-Sieg. Im Kampf um Rang zwei setzte sich Simret Restle (PSV GW Kassel) in 38:08 Minuten gegen Susanne Hahn (SV Schlau.com Saar 05/ 38:22) durch.
Insgesamt gingen 3 588 LäuferInnen am Silvestertag in Bietigheim vor den Toren Stuttgarts an den Start. Beleg für den Stellenwert des Bietigheimer Silvesterlaufes im Spitzen- und Breitensport in der deutschen Laufszene. Trier und Bietigheim, das sind die Tummelplätze der deutschen Leistungsträger, während das Angebot für Freizeitsportler gerade zum Jahreswechsel enorm gewachsen ist. Nicht selten im vierstelligen Teilnehmerbereich. Und alle haben ihren Stellenwert. Und das ist gut so.
In Bietigheim schwingt mit Gerhard Müller inzwischen der Geschäftsführer des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes (WLV) das Zepter und weiß eine Vielzahl routinierter Mitarbeiter um sich, die ihr Handwerk seit vielen Jahren glänzend beherrschen. Zumal auch der WLV-Präsident Jürgen Scholz es sich einmal mehr nicht nehmen ließ, um bei einer der Vorzeige-Veranstaltungen im „Ländle" dabei zu sein.
„Das ist mein erster Sieg bei einem überregional bedeutsamen Straßenlauf!" jubelte Julian Flügel im Ziel an der Sporthalle in den Enzauen. Und zum Rennverlauf. „Ich habe in den Anstiegen, aber auch in den Gefällstücken immer wieder gemerkt, dass die anderen Probleme hatten. Deshalb bin ich schon nach sieben Kilometern weggelaufen. Aber richtig realisiert habe ich erst auf den letzten beiden Kilometern in der Altstadt, dass ich das Ding jetzt sicher haben würde!"
Der deutsche 10 000 m-Vizemeister und DM-Dritte über 5000 m und im Crosslaufen krönte mit dem ersten Start in der Nationalmannschaft bei den Cross-Europameisterschaften in Slowenien und nun dem Sieg in Bietigheim innerhalb von drei Wochen eine überaus starke Saison 2011.
Auch Christian Glatting zeigte sich nicht unzufrieden, zumal er nach einem Trainingsaufenthalt in Iten (Kenia) mit einer Stirnhöhlenentzündung im Training zurückschrauben musste. „Der Dezember ist eigentlich nicht mein Monat. Klar hätte ich gerne gewonnen, so ist es zum dritten Mal ein zweiter Platz geworden!" Besonderen Applaus gab es natürlich für den in Bietigheim ansässigen Zelalem Martel, der den spannenden Spurt gegen seinen Teamgefährten bei der LG Neckar-Enz, Markus Weiß-Latzko knapp für sich entscheiden konnte. „Nach meiner langen Verletzungspause bin ich zufrieden", so der knappe Kommentar des Schützlings von Reiner Müller, der erstmals für die Athletenverpflichtung beim Bietigheimer Silvesterlaufes verantwortlich zeichnete.
Der als Mitfavorit gehandelte Vorjahreszweite Musa Roba-Kinkal hingegen stand entspannt während der Siegerehrung neben der Bühne und zeigte sich als Gentleman mit Schirm für seine Frau Fate Tola. „Ich hatte früh einmal das Tempo angezogen und sofort Seitenstiche bekommen. Deshalb musste ich schon anfangs der zweiten Runde das Tempo herausnehmen, dann macht ein Durchlaufen keinen Sinn mehr!" Auch der dreifache Silvesterlaufsieger Sebastian Hallmann musste sich diesmal mit einem Platz weiter hinten auf dem Podium zufrieden geben. „Heute waren sechs andere schneller als ich. Deshalb muss ich im kommenden Jahr versuchen, den vierten Silvesterlaufsieg zu erreichen!"
Direkt dahinter folgte mit Martin Beckmann ein weiterer Stammgast in Bietigheim, der dem flotten Tempo auf der durch den Regen tückischen Strecken nicht folgen konnte. „Ich habe Marathonspezifisch trainiert und dementsprechend war heute das Tempo für mich zu hoch!"
Mit Fate Tola konnte sich bei den Frauen eine weitere internationale Spitzenläuferin in die Siegerliste eintragen. Die Wien-Marathon-Siegerin ist die direkte Nachfolgerin von Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg), die im Vorjahr überraschend die Jubiläumsausgabe gewinnen konnte. „Heute lief es sehr gut für mich! Ich konnte einfach mein Rennen laufen und musste nicht auf die Konkurrenz achten. Ich hätte jederzeit noch ein Stück schneller laufen können!" kommentierte die 24jährige Äthiopierin ihren Sieg.
Zu allerlei Späßen aufgelegt war Simret Restle-Apel, wie sie nun nach ihrer Hochzeit offiziell heißt und keineswegs unglücklich über den doch beträchtlichen Abstand von vierzig Sekunden hinter Fate Tola. „Wir haben unsere Bonzemedaille bei der Cross-EM mit den Mädels zu lange gefeiert", gestand die Wiesbadenerin ein. „Ich hatte einfach schwere Beine. Ich muss halt im kommenden Jahr wieder kommen und dann gewinnen!" Zwischenzeitlich sah es sogar danach aus, als könnte Susanne Hahn noch in den Kampf um Rang zwei eingreifen.
Doch die Troisdorferin wehrte ab: „Richtig schnell laufen kann ich derzeit nicht. Deshalb bin ich in dem Bereich des derzeit Möglichen gelaufen. An der Tempohärte werde ich in den nächsten Wochen arbeiten müssen. Ich bin aber mit großer Freude nach Bietigheim zurückgekommen, denn im vergangenen Jahr hatte ich nach meiner Babypause mein erstes Rennen absolviert.
Wilfried Raatz