Dirk Schimmelpfennig (r.), Vorstand Leistungssport, begrüßte die 270 Ärztinnen und Ärzte und informierte über die anstehende Leistungssportreform. © DOSB
270 Verbändsärzte treffen sich zum fachlichen Austausch
Am vorigen Wochenende haben sich die Verbandsärzte zum fachlichen Austausch in Frankfurt am Main getroffen. Sie informierten sich über Anti-Doping und neue Ergebnisse aus der Praxis.
Am Freitag fand das Anti-Doping-Seminar statt, das traditionell in enger Zusammenarbeit mit der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) gestaltet wird. Der Samstag bot den Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit, eigene Fallbeispiele aus der Betreuung von Spitzensportlern zu präsentieren und rückte die Olympiavorbereitung Rio de Janeiro 2016 in den Fokus.
Der neue Vorstand Leistungssport Dirk Schimmelpfennig begrüßte die 270 Ärztinnen und Ärzte und informierte über die anstehende Leistungssportreform. Dabei sollen die Strukturen des deutschen Sports so optimiert werden, dass Sportdeutschland wieder die Möglichkeit hat, an die Weltspitze anzuschließen.
Anti-Doping
Mit dem Update der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) informierte Professor Wilfried Kindermann (Saarbrücken) über die Veränderungen für das Jahr 2016. Marlene Klein von der NADA gab einen Überblick über die Neuerungen hinsichtlich der medizinischen Ausnahmegenehmigungen (TUE). Sie stellte anhand verschiedener Beispiele dar, was bei der Beantragung einer TUE während eines Wettkampfes bzw. im Training zu beachten ist. Zudem verwies sie auf neue Informations-Angebote wie die Scan-Funktion für NADAmed und ein E-Learning für Ärzte. Vertieft wurden diese Ausführungen von den Kollegen Thomas Berghoff und Jutta Müller Reul, die dieses E-Learning Tool sowohl konzeptionell als auch inhaltlich vorstellten.
Schwerpunkt des Beitrags von Lars Mortsiefer (Vorstandsmitglied der NADA) war der neue Nationale Anti-Doping Code (NADC) und das Anti-Doping-Gesetz. Er arbeitete heraus, welche Konsequenzen die NADA aus diesem Gesetz für ihre Arbeit zieht, und verdeutlichte, welche Schlüsse sich aus rechtlicher Sicht für den Betreuungsalltag der Ärztinnen und Ärzte ergeben. Er verwies dabei auf die medizinischen Informationsangebote der NADA.
Professor Wolfgang Jelkmann (Lübeck) zitierte in seinem Beitrag zum Blutdoping, dass Anti-Doping-Analysen forensischer Natur und keine medizinische Wissenschaft seien. Sie dienten vielmehr der Abschreckung. Das autologe Eigenblutdoping sei nicht direkt nachweisbar. Es gebe lediglich Hinweise, die darauf hindeuteten. So könne z.B. der Blutpass ein Instrument sein, das zur Aufklärung beitragen könnte. Diesem Instrument widmete sich Professor Walter Schmidt (Bayreuth) in seinem Vortrag.
Er erläuterte in diesem Zusammenhang die physiologischen Aspekte. Er erklärte, dass der Blutpass ein wichtiges Instrument sei, das erfolgreich der direkten Detektion von Blutmanipulationen unterschiedlicher Genese, der Auswahl von effektiven Zielkontrollen, zur Detektierung von rekombinantem EPO und der Abschreckung (und somit Prävention) von Blutmanipulationen dient.
Im Block „Problemfälle aus der Praxis“ wurden wieder besondere Situationen in der Betreuung von Spitzensportlern/innen anhand von Fallbeispielen dargestellt und diskutiert. Professor Egbert Seidel (Weimar) berichtete über die Verwendung von Schmerzmitteln (NSAR) sowohl im Spitzen- als auch im Breitensport. Er machte deutlich, dass diese Medikamente die Erholungsphase bzw. die Wiederherstellung der Muskulatur nach erschöpfenden Muskelbelastungen verlängern und somit die Gefahr einer Überlastung besteht. Er plädierte dafür, dass die Einnahme dieser Medikamente bei allen Wettkämpfen meldepflichtig sein sollte.
In einem weiteren Fallbeispiel stellte Professorin Ulrike Korsten-Reck (Freiburg) die Facetten und Probleme der Anorexia athletica, einer Störung des Essverhaltens bei Sportlern. Betroffene müssen trotz fehlender Krankheitseinsicht rechtzeitig zu einer Trainings- und Wettkampfpause bewegt werden und über die Gefahren des „weight cycling“ (große Gewichtsschwankungen) aufgeklärt werden. Weiterhin sei die Einbindung der Eltern bei der Therapie ein entscheidender Baustein.
Sportmedizinische Betreuung bei Sportveranstaltungen
Der Samstagvormittag begann mit dem Rückblick auf die Europaspiele Baku 2015 von Dr. Verena Freiberger (Berlin) und dem Ausblick auf die Olympischen Spiele Rio de Janeiro 2016 vom leitenden Olympiaarzt Professor Bernd Wolfarth (Berlin).
In dieser Sitzung wurden zwei Schwerpunkte zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele herausgegriffen. Dr. Britt Hornei (Leverkusen) stellte den Umgang von übertragbaren Infektionen bei Großveranstaltungen dar und wies besonders auf die Basishygiene wie z.B. die Händehygiene als eine einfache und sehr wirksame Maßnahme hin.
Bei den Olympischen Spielen in Rio werden die Sportler mit einer erheblichen Zeitumstellung konfrontiert. Welche Auswirkungen dies auf die Leistungsfähigkeit haben kann, stellte Dr. Dieter Kunz (Berlin) heraus. Er nahm Bezug auf die circadianen (auf den Tagesablauf bezogenen) Rhythmen des Menschen und welche individuellen Ausprägungen die Leistungsfähigkeit der Sportler zu unterschiedlichen Uhrzeiten beeinflussen können.
Case Reports
Dieser neue Themenblock, bietet den Teilnehmern/innen der Veranstaltung die Möglichkeit, Fälle aus der der eigenen Praxis zu berichten und zu diskutieren. Die Möglichkeit wurde gut angenommen, und vier Kollegen/innen stellten Problemfälle aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor und diskutierten im Plenum offen zu verschiedenen Lösungsansätzen.
Leistungsdiagnostik
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Leistungsdiagnostik im medizinischen Kontext. Andreas Ehrig vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig gab einen Überblick verschiedener leistungsdiagnostischer Verfahren, die im Eisschnelllaufen angewendet werden.
Dr. Ralf Doyscher (Berlin) zeigt auf welche Grenzen der Functional Movement Screen in den Sportspielen hat, um die Verletzungsanfälligkeit zu überprüfen.
Mit der Testbatterie „Ready to go?“ demonstrierte Dr. Jürgen Eichhorn (Straubing), wie man anhand der Ergebnisse erkennen kann, ob ein Spieler bereits wieder fit ist, um das nächste Spiel zu bestreiten. Ebenso bestehe mit dieser Testbatterie die Möglichkeit einzuschätzen, ob der Spieler aktuell anfällig für Verletzungen sei.
Ergänzend zur physiologischen Leistungsdiagnostik stellte Professor Jan Mayer (Saarbrücken) Möglichkeiten der mentalen Leistungsdiagnostik vor. Die kognitiven Kompetenzen treten bei die-ser Diagnostik in den Mittelpunkt. Zudem beschrieb er die Leistungsreserve des „schnellen Denkens“ im Sport.
Aus der Forschung in die Praxis
Im Projekt Regenerationsmanagement widmen sich die Wissenschaftler der Frage: Wie erholen sich Leistungssportler am besten? Angesichts der dicht gedrängten Wettkampfkalender und hohen Trainingsbelastungen wird die effektive Regeneration im Leistungssport immer wichtiger.
Professor Michael Kellmann (Bochum) stellte diagnostische Verfahren der Erholtheitsdiagnostik vor und zeigte, wie diese in der Praxis eingesetzt werden.
Professor Urs Granacher (Potsdam) räumte die langjährige Annahme aus, dass von einem Krafttraining mit Kindern abgeraten werde. Das Gegenteil sei der Fall: Krafttraining im Nachwuchsleistungssport wird empfohlen zur Leistungssteigerung, Förderung von Lernprozessen im Techniktraining und zur Sicherung der Belastungsverträglichkeit. Das Krafttraining im Nachwuchsleistungssport untersucht er derzeit in der KINGS-Studie.
Katharina Blume (Berlin) stellte die Ergebnisse des vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten Projekts zur EKG-Auswertung von Leistungssportlern vor. Ein Ergebnis sind Leitlinien, die zur Bewertung von Veränderungen in einem EKG eines Sportlers genutzt werden können.
Die Veranstaltung bot traditionell viel Gelegenheit zum Austausch unter Kollegen, so dass neben den Vorträgen mit regen inhaltlichen Diskussionen Raum für informelles Gespräch blieb.
Quelle: DOSB