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Mit dem Aufziehen der Bundesfahne vor dem Reichstag in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 durch 14 Jugendliche aus beiden Teilen Berlins findet die Sportjugend Berlin Aufnahme in die Geschichtsbücher ©LSB Berlin - Archiv

25 JAHRE MAUERFALL IN BERLIN: 25 Jahre Deutsche Einheit – SPORT in BERLIN

By GRR 0

Genau ein Vierteljahrhundert ist es her, dass aus einem Traum, einer Vision unerwartet doch Wirklichkeit wurde. Mit dem Fall der Mauer konnte der Berliner Sport wieder vereinigt werden.

An vielen Beispielen lässt sich nachvollziehen, wie es zur Gemeinschaft kam, wie Vorbehalte abgebaut und wie aus zarten Annäherungsversuchen schließlich eine gut funktionierende Gemeinschaft hergestellt wurde, die bis auf den heutigen Tag ihre Gültigkeit hat.

Zwei unterschiedliche Systeme fanden relativ schnell zueinander, was zwar manches Mal Wunden aufriss, die jedoch längst vernarbt und geheilt sind. Anhand von vier Vereinen und deren Zeitzeugen dokumentiert „Sport in Berlin“, was damals, also vor nunmehr 25 Jahren, sich abspielte.

Der Polizei SV und der Post SV, inzwischen unbenannt in Pro Sport Berlin 24, die SG Empor Brandenburger Tor und der Berliner TSC stehen beispielhaft für eine gelungene Einheit und deren positive Folgen. Viele andere der über 2000 Vereine in unserer Stadt könnten an dieser Stelle ebenso genannt werden

Markenzeichen Pro Sport Berlin 24 – Wie damals Post Ost und West schnell zusammenfanden

Weil die Deutsche Post im Laufe der Zeit ihre finanzielle Unterstützung einstellte, wurde vor zehn Jahren aus dem 1924 gegründeten Post-Sportverein Berlin nach einem Mitglieder-Entscheid der Pro Sport Berlin 1924 e.V., der Sport in 26 Abteilungen betreibt, einer der größten Klubs in der Stadt ist und in der Forckenbeckstraße sein Domizil hat.

Viele Jahre existierten zwei unterschiedlich strukturierte Vereine in der geteilten Stadt: die BSG Post im Ostteil, Post SV im Westen. Beide fanden relativ schnell und unproblematisch zueinander, wie sich Geschäftsführer Michael Schenk erinnert. Er, der neun Tage nach Maueröffnung aus München kommend seinen Job in Berlin antrat, hat hautnah die vielen Verhandlungen und Gespräche miterlebt.

Die erste Runde fand am 20. Januar 1990 statt, als sich die Vereinsvorsitzenden Dr. Jürgen Pudewill (Ost) und Lothar Jordan (West) in einem Bootshaus in Wendenschloss trafen  – mit dem Ziel einer unbefangenen Zusammenarbeit, die dann auch bald in gemeinsamen Vergleichen zum Tragen kamen, ob nun im Tischtennis, Fuß- und Handball, im Volleyball und Wassersport. Von einer Vereinigung war zunächst keine Rede. Doch der Prozess ließ sich nicht mehr stoppen.

Aus der Betriebssportgemeinschaft Post wird dank des neuen DDR-Vereinsgesetzes am 30. Mai 1990 die „Sportvereinigung Post Berlin“, die jedoch in dieser Form nicht lange existierte. Ein Jahr später wurde die Auflösung zum 1.Juli 1991 beschlossen. Nach der  Wiedervereinigungsfeier im Stadion der Weltjugend traten 1294 ehemalige Mitglieder der SV Post dem (Westberliner) Post SV bei, ebenfalls mehrere Angehörige der BSG Post Marzahn, BSG Post Pankow und der BSG Fernamt.

Schenk lobt die Atmosphäre und das Verständnis untereinander, weil es von keinerlei Seite Vorbehalte gab. „Wobei hervorzuheben ist, dass es beide Präsidenten verstanden, aufgetretenen Gegenströmungen wirkungsvoll zu begegnen.“ Ein Problem musste aber noch gelöst werden: die Rückübertragung der im Osten liegenden Grundstücke.

„Zum Glück“, so Schenk, „wurden Herr Jordan und ich bei der Suche nach Unterlagen in der Landes-Post-Direktion in der Dernburgstraße kurz vor dem letztmöglichen Termin fündig.“ Es ging um Liegenschaften und Bootshäuser in der Grünauer Straße 189 bis 193 (Kanu, Segeln, Fitness) und in der Wendenschlossstraße 420 (Ruderer, Taucher, Segler), die der  Post SV 1998 zurückerhielt und mit Rücklagen und Senatshilfe sanieren ließ.
Dass Post Ost und Post West gut zueinander fanden, liegt auch daran, dass Inhalte und Schwerpunkte im Breitensport übereinstimmten.

Hansjürgen Wille
 

Tradition verpflichtet – auch über Zeitenwenden hinweg: SG Empor Brandenburger Tor

Für DDR-Zeiten war der Name der 1952 in Berlin-Friedrichshain gegründeten Betriebssportgemeinschaft angesichts der  Aktivist-, Aufbau-, Turbine-, Lokomotive-, Fortschritt-, Chemie- oder Traktor-Vereine  zurückhaltend: BSG Empor Brandenburger Tor (EBT). Trägerbetriebe waren die Großhandelsgesellschaften Molkerei, Eier, Fleisch, die GHG Nahrung und Genuss, die GHG Obst, Gemüse, Speisekartoffeln, das Staatliche Getränkekontor, das Holzkontor, der VEB Kohlehandel.

Mit der Wende war Schluss, EBT stand vorm Aus.

Achim Kosubek (75) seit 1959 EBT-Mitglied und ab 1978 dreieinhalb Jahrzehnte ehrenamtlicher Vorsitzender: „Meine BSG zählte an die 3000 Mitglieder in 16 Sektionen, darunter 1400 Kinder und Jugendliche. Das kann man nicht einfach alles hinschmeißen. Da hat man Verantwortung.“ Er holte sich Rat beim SC Siemensstadt. „Ich bin einem 'Wessi' begegnet, der helfen wollte. Von ihm habe ich viel mitbekommen über Vereinsrecht, Satzungen, Finanzierung, Mitgliedergebühren, Sponsoring.“

Zwar mussten Kosubek und Co. lernen, das sie in keinen „Garten Eden“ für Vereine kamen, ging die Mitgliederzahl zurück, aber ein stabiles Fundament wurde geschaffen.

Über 1000 Mitglieder in 15 Wettkampf- und Freizeitsportabteilungen zählen jetzt zu EBT, das sich inzwischen ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Ein neues Sportdomizil ist geschaffen – „schöner denn je“, wie es heißt. Das Aushängeschild des Vereins, das Badminton-Team, hat sich nach drei Deutschen Meisterschaften aus der 1. Bundesliga zurückgezogen, aber Top-Events organisiert der Verein nach wie vor. 

Klaus Weise

Gespräche stets auf Augenhöhe – Wie Handballer und Segler zum Polizei SV Berlin kamen

Fakt ist: Es gab vor der Wende gravierende Unterschiede zwischen den beiden Polizeisport-Organisationen in Ost und West. Auf der einen Seite der staatlich gelenkte, dem Hochleistungssport gewidmete SC Dynamo sowie die Sportvereinigung Dynamo, auf der anderen der Polizei SV Berlin ohne eigenes Vereinsgelände, offen für jedermann, hauptsächlich dem Breitensport zugetan.

Aus dem 1990 aufgelösten SC Dynamo wurde der 1. SC Berlin, aber einige Abteilungen der SV Dynamo sahen sich nach etwas anderem um, berichtet Martin Textor, seit 1968 Präsidiumsmitglied des PSV, 1992 bis 2007 Präsident.

Der einstige Leitende Polizeidirektor und Chef der Spezialeinheit SEK ist Zeitzeuge: „Schnell klopften nach Öffnung der Mauer Führungskräfte aus dem Ostteil an, um Möglichkeiten eines Zusammengehens auszuloten, vor allem jedoch um das Vereins-, Steuer- und Satzungsrecht kennenzulernen.“

Stark interessiert für einen Anschluss an den Polizei SV zeigten sich die Handballer der SG Dynamo Dr. Kurt Fischer, einer Nachwuchsabteilung des mehrmaligen DDR-Meisters SC Dynamo Berlin, wo u. a. Gernot Funk (der spätere Berliner Landestrainer) und Helmut Riedel treibenden Kräfte waren. Was dann auch geschah und sich als segensreich erwies, wie die Erfolge der A- und B-Jugend bei  Deutschen Meisterschaften bewiesen.

Ähnlich die Situation bei den Seglern: Der 1921 gegründete SC Wiking, seit 1953 als Sektion Segeln bei der SV Dynamo, trat nach der Wende dem Polizei SV bei, wo er als unabhängige Abteilung am Buttenstedtweg besteht und mit dem Müggelsee ein tolles Revier vor der Haustür hat. Auch Sportakrobaten und Motorbootfahrer von der SG Köpenick schlossen sich dem PSV an und profitierten von den Erfahrungen eines großen Klubs, der in den 60- und 70er Jahren Erfolge hatte: Seine Boxer, Leichtathleten, Modernen Fünfkämpfer, Trampolinturner, aber auch die Handballer gehörten zu den Aushängeschildern des Westberliner Sports.

Schade, dass Martin Textors Vater Werner  (94) im Juni verstarb. Er, nicht nur 1949 der Wieder-Mitbegründer des Polizei SV, sondern bis 1994 auch als dessen Geschäftsführer tätig, hätte bestimmt noch so manches Detail hinzufügen können. In seinem Schöneberger Büro fanden viele, viele Verhandlungen statt.

„Stets aber auf Augenhöhe“, so berichtet Martin Textor (70), der nicht selten darüber staunte, dass er bei Gesprächen mit seiner Delegation im Ostberliner Polizei-Präsidium geradezu hochherrschaftlich empfangen wurde. „Wenn wir aber einen Blick in die Sportstätten warfen, machte sich Ernüchterung breit.“

Sein Fazit: Die Vereinigung war für den Sport  ein Segen und dass der Westen manch Positives aus dem Osten übernehmen konnte, u. a. die Eliteschulen des Sports oder Trainingskonzepte.

Hansjürgen Wille

Von der reinen Medaillenschmiede zur Sportfamilie:  Berliner TSC

Von der aktuellen Mitgliederzahl – 3420 in 20 Abteilungen – konnte der Berliner TSC, der zu DDR-Zeiten den Ortsnamen  am Ende trug, ihn 1991 nach vorn setzte, weil es im Westteil der Stadt  einen Klub gleichen Namens gab, in der ersten Häfte seines Bestehens nach Gründung 1963 nur träumen.

Da war er dem Spitzensport als „Medaillenschmiede“ zum Ruhme des sozialistischen Vaterlandes vorbehalten.

Mit der friedlichen Revolution 1989 aber veränderte sich jede Menge. Für den TSC hieß das z. B. Wegfall staatlicher Subventionen und rigoroser Personalabbau – von 230 hauptamtlichen Mitarbeitern, davon 135 Trainer, blieben ein Geschäftsführer und eine Sachbearbeiterin.

Dennoch schaffte es der TSC, sich im Spitzensport zu behaupten: Jacqueline Börner (‘92), Lucille Opitz (2006) holten Olympiagold im Eisschnelllauf. Andere behaupteten sich in Europa- und Weltspitze: die aus dem TSC hervorgegangenen Radasse Erik Zabel, Jens Voigt, Gymnastin Jeanine Fissler, Schwimmer Ralf Braun, Wasserspringer Patrick Hausding.

Doch längst ist der Klub wie es im Logo steht: Sportfamilie an der Spree. Zu den Abteilungen zählen Gesundheitssport, Inline-Skating, Karate, Finswimming, Roller Derby, Triathlon. Der TSC ist laut eigener Aussage „vereinsrechtlich, sportlich und wirtschaftlich stabil“.              

Klaus Weise – SPORT in BERLIN – September – Oktober 2015

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