Der Trend geht zum präsidialen Auftritt, und natürlich kann sich dem auch Japans neu gewählter Premierminister Yukio Hatoyama dem nicht verschließen. „Ich wünsche aus tiefem Herzen, dass unser Einsatz Früchte trägt“, sagte Hatoyama, bevor er sich auf den Weg nach Kopenhagen machte.
2016 – Vierkampf um die Olympischen Spiele – Am Freitag wird entschieden, welche Stadt die Olympischen Spiele 2016 beherbergt. Chicago, Rio de Janeiro, Madrid und Tokio haben sich beworben. Wie sind ihre Chancen, wie sind ihre Konzepte? Der Tagesspiegel stellt vor
CHICAGO
Es wäre gewiss keine Überraschung, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Freitag Chicago den Zuschlag für die Sommerspiele 2016 gäbe – die Stadt am Lake Michigan galt von Anfang an als Favorit. Für Chicago spricht vor allem eines: Eine amerikanische Stadt auszuwählen, bedeutet für das IOC immer ein äußerst geringes Risiko. Von Los Angeles über Atlanta bis Salt Lake City gab es bislang noch nie Schwierigkeiten mit dem Sportstättenbau und mit der Logistik. Vor allem aber sind die USA stets ein lukrativer Markt für die Olympier.
Bislang haben sich alle Spiele in den USA finanziell gelohnt, das dürfte unter der Federführung des Versicherungsmagnaten Pat Ryan auch diesmal so sein. Die US-Fernsehnetzwerke machen ihre Gebote für die Übertragungsrechte erstmals erst nach der Vergabe am Freitag und man erwartet Rekordsummen, falls Chicago den Zuschlag erhält. Neben sehr kompakten Spielen im Innenstadtbereich mit hervorragendem öffentlichem Nahverkehr und weitgehend vorhandenen Austragungsorten dürfte das alleine schon die Olympier für Chicago einnehmen.
Hinzu kommt natürlich der Obama-Faktor – diesen Trumpf spielt Chicago voll aus. Der Pop-Star-Präsident hat sich im letzten Augenblick doch noch zu einem Kurztrip nach Kopenhagen entschlossen, um sich für seine Heimatstadt stark zu machen. Dass Obama den Einsatz für nötig hält, bedeutet allerdings auch, dass man sich seiner Sache doch nicht vollends sicher ist. mol
RIO DE JANEIRO
Den weltmeisterlichen Ritterschlag erhielt Rio de Janeiro am Dienstag: Im Beisein von Fifa-Präsident Joseph Blatter legte der brasilianische Fußball-Verband den Grundstein für ein neues hochmodernes Trainings- und Verbandszentrum, das mithelfen soll, die Nationalmannschaft vor allem bei der Weltmeisterschaft 2014 im eigenen Land zu neuen Titelehren zu führen. Kein Zweifel: Den Zweikampf um die Sporthauptstadt des Landes hat die Stadt gegen den Erzrivalen Sao Paulo gewonnen. Ob nun auch der olympische Ritterschlag folgt, steht auf einem anderen Blatt.
Die Tatsache, dass Brasilien Gastgeber der Fußball-WM 2014 sein wird, ist für die Olympia-Bewerbung Rio de Janeiros Fluch und Segen zugleich. Zwei globale Großereignisse innerhalb von zwei Jahren – das ist ungerecht, kritisieren die Mitbewerber. Dem halten die Brasilianer entgegen: Die Erfahrungen, die das Land 2014 sammeln wird, werden die Spiele 2016 noch besser machen. Und billiger: Viele der Einrichtungen könnten doppelt genutzt werden: Sport- und Trainingsstätten, Medienzentren – all das müsste nicht neu errichtet, sondern könnte zum Teil wiederverwertet werden.
Zwar ist die überwiegende Mehrheit der nach offiziellen Angaben rund 6,5 Millionen Einwohner arm. Schon wegen eines Mobiltelefons wird in den unzähligen Favelas gemordet. Die Groß-Veranstaltungen könnten zur wirtschaftlichen Entwicklung und damit zur Bekämpfung der Armut beitragen. Rio verspricht zudem ein rauschendes Fest, eine Kombination aus Karneval, Samba und Spitzensport mit etwas, das Olympia noch nicht kennt: südamerikanisches Flair.kae
MADRID
Für viele Bürger Madrids gibt es keinen Zweifel. „Wir werden gewinnen“, skandierten hunderttausende Menschen auf jenem „Madrid-2016-Festival“, mit dem sich die Millionenstadt für die Abstimmung des Internationalen Olympischen Komitees warmlief. Das ganze Land scheint im Olympiafieber: 95 Prozent der Spanier, behaupten Umfragen, unterstützen Madrids Bewerbung. Welche – im Erfolgsfalle – natürlich Glanz auf das ganze Königreich abwerfen wird.
Madrid bewirbt sich nach 1972 und 2012 zum dritten Mal um die Austragung der Olympischen Sommerspiele. Nun soll der wohl bestangesehene Monarch der Welt, Spaniens König Juan Carlos, Madrid am Freitag bei der IOC-Vollversammlung bestens darstellen. Regierungschef Jose Luis Zapatero, der bei der Präsentation in Kopenhagen ebenfalls auf die Bühne gehen wird, dämpfte jedoch die Erwartungen: „Es wird schwierig.“
Zum einen, weil Spanien im Jahr 1992 in Barcelona Sommerspiele hatte und Olympia 2012 ebenfalls in Europa stattfindet, in London. Zum anderen, weil Spaniens Ruf als Dopingparadies den IOC-Prüfern nicht gefallen hat. 2006, beim Skandal um den Doping-Arzt Fuentes, trug Spaniens Regierung wenig zur Aufklärung bei und verursachte stattdessen mit einem neuen und löchrigen Anti-Doping-Gesetz Empörung. Punkten kann Madrid dagegen damit, dass 70 Prozent der Olympia-Anlagen bereits fertig sind.
Und dass die Drei-Millionen-Einwohner-Stadt schon länger mit einem gigantischen Sanierungsprogramm für die Olympia-Zukunft fit gemacht worden ist. Eine Zukunft mit weniger Autos, mehr Fahrrad- und Nahverkehr sowie grünen Lungen. Madrid wirbt zwar auch mit „einem Schnitt von 7,5 Sonnenstunden pro Tag“, doch im August kann die Sonne in Madrid bis zu 14 Stunden herunterknallen. Schattentemperaturen von 35 bis 40 Grad können den Asphalt zum Glühen bringen – und auch die Athleten. ze
TOKIO
Der Trend geht zum präsidialen Auftritt, und natürlich kann sich dem auch Japans neu gewählter Premierminister Yukio Hatoyama dem nicht verschließen. „Ich wünsche aus tiefem Herzen, dass unser Einsatz Früchte trägt“, sagte Hatoyama, bevor er sich auf den Weg nach Kopenhagen machte. Die Japaner wollen nach den Spielen von 1964 zum zweiten Mal Olympia in ihrer Hauptstadt ausrichten, die mit einer Einwohnerzahl von 12,8 Millionen eine der größten Metropolen der Welt ist. Den Japanern werden am Freitag Außenseiterchancen eingeräumt, zumal sie bei der Vorauswahl im Juni 2008 noch die beste Note aller Bewerber hatten.
Tokio überzeugte mit einem kompakten Konzept im Zentrum der Stadt, alle Sportstätten außer Schießen liegen innerhalb eines Radius von acht Kilometer. Regierung und die Stadt haben garantiert, für ein eventuelles finanzielles Minus der Spiele einzuspringen. Auch die vorhandenen Hotels übertreffen bereits jetzt das vom IOC geforderte Maximum. Allerdings fehlte der Bewerbung in einer IOC-Befragung der notwendige Rückhalt. Demnach unterstützen lediglich 55 Prozent der Tokioter die Bewerbung.
Aber vielleicht ist das gar nicht so wichtig, falls nur am Freitag die IOC-Mitglieder ihr Herz für Tokio entdecken. ben
Der Tagesspiegel, Donnerstag, dem 1. Oktober 2009