Die Zahl der teilnehmenden Berliner- und inzwischen auch der Deutschen aus Ost und West- ist weiter im Steigen begriffen. Rund 700 Deutsche waren es bereits in der fünften Auflage in Davos, der Trend ist ungebrochen.
20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick XIV. Wie LAUFZEIT ins Laufen kam – Fünf Jahre Lauf-Patenschaft – Umweltbewußt – 42,195 Meter
20 Jahre Deutsche Einheit sind am 3. Oktober 2010 in Berlin und in vielen anderen Städten Deutschlands feierlich begangen worden. Am 30. September 1990 – drei Tage vor der Wiedervereinigung – gab es schon die "sportliche Wiedervereinigung" auf den Straßen Berlins, als der BERLIN-MARATHON zum ersten Mal seit 45 Jahren seine Laufstrecke wieder durch das Brandenburger Tor von West nach Ost und über den Potsdamer Platz zurück in den Westteil legen konnte.
Dieser 17. BERLIN-Marathon war mit seiner Rekordbeteiligung von 25.000 Läufern und Läufern aus aller Welt ein sportliches "Jahrhundertereignis" und ein Medienerereignis zudem. Aus dem Programm- und Ergebnisheft des BERLIN-MARATHON von 1990 werden hier – in loser Reihenfolge – Beiträge übernommen, die nichts an ihrer Aktualität verloren haben und gleichzeitig die Erinnerung an eine einmalige Laufveranstaltung in unser Gedächtnis zurückholen sollen.
Horst Milde
Eine neue Redaktion über sich Wie LAUFZEIT ins Laufen kam – Seit Mai gibt es das deutschdeutsche Ausdauer-Journal LAUFZEIT:
Die Idee schwelte schon lange. Nur wir, lauffreudige Journalisten aus dem Ostteil Berlins, sahen lange keine Chance für unser Unternehmen. Kein Papier, keine Druckkapazität, kein Verständnis von "oben". So wie die Ausdauerläufe in der DDR oft als Randgruppe bezeichnet wurden, so verwarf man auch die Idee eines Laufjournals.
Nach der Wende saßen wir wieder zusammen, bei einer Geburtstagsnachfeier, und ganz schnell stand das Lieblingsthema im Mittelpunkt. Und da machten wir Nägel mit Köpfen. Der eine besorgte eine Druckerei, der andere Papier, der dritte Genehmigungen. Der erste Verbündete wurde im Läuferbund gefunden, der sich zwischen Elbe und Oder zu sammeln begann. Der zweite kam fast zeitgleich aus dem Westen der Stadt. Der BERLIN-MARATHON plädierte: "Macht doch ein deutsch-deutsches Laufmagazin. Bezieht vor allem die große Berliner Lauffamilie ein!"
So trafen wir uns regelmäßig, konzipierten, organisierten, redigierten, bildeten einen Redaktionsbeirat. Im Mai wurde dann die "Schnuppernummer" mit großem Erfolg verkauft, seit Juli erscheint LAUFZEIT monatlich. Im "ABO" erhältlich über die DDR-Postämter oder den BERLIN-MARATHON (Meinekestr. 13, 1000 Berlin 15). Über Leserzuschriften können wir uns – ein gutes Zeichen – nicht beklagen. Unser Hauptanliegen, den "Normalläufer" in Ost und West anzusprechen, wurde verstanden. LAUFZEIT kam ins Laufen.
Fünf Journalisten sind wir, die LAUFZEIT nebenamtlich auf den Zeitschriftenmarkt bringen: Klaus Weidt (der Chefredakteur), Wolfgang Weising (Berichte, Resultate, Termine), Ulf Ringer (Tips, Medizin, Geschichte), Frank Wehlisch (Triathlon, Porträts, Serien). Frank Norbert Beyer gestaltet das Magazin und erfand die Laufschnecke "Joggi".
Daß selbstverständlich alle genannten LAUFZEIT-Mitstreiter selbst laufen, muß nun der Vollständigkeit halber noch hinzugefügt werden und unser Versprechen: Wir wollen mit Euch, den Lesern, LAUFZEIT in bester Kondition auf dem laufenden halten…
P.S.: Wenn Ihr uns schreiben wollt, bitte:
Storkower Str. 118, Berlin 1055, Redaktion LAUFZEIT
Fünf Jahre Lauf-Patenschaft: BERLIN-MARATHON und Swiss-Alpine -Marathon von Wilfried Raatz
Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Dies mag auch für zwei Laufveranstaltungen Gültigkeit haben, die in ihrer Sparte eine Art Renommierstücke sind. Hier der weltweit inzwischen als Nummer drei eingestufte BERLIN-MARATHON mit weiter expandierenden Starterzahlen, dort der Swiss-Alpine-Marathon in Davos, der als ultralanger Hochgebirgsmarathon mit einem 2.740 m hohen Kulminationspunkt über 67 km zu den schwersten Landschaftsläufen Europas mit ebenfalls stetig ansteigender Resonanz zählt.
Die Zahl der teilnehmenden Berliner- und inzwischen auch der Deutschen aus Ost und West- ist weiter im Steigen begriffen. Rund 700 Deutsche waren es bereits in der fünften Auflage in Davos, der Trend ist ungebrochen. Nicht zuletzt durch das attraktive (Werbe-)Umfeld haben die Davoser mit deren OK-Chef Andrea Tuffli ihr Startkontigent durch die Lauf-Patenschaft mit dem BERLIN¬MARATHON kräftig aufstocken können.'
Mit der Berlinerin Anke Molkenthin konnte sich 1988 sogar eine Flachland-Läuferin gegen die bergerprobte Konkurrenz behaupten.
Bei der fünften Auflage im Kanton Graubünden gaben sich Deutsche aus West und Ost laufenderweise die Hand. Durch die Vermittlung des BERLIN-MARATHON konnten zahlreiche Langstreckler aus Berlin, Erfurt, Chemnitz, aber auch aus Lengenfeld, Prenzlau, Ilmenau oder Wusterlitz, freilich zumeist Rennsteig-erprobt, die Reize und Probleme eines alpinen Gebirgslaufes am eigenen Körper erfahren. Ob nun Roland Winkler, Detlef Wegner oder Heinz-Georg Steinke und Detlef Schwandtke – die Öffnung der Grenzen läßt auch die noch so fernen Veranstaltungen näherrücken werden.
Hier die von tosendem Beifall umrauschten, von einer großen Lärmkulisse begleiteten Zwanzigtausend zwischen dem Brandenburger Tor, dem Schöneberger Rathaus und dem Kurfürstendamm; dort gerade Zweitausendfünfhundert zwischen dem 1.500 m hoch gelegenen mondänen Sportzentrum Davos, den
landschaftlich reizvollen Dörfern Filisur, Wiesen und Bergün und dem 2.740 m hohen Sertigpaß; hier der glatte, zur Bestzeit animierende Asphalt, der die längste Zeit geteilten früheren Reichshauptstadt; dort der tückische Naturpfad mit zahllosen Wurzeln und Steinen gespickt, der keinen vergleichbaren Kilometerschnitt zuläßt; hier die Bestzeiten und Rekorde im Visier, dort der Kampf gegen die Ermüdung, die Tücken des Geländes, der die Knie weich werden läßt; hier die breiten Alleen und Häuserschluchten, die historischen Gebäude und Paläste, dort die sprichwörtliche Einsamkeit des Langstreckenläufers mit einem unvergleichlichen Gebirgspanorama zwischen Parsenn, dem Dischmatal, Piz Kesch und Rinerhorn. Gegensätzlicher kann wohl keine Partnerschaft sein!
Weder Johannes Knupfer noch Jörg Hägler noch der zweifache Sieger Charly Doll oder der diesjährige Gewinner Peter Camenzind werden je beim BERLIN-MARATHON in vorderster Linie zu finden sein, genausowenig ein Suleiman Nyambui oder ein Alfredo Shahanga, der zweifelsohne mit dem Sieg beim "Einsteigerlauf' (Landwasserlauf) über 28 km erste Erfahrungen mit dem alpinen Lauf-Spektakel sammeln konnte, aber beim "Großen", dem Swiss-Alpine-Marathon, freilich ähnlich wenig ausrichten würde:
Dennoch Partnerschaft?
Der Informationsaustausch ist für beide Veranstalter eine Selbstverständlichkeit geworden, das technische Know-how der "Massenabfertigung" hat den Davosern auf die Sprünge geholfen, in Sachen Werbung teilt man sich inzwischen weltweit die Standkosten. Der Lauf der Stadt Berlin ist allemal ein Medienrummel, der spektakuläre Gebirgslauf über den Sertigpass ebenso. Während andernorts die Teilnehmerzahlen stagnieren, ja sogar stark rückläufig sind, erleben Berlin und Davos gleichermaßen weiteren Zulauf.
Gegensätze ziehen an. Jeder auf seine Weise!
Wilfried Raatz
Umweltbewußt … auch beim Marathon! Von Horst Milde (Berlin)
Wenn 25.000 Teilnehmer vom Start bis zum Ziel beim Marathon betreut werden, dann bleibt Abfall nicht aus. Zwar sind die Läuferinnen und Läufer ohne Zweifel umweltbewußte, naturverbundene Menschen, aber während des Laufes vergessen sie leicht, was ihnen im Training wichtig ist. Wo man geht und steht, wird überflüssiger Ballast fallengelassen: Hauptsache, man ist ihn los.
Der Marathonservice stellt den Teilnehmenden Flaschen, Becher, Wärmefolien u.a.m. zur Verfügung. Multipliziert mit 25.000 ergibt dies am Ende einen gigantischen Abfallhaufen. Vermeiden läßt sich dieser Müllberg nur, indem man entweder jeglichen Service streicht oder aber umweltverträgliche Materialien verwendet.
In jedem Falle aber können auch die Läuferinnen und Läufer zur Schonung der Umwelt beitragen, indem sie bedachtsam mit den Materialien umgehen. Der BERLIN-MARATHON möchte alle Beteiligten ausdrücklich darauf hinweisen, daß eine Massenveranstaltung nicht automatisch zur Verschmutzung der Umwelt beitragen muß.
Denken Sie bitte daran, benutzte Schwämme nicht sofort wegzuwerfen. Becher, Flaschen und Obstreste sollten an den Rand oder in dafür vorgesehene Behälter kommen – die folgenden Läufer werden es Ihnen danken!
Die Wärmefolie können Sie am Ziel zusammenfalten und mit nach Hause nehmen. Die ausgegebenen Becher lassen bei entsprechender Verbrennung weder schädliche Gase noch Rückstände entstehen. Die Alu-Behälter bei der Pastaparty sind entsprechend den Richtlinien des Gesundheitsamtes recyclebar. Das Polyäthylen der Tragetaschen verbrennt rückstandslos.
Die Organisatoren des BERLIN-MARATHON sind sich ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt bewußt und bemühen sich, "abfallmindernd" zu wirken. Ein ähnliches Engagement erhoffen wir uns von unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wir sind bestrebt, dieses Anliegen öffentlich zu machen und würden uns über konstruktive Anregungen und Unterstützung freuen.
Horst Milde – Race Director BERLIN-MARATHON
42,195 Meter und keinen weniger – Von Horst Milde (Berlin)
Wenn einer jede Ecke und Kante der Laufstrecke des BERLIN-MARATHON kennt und diese 42,195 Meter ihm vertraut sind wie keinem anderen, dann ist es Helge Ibert (Jg. 1934), Diplom-Ingenieur, Bauingenieur und leidenschaftlicher Marathonläufer, der seit 1968 dem SCC Berlin angehört.
Der Vermessungsspeziälist der AIMS/IAAF verbindet sein Hobby Laufen mit seinem beruflichen Können. Die Strecken des BERLIN-MARATHON sind seit 1974 auf seinem Reißbrett entstanden. Zunächst nach Straßenkarten errechnet, wurden sie anschliessend in die Realität des harten Berliner Pflasters umgesetzt. Jedesmal wurde darauf geachtet, daß die Strecke läufergerecht und Berlin-spezifisch konzipiert wurde, so daß sie im Ergebnis eine Art Sightseeing-Tour darstellte.
Helge Ibert hat als offizieller AIMS-Vermesser viele internationale Strecken vor- und nachgemessen: Stockholm, Paris, Frankfurt-Hoechst, Rotterdam (dreimal, davon zweimal nach den Weltrekorden), Hamburg, Wien, 25 km de Berlin u.a.m. In Wien passierte ihm das Mißgeschick, daß er beim Messen schwer stürzte, sich das Becken brach und nach Berlin zurückgeflogen werden mußte.
Marathonläufer sind zäh. Es dauerte nach dieser Verletzung nicht lange, bis er wieder wie ein Stehaufmännchen trainierte. Laufen bringt ihm den entspannenden Ausgleich für das stressige Berufsleben.
Der BERLIN-MARATHON 1990 ist für Helge Ibert ein Jubiläumsmarathon. Es wird der fünfzigste Marathoh seiner Laufbahn sein. 1972 begann er in Wolfsburg mit 3:06:01, seine Bestzeit erreichte er in Nürnberg mit 2:37:21, und die langsamste Zeit mußte er in New York mit 3:08:33 verbuchen. Der Durchschnitt der bisherigen 49 Läufe beträgt 2:47:33 bei einer Standardabweichung von 6:38.
Und das bei Hitze, Kälte, Sturm oder Regen. Sei es beim Laufen oder beim Vermessen, Helge Ibert liefert Präzisionsarbeit. Abkürzen gibt es nicht; lieber einen Meter mehr, aber eine ehrliche Zeit!
Der BERLIN-MARATHON dankt einem Mitarbeiter, der am Erfolg der vielen Läufe maßgeblichen Anteil hat und wünscht ihm am 30.9.1990 zumindest eine 2:47:32. Helge Ibert wird es wieder "hinzirkeln", ohne zu "schnippeln".
Präzise – eben AIMS-vermessen!
Horst Milde – Race Director BERLIN-MARATHON
Das BERLIN-MARATHON Programmheft vom 30. September 1990: