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2018

Am Schluss kam es im Rennen der Männer zu einem denkwürdigen Finale auf der Umm Suqeim Road. ©Helmut Winter

19. Standard Chartered Dubai Marathon am 26. Januar 2018: Wow! Äthiopische Läufer schreiben Geschichte – Helmut Winter berichtet (vervollständigt)

By GRR 0

Die noch junge (Straßenlauf-)Saison sah beim gestrigen 19. Standard Chartered Dubai Marathon einen ersten Höhepunkt, man ist sogar geneigt, von einer Sensation zu sprechen.

                                            dubai-mar-2018-logo 

Bei keinesfalls optimalen äußeren Bedingungen erzielten so gut wie ausschließlich äthiopische Athleten eine Flut von Fabelzeiten, die man versucht ist, in den Bereich von „Märchen aus 1000 und 1 Nacht“ zu rücken.

Selbst bei einem Taupunkt von 14°C und ähnlichen Temperaturen beim Start (die Kondensation auf Uhren, etc. demonstrierte dies nachdrücklich) konnten ein Heer von nicht unbedingt der Weltklasse zugehörigen Läuferinnen und Läufern davon abhalten, eine Tempojagd von historischer Dimension auf das Plaster der Jumeirah Road unweit der Strände am Arabischen Golf zu inszenieren.

Bis auf den letzten Part war der Lauf der Männer von der Tempogestaltung her nahe am Ideal.

Mit kleinen Schwankungen bewegten sich die km-Splits im Bereich um 2:55 Minuten, womit man sich bis kurz vor 30 km in den Regionen des Weltrekords befand. Schon der erste Kilometer in 2:55 deutete an, dass die drei Tempomacher schnell die vorgebene Fahrt gefunden hatten und an diesem Tag herausragende Arbeit ablieferten. Bei 5 km in 14:30 lag man mit einer Projektion von 2:02:24 auf Weltrekordkurs. Daran sollte sich über 29:07 bei 10 km und 43:47 bei 15 km nicht viel ändern. Überraschend waren trotz des aberwitzigen Tempos selbst bis 25 km in 1:12:56 gut zehn Läufer in der Spitzengruppe, die zuvor 20 km nach 58:24 und die Halbdistanz nach 1:01:37 passiert hatten.

Kurz nach Passieren der Halbmarathon-Marke war um 7:05 Uhr Ortszeit die Sonne aufgegangen, im Regime der bürgerlichen Dämmerung waren aber die Läufer schon 20 Minuten früher recht gut auszumachen. Davor war es ein Lauf in der Dunkelheit, was einem Start um bereits 6 Uhr in der Frühe geschuldet war. Unter Ausschluss der auch ansonsten spärlichen Öffentlichkeit (sprich: Zuschauer) war selbst in der TV-Übertragung nur schemenhaft zu erahnen, was sich dort auch den Straßen des Emirats tat.

Immerhin sorgten schnelle eingeblendete Splits dafür, das Geschehen einordnen zu können. Und das bedeutete eine Jagd in den Regionen des Weltrekords von Dennis Kimetto mit 2:02:57 aus dem Jahr 2014.

Der frühe Start hatte den großen Vorteil, dass die nicht unerhebliche Wärme durch die zunehmende Sonneneinstrahlung weitgehend ausblieb. Die merkliche Schwüle wurde durch einen leichten frischen Wind vom Meer gelindert. Da die Masse der Freizeitläufer erst um 7 Uhr an den (Marathon-)Start gingen, entzerrte sich der Start vollständig.

Hier hatten die Veranstalter augenscheinlich aus dem Desaster mit Kenenisa Bekele aus dem Vorjahr gelernt, auch den professionellen, IAAF-zertifizierten Starter Graham Bell aus Newcastle hatte man engagiert, um einen kontrollierten Start der Elite zu garantieren. Auch die wegen einer neuen Brücke auf der Jumerirah Road modifizierte Strecke mit zwei Runden im Mittel- und Schlussteil haben sicher zu den außergewöhnlichen Leistungen beigetragen.

Und diese wären noch eindrucksvoller geraten, wenn nicht schon vor Ausstieg des letzten Tempomachers bei 32 km die Spitzengruppe dem „Hasen“ nicht mehr folgen wollte bzw. konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die Projektion aus dem Regime des Weltrekords auf ca. 2:03:20 abgesackt, mit dem Weltrekord schien es schon zu diesem Zeitpunkt – wie in allen Vorjahren – wieder einmal nichts zu werden.

Nach 1:27:36 bei 30 km mit Kurs auf 2:03:13 lagen bei 35 km in 1:42:34 immer noch sieben Läufer an der Spitze, das Tempo war aber nun auf 2:03:39 gerutscht. Dazwischen hatte man die 20 Meilen (von dort sind es fast exakt 10 km ins Ziel) nach 1:34:06 passiert, damit hatte sich das Unternehmen Weltrekord in Dubai 2018 endgültig erledigt.

An der Spitze lagen der Vorjahressieger und einer der Favoriten Tamirat Tola, Sisay Lemma und der Dritte vom Berlin Marathon 2017 Mosinet Geremew sowie deren weniger bekannte äthiopischen Landsleute Asefa Mengstu, Leul Gebresilase, Birhanu Legese und Seifu Tura. Zunächst machte kurz Tola die Pace, dann war Lemma vorne, aber die Führungsarbeit geschah viel zu halbherzig, was sich an km-Splits ab 35 km von 3:03, 2:57, 2:59, 3:05 und 3:02 zeigte. Bei 40 km in 1:57:40 lagen die Sieben „nur noch“ im Regime des Kursrekords von 2:04:11 durch Tola aus dem Vorjahr.

Als erstes fiel nun Seifu Tura zurück, der mit einer Bestzeit von 2:09:26 gemeldet war. Diese sollte er im Ziel als Siebter in 2:04:44 im Sinne des Wortes „pulverisieren“. Wie am Ende noch einiges mehr, hat es auch einen Platz 7 mit einer solchen Zeit in der langen Geschichte des Marathon noch nicht gegeben. Mit einer solchen Topzeit gewinnt man aktuell (fast) so gut wie jeden Marathon in der internationalen Szene. Als es nach 41 km auf die lange, abschüssige Zielgerade auf der Uum Suqeim Road (auch dies eine leistungsfördernde Maßnahme der Organisatoren, da der Start einige Meter höher lag) ging, verlor Birhanu Legese, ein Debütant, als weiterer Läufer den Anschluss und fünf Äthiopier stürmten in Richtung Ziel im Kampf um den Sieg.

dubai-mar-2018-seven-in-a-row-sAus „five-in-a-row“ im Jahr 2013  wurde diesmal sogar „seven-in-a-row“ bezüglich einer Zeit von unter 2:05 Stunden. (c) Livestream/Screenshot

Hier hatte der Halbmarathon-Spezialist Geremew, der sich im gesamten Rennen stets zurückgehalten hatte, den besten Spurt. Er gewann deutlich in 2:04:00, durch einen schnellen letzten km-Abschnitt um 2:47 wurde am Ende der Kursrekord sogar noch deutlich unterboten. Für eine 2:03er-Zeit reichte es ganz knapp nicht, womit Dubai auch in diesem Jahr die Aufnahme in den elitären Klub der sub-2:04-Marathonläufe (Berlin, London, Frankfurt, Chicago, Tokyo) wieder verpasst wurde. Kurz dahinter lief ein weiterer Debütant Leul Gebresilase in 2:04:02 auf Platz 2 das zweitbeste Marathon-Debüt aller Zeiten, womit sich der Vorjahressieger Tamirat Tola in 2:04:06 auf Platz 3 geschlagen geben musste. Aber auch er erzielte, wie alle Platzierten im Vorderfeld, eine persönliche Bestleistung.

In gleicher Zeit wurde Asefa Mengstu Vierter, er verbesserte seinen Hausrekord von 2:08:41 gleichfalls erheblich. Für Sisay Lemma, der mit 2:05:16 eine der besten Vorleistungen ins Emirat mitbrachte, reichte es in 2:04:08 nur zu Platz 5. Und nur wenige Sekunden später kam in 2:04:15 mit Birhanu Legese der sechste Läufer mit einer Zeit von 2:04:15 und schneller ins Ziel. Ein Ergebnis in der Leistungsbreite von wahrlich (Marathon-)historischer Dimension.

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Mosinet Geremew gewann den Dubai Marathon 2018 mit Streckenrekord. (c) H. Winter

Der Sieger von Dubai hat sich damit in die absolute Weltelite gelaufen, die etablierten Marathonläufe werden sicher einiges in Bewegung setzen, um den 25-jährigen Äthiopier demnächst am Start zu haben. Bis dahin wird er auch entschieden haben, was er mit seinem Anteil der 200.000 US$ Preissumme anstellt. Dabei entschied sich sein Start im Emirat erst wenige Tage vor dem Rennen.

Aus diversen Gründen spielen die Kenianer in Dubai kaum eine Rolle, am Freitag kam deren Bester auf Platz 11 ein. Ronald Kipkoech Korir lief in indiskutablen 2:13:03 schon außerhalb des Preisgelds. Bis zum Halbmarathon war er vorne dabei, brach dann aber ein. Paradoxerweise machten es seine Landsleute Barselius Kipyego, Feiix Kibitok (der heisst sicher Felix) und Benson Kipruto wesentlich besser, denn die sorgten bis gut 30 km für ein nahezu perfektes Tempo an der Männerspitze.berlin-dubai-mar-splits-2014-2018Projektionen der Zeit im Ziel als Funktion der Streckenlänge. Bis gut 30 km lag man in Dubai im Regime des Weltrekords. (c) H. Winter

Natürlich hat eine solche Flut von Topergebnissen auch einen Effekt auf das globale Ranking. Im Mittel der zehn besten auf einem Kurs gelaufenen Zeiten, einem anerkannten Kriterium für die Güte eines Marathon, hat sich Dubai am London Marathon vorbeigeschoben und liegt nun hinter dem einsam in Führung liegenden Berlin Marathon mit einem Mittel von 2:03:28,4 auf Platz 2 in 2:04:12,7 vor London in 2:04:33,8. In London wird man sich am 22. April gewaltig ins Zeug legen müssen, um Dubai wieder hinter sich zu lassen.

Auch im Rennen der Frauen gab es großartige Zeiten. Wie bei den Männern bestimmte eine gut zehnköpfige Gruppe das Renngeschehen bis ca. 30 km. Über 16:45 bei 5 km, 33:21 bei 10km, 49:49 bei 15 km und 1:06:26 bei 20 km wurde die Hälfte der Distanz nach 1:10:07 erreicht. Die Damen lagen damit deutlich über den Splits für einen Kursrekord, den Aselefech Mergia bereits 2012 mit 2:19:31 aufgestellt hatte. Etwas überraschend war nach 15 km  Mergia aber bereits zurückgefallen und ausgestiegen. Das gleiche Schicksal ereilte kurz darauf auch den weiteren Topstar Mare Dibaba, von der man am Tag zuvor erfuhr, dass sie beim London Marathon Mitte April an den Start gehen will.

Über 1:23:09 bei 25 km und 1:39:41 bei 30 km hatte sich bei 35 km in 1:56:03 die Spitzengruppe der Frauen auf sechs Läuferinnen reduziert, die spätere Siegerin Roza Dereje, die Vorjahressiegerin Worknesh Degefa, die Debütantin Haftamnesh Tesfay, 2:20-Läuferin Feyese Tadese, Yebrgual Melese sowie Gelete Burka. Das Tempo hatte soweit angezogen, dass man nun erstmals auf Kurs zu einer Zeit von unter 2:20 Stunden lag. Bei 40 km in 2:12:23 waren Tesfay und Burka zurückgefallen und lagen 14 bzw. 26 Sekunden hinter der Spitze. Etwas früher als bei den Männern fiel die Entscheidung vor dem letzten Kilometer, wo sich Dereje entscheidend absetzen konnte.

Mit 6:54 von der 40 km-Marke bis ins Ziel legte die Sechste des Vorjahres am Ende noch einmal mächtig zu und gewann mit neuem Streckenrekord von 2:19:17. Und auch die nächsten drei Läuferinnen kamen unter 2:20 Stunden ins Ziel. Platz 2 ging an Fayse Tadese in 2:19:30, die ihre persönliche Bestzeit um eine Minute steigern konnte, Platz 3  errang Yebrgual Melese in 2:19:36, bisher war sie nur 2:22:51 gelaufen.

Der undankbare vierte Platz ging an die Vorjahressiegerin Worknesh Degefa, die mit 2:19:53 ihre Bestzeit gleichfalls um fast drei Minuten reduzieren konnte.

Auch vier Läuferinnen in einem Rennen mit Zeiten von unter 2:20 Stunden gab es zuvor noch nie.

dubai-mar-2018-winner-dereje-portr

Die überraschende Siegerin beim Dubai Marathon, Roza Dereje. (c) H. Winter

Dahinter reichten Zeiten mit 2:20 Stunden nur zu den Plätzen 5 und 6. Haftamnesh Tsegay erreichte gleich im ersten Marathon hervorragende 2:20:13, gefolgt von Gelete Burka in 2:20:45. Burka, die 2015 bei der WM in Beijing Silber über 10000 m gewann, konnte ihre Bestzeit von zuvor 2:26:03 gewaltig steigern und nähert sich nach einer lange Bahnkarriere nun auch im Marathonlauf der Weltklasse. Den totalen äthiopischen Triumph verhinderte auf Platz 8 Desi Jisa, die mittlerweile für Bahrain startet. Von den ersten 10 Plätzen bei Männern und Frauen belegten Äthiopier insgesamt 19 Plätze … und Jisa startete noch 2015 vor ihrer Einbürgerung für Äthiopien.

Auch bei den Frauen liegt der Dubai Marathon im Mittel der 10 besten Zeiten nun auf Platz 2 mit 2:19:42, womit man Berlin mit 2:19:51 und Chicago mit 2:20:04 verdrängen konnte. Dank der Ausnahmeleistungen von Paula Radcliffe, die übrigens in diversen Funktionen vor Ort war, ist aber der London Marathon mit 2:18:26 fast uneinholbar vorne.

Helmut Winter

Ergebnisse Marathon der Männer:
1. Mosinet Geremew ETH 2:04:00
2. Leul Gebresilase  ETH 2:04:02
3. Tamirat Tola  ETH 2:04:06
4. Asefa Mengstu  ETH 2:04:06
5. Sisay Lemma  ETH 2:04:08
6. Birhanu Legese  ETH 2:04:15
7. Seifu Tura  ETH 2:04:44
8. Yenew Alamirew  ETH 2:08:56
9. Mekuant Ayanew  ETH 2:09:20
10. Berhanu Teshome  ETH 2:10:27
11. Ronald Korir KEN 2:13:03
12. Herpassa Kiteta ETH 2:13:20
Ergebnisse Marathon der Frauen:
1. Roza Dereje ETH 2:19:17
2. Feyse Tadese ETH 2:19:30
3. Yebrgual Melese ETH 2:19:36
4. Worknesh Degefa ETH 2:19:53
5. Haftamnesh Tesfay ETH 2:20:13
6. Gelete Burka ETH 2:20:45
7. Dera Dida ETH 2:21:45
8. Desi Jisa BRN 2:24:05
9. Sembere Teferi, ETH 2:24:11
10. Muliye Dekebo ETH 2:26:52
11. Genet Kassahun ETH 2:27:46
12. Azmera Gdey ETH 2:28:12

 

Inoffizielle Zwischenzeiten Marathon der Männer – (c) hw:

Distanz  Split Last km Last 5 km Projektion  
1 km  2:55  2:55    2:03:00  
2 km 5:48 2:53   2:02:22  
3 km 8:39 2:51    2:01:43  
4 km 11:36 2:57    2:02:26  
5 km 14:30  2:54  14:30  2:02:24  
6 km  17:27  2:57    2:02:41  
7 km  20:21  2:54    2:02:41  
8 km  23:16  2:55    2:02:42  
5 mi 23:24   23:24 2:02:42  
9 km  26:11  2:55    2:02:43  
10 km  29:07  2:57  14:37  2:02:53  
11 km  32:05  2:58    2:03:05  
12 km  34:59  2:54    2:03:02  
13 km  37:52  2:53    2:02:55  
14 km  40:52  3:00    2:03:11  
15 km  43:47  2:55  14:40  2:03:10  
16 km  46:43  2:56    2:03:11  
10 mi 46:59   23:19 2:03:12  
17 km  49:38  2:55    2:03:11  
18 km  52:34  2:56    2:03:13  
19 km  55:27  2:53    2:03:09  
20 km  58:24  2:57  14:37  2:03:13  
21 km  1:01:19  2:55    2:03:13  
HM  1:01:37      2:03:14  
22 km  1:04:15  2:56    2:03:14  
23 km  1:07:11 2:55    2:03:15  
24 km  1:10:02  2:52    2:03:09  
15 mi 1:10:28   23:28 2:03:09  
25 km  1:12:56  2:54    2:03:06  
26 km  1:15:53  2:57    2:03:09  
27 km  1 :18:48  2:55    2:03:08  
28 km  1:21:39  2:52    2:03:03  
29 km  1:24:35  2:55    2:03:04  
30 km  1:27:36  3:02  14:40  2:03:13  
31 km  1:30:37  3:01    2:03:20  
32 km 1:33:34 2:57   2:03:22  
20 mi  1:34:06   23:39  2:03:22  
33 km  1:36:30  2:57    2:03:24  
34 km  1:39:32  3:02    2:03:32  
35 km  1:42:34  2:58  14:57  2:03:39  
36 km 1:45:36  3:03    2:03:47  
37 km  1:48:33  2:57    2:03:48  
38 km  1:51:32  2:59    2:03:51  
39 km  1:54:38  3:05    2:04:01  
40 km  1:57:40  3:02  15:07  2:04:08  
25 mi 1:58:21   24:15 2:04:07  
41 km  2:00:43 3:03    2:04:14  
42 km  2:03:29  2:47    2:04:04  
Marathon  2:04:00  CR  6:20    
Das Zehner-Mittel der schnellsten
Marathonstrecken bei den Männern
1. Berlin 2:03:29
2. Dubai 2:04:13
3. London 2:04:34
4. Chicago 2:04:40
5. Rotterdam 2:04:52
6. Amsterdam 2:05:32
7. Frankfurt/Main 2:05:37
8. (Boston) (2:05:54)

author: GRR

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