Start in der Nähe des Burj Khalifa um 7 Uhr morgens ©Helmut Winter
13. Standard Chartered Dubai-Marathon: Die Äthiopier „schlagen“ zurück – Mit einer Flut von Spitzenzeiten katapultiert sich Dubai in die Weltspitze – Helmut Winter berichtet
In beeindruckender Weise haben die äthiopischen Spitzenathleten mit ihren Füßen auf die unsinnigen Entscheidungen der letzten Tage ihres Verbandes reagiert und dabei beim Dubai-Marathon eine einmalige Ansammlung von Weltklassenleistungen erzielt.
Obwohl im Vorfeld bei der Klasse der Topathleten sehr gute Zeiten zu erwarten waren, kam die Flut von Spitzenleistungen – und vor allem, wer diese am Ende erzielte – doch etwas überraschend.
Die Ergebnisse in diesem Jahr waren von solcher Klasse, dass sich Dubai bei der Reihung der schnellsten Marathonstrecken mit einem Zehnermittel von 2:05:10 auf Platz 3 katapultiert hat, nur noch Berlin mit 2:04:55 und Rotterdam mit 2:05:07 liegen knapp vorne. London (2:05:21), Boston (2:05:36), Frankfurt (2:05:46) sowie Chicago (2:05:59) hat man nun übertroffen. Zuvor war man mit 2:06:52 nur Zehnter.
Der Grund für diesen gewaltigen Aufstieg liegt in einer Leistungsexplosion begründet, die nur noch mit den Ereignissen auf dem (allerdings nicht Bestzeiten fähigen) Kurs in Boston im April 2011 verglichen werden kann. Um 7 Uhr machten sich bei besten Temperaturen von 12°C am Fuße des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa (830 m), knapp 2000 Teilnehmer auf die neue Stecke, von denen am Ende 1575 im Ziel registriert wurden, 1238 Männer und 337 Frauen. Das waren ca. 20 % mehr als in den Vorjahren.
Als sich die Elite gegen 9 Uhr dem Ziel näherte war die Temperatur auf nur 14°C angestiegen, in der Tat sehr gute Bedingungen. Danach wurde es allerdings schnell wärmer, gegen 11 Uhr hatten die Breitensportler schon über 20°C und die volle Sonneneinstrahlung.
Die Männerspitze kam auf den ersten km mit Abschnitten von über 3 Minuten noch nicht so richtig in Tritt, erst durch 2:54 zur 5 km-Marke wurde diese in 14:56 unter 15 Minuten erreicht. Übrigens legten die Topläufer später auch alle weiteren 5 km-Abschnitte in unter 15 Minuten zurück; das gab es bisher sehr selten. Die Spitzengruppe bildeten fast 30 Männer, die über 29:37 bei 10 km, 44:12 bei 15 km und 59:05 für 20 km die Halbmarathonmarke in 1:02:22 erreichte. Das waren fast genau die 62:30, die man im Vorfeld geplant hatte. 25 Männer lagen hier noch zusammen, schon hier deutete sich an, dass heute Spitzenresultate zu erwarten waren.
Über 1:14:02 bei 25 km lief man die 30 km in 1:28:45 und hatte da schon einen der Favoriten, Deribe Merga (ETH) verloren, der in Dubai wieder einen Marathon nicht beenden konnte. Nun machten vor allem Tola und Jonathan Maiyo, der Dubai durch seine Tempomacherdienste in den Vorjahren bestens kannte, das Tempo und nach gut 32 km gab es eine weitere Überraschung, denn Topfavorit Martin Lel fiel zurück und musste kurz danach mit Wadenproblemen aussteigen (in der Ergebnisliste wird er zwar als 35. in 2:34 geführt, das Ziel hat er aber nach eigen Aussagen nie erreicht).
Die Temposteigerung mit einem Abschnitt in 2:53 nach 33 km ließ die Spitzengruppe auf 6 Läufer schrumpfen, auch der Vorjahressieger Barmasai war nun nicht mehr dabei und gab auf. Bei 35 km in sehr guten 1:43:22 lagen noch 5 Männer vorne, mit Maiyo aber nur ein Kenianer, begleitet von Tola und Geneti sowie den kaum bekannten Abshero und Kemal. Und auf dem drittletzten km suchte dann überraschend Abshero die Entscheidung, den er in 2:46 absolvierte. Niemand konnte dem Junioren-Crossweltmeister von 2009 bei seinem Debut noch folgen.
Allerdings hat der von Joes Hermens betreute Athlet eine Halbmarathonbestmarke von 59:42, so dass man bei seinem Debut schon eine Topzeit erwarten konnte (deshalb auch seine „tiefe“ Startnummer 8). Bei 40 km in 1:58:07 war Abshero schon allein und Hailes Kursrekord von 2:04:53 in Gefahr. Mit schnellen 6:16 für den letzten Abschnitt drehte der junge Äthiopier noch einmal richtig auf und lief mit 2:04:23 nicht nur einen tollen neuen Streckenrekord, er ist damit der viertschnellste Läufer aller Zeiten (auf einem legalen Kurs).
Und auch was sich hinter dem Sieger tat, war in der Tat historisch. Vier Männer erreichten die Ziellinie unter 2:05 – außer in Boston hatte es das noch nie gegeben – und verbesserten ihre Hausrekorde zum Teil beträchtlich. Zweiter wurde Dino Kemal (ETH) in 2:04:50 (vorher 2:10:33) vor Markos Geneti in 2:04:54. Erst auf Platz 4 mit Jonathan Maiyo der erste Kenianer, der mit 2:04:56 seine Bestzeit von 2:12 in der Tat „pulverisierte“. Maiyo sollte zudem der einzige Kenianer unter den Top 10 bleiben. Wann hat es das in letzter Zeit einmal gegeben?
Auch dahinter eine Flut von Klassezeiten, die es so zuvor kaum einmal gegeben hatte: 8 Läufer unter 2:06, 14 unter 2:08 und 23 unter 2:13, Dubai stellt fast alles in den Schatten.
Und der dürfte auch bis Tokyo reichen, denn dort muss Haile Gebrselassie auf die Ereignisse reagieren, falls er noch das olympische Marathonteam seines Landes verstärken will. Während im letzten Jahr die äthiopischen Marathonmänner von der Flut der Spitzenzeiten kenianischer Läufer überrollt wurden, scheint mit Dubai die Wende eingeleitet zu sein.
Dabei ist die Saison aber noch jung und schon bei den Frühjahrsmarathons ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für die Kenianer „zurückzuschlagen“. Die internationale Marathonszene bleibt auch nach dem Superjahr 2011 weiterhin in Bewegung. Und wie!
Da wollten auch die Frauen nicht zurückstehen, wo mit Spannung das Debut von Nancy Kabuu erwartet wurde (HM 67:02). Und das war in der Tat glänzend. Ähnlich wie bei den Männern lag beim Halbmarathon in 1:09:42 noch eine große Gruppe zusammen, die sich allerdings auf den folgenden km schnell von 9 auf 3 Läuferinnen reduzierte. Neben Kabuu waren das Vorjahressiegerin Asefelech Medessa und Mare Dibaba. Etwa 1,5 km vor dem Ziel kam dann er Antritt von Kabuu, dem aber Medessa folgen konnte und die im Spurt die Kenianerin abfing. Die Siegerzeit von 2:19:31 waren natürlich Streckenrekord und mit 2:19:34 schaffte Kabuu ein glanzvolles Debut.
Auch die Dritte Mare Dibaba steigerte mit 2:19:52 ihre Bestzeit von 2:23:25 erheblich. Damit schafften in Dubai drei weitere Läuferinnen den Eintritt in den illustren Club der sub-2:20. Dass gleich drei Läuferinnen in einem Lauf den Weg in die absolute Weltklasse fanden, ist auch ein Novum. Start und Ziel in Dubai waren nur um wenige Meter getrennt, alle Zeiten in Dubai dürften den Weg in die Bestenlisten finden.
Auch auf den weiteren Plätzen tolle Zeiten. Platz 4 ging an die ehemalige Dubai-Siegerin Bezunesh Bekele in 2:20:30, dann Aberu Kebede in 2:20:33 vor Lydia Cheromei (KEN) in 2:21:30. Somit überzeugten auch die Frauen auf ganzer Linie.
Damit unterboten vier äthiopischen Frauen ihren Landesrekord, den Berhane Adere mit 2:20:42 in Chicago 2006 aufstellte.
Das konnte man nicht unbedingt von der mit viel Engagement realisieren Live-TV-Übertragung sagen. Durch den hohen Turm hat man zwar ideale Bedingungen, was das Relais einer Übertagung anbetrifft, aber mit Kameras in Automobilen und fehlenden Informationen zu Zeiten generell und zu Splits im Besondern entwertet man die Anstrengungen. In diesem Belangen hinkt Dubai nach wie vor den Anforderung an ein „Golden Label“ der IAAF weit hinterher. Und hinterher fuhr auch die Metro, genauer die fuhr, als alles zu Ende war.
Der Freitag ist in den Emiraten islamischer Feiertag, und da fährt die technisch beeindruckende Bahn erst nach den Mittagsstunden. Dabei ist die Metro-Station nur Minuten vom Start entfernt.
Was die Organisation des Laufs anbetrifft, ist man vor Ort wesentlich weiter, insbesondere im Segment der Elite, wo die Perspektiven Dubais in der Tat leistungssportlich glänzend sind. Bei den Bemühungen große Läufermassen aus aller Welt auf die Marathonstrecke zu bringen, tritt man allerdings aktuell noch auf der Stelle. Zu einem Massenevent wird die Veranstaltung nur durch gut 8.000 10 km Läufer und Teilnehmer eines 3 km Fun Runs. Sieger über 10 km wurde Tekle Sahle aus Eritrea in guten 28:47.
Vor gut vier Jahren schrieb der Autor dieser Zeilen seine Einschätzung zu Dubai unter dem Titel “Die Wüste lebt!“ „Die finanziellen Ressourcen dürften zusammen mit fast idealen äußeren Bedingungen Teilnehmerfelder an den Start bringen, die es in dieser Leistungsbreite nur selten gegeben hat. Es kann als sicher gelten, dass sich in wenigen Jahren die Bestenlisten, in der Dubai derzeitig mit der zweitbesten Zeit der Geschichte vertreten, maßgeblich zu Gunsten des Emirats verändern werden“.
Dem ist im Jahr 2012 wenig hinzuzufügen.
Helmut Winter
Ergebnis der Männer
1 Biza, Ayele Abshero ETH 02:04:23
2 Kemal, Dino Sefir Kemal ETH 02:04:50
3 Guteta, Markos Geneti ETH 02:04:54
4 Maiyo, Jonathan Kiplimo KEN 02:04:56
5 Woldegeberal, Tadesa Tola ETH 02:05:10
6 Dadi, Yami ETH 02:05:41
7 Dawit, Shami Abdullah ETH 02:05:42
8 Edae, Deressa Chimsa ETH 02:05:42
9 Tola, Seboka ETH 02:06:17
10 Adhane, Yemane Tsegay ETH 02:06:29
11 Tsige, Eshetu Wendimu ETH 02:07:28
12 Kipkosgei, Moses Kigen KEN 02:07:45
13 Hayla, Bazu Worku ETH 02:07:48
14 Karinga, Julius KEN 02:08:01
15 Kibiwot, Stephen Kipkoech KEN 02:08:11
16 Mutai, Mike Kiprotich KEN 02:09:18
17 Beyene, Chala Dechase ETH 02:09:22
18 Abduh Bakhet, Mohammed ETH 02:12:14
19 Ramaala, Hendrick RSA 02:12:12
20 Gebre, Mekuant Ayenew ETH 02:12:19
21 Gebrehiwot, Dereje Tesfaye ETH 02:12:34
22 Buta, Urige Arado NOR 02:12:46
23 Theuri, James FRA 02:12:50
24 Birech, Philip Kiplagat KEN 02:13:59
25 Negera, Abebe Dinkesa ETH 02:14:33
Splits der Männer
5 km 14:56 (2:58 – 3:02 – 3:03 – 3:01 – 2:54) 14:56
10 km 29:37 (3:02 – 2:55 – 2:54 – 2:54 – 2:57) 14:41
15 km 44:12 (2:55 – 2:56 – 2:55 – 2:57 – 2:54) 14:35
20 km 59:05 (3:00 – 3:00 – 2:59 – 3:00 – 2:58) 14:53
HM 1:02:22
25 km 1:14:02 (2:59 – 3:02 – 3:01 – 2:56 – 2:59) 14:57
30 km 1:28:45 (3:01 – 2:58 – 2:58 – 2:53 – 2:57) 14:43
35 km 1:43:22 (2:55 – 2:57 – 2:53 – 2:56 – 2:59) 14:37
40 km 1:58:07 (2:59 – 3:02 – 3:00 – 3:00 – 2:46) 14:45
Ziel 2:04:23 (2:53 – 2:52) 6:16
Die schnellsten Marathonstrecken (Mittel der 10 besten Zeiten)
1. Berlin 2:04:54,9
2. Rotterdam 2:05:06,6
3. Dubai 2:05:10,0
4. London 2:05:20,6
5. Boston 2:05:38,6
6. Frankfurt 2:05:45,5
7. Chicago 2:05:58,5
8. Amsterdam 2:06:12,5
Die schnellsten Marathonläufer aller Zeiten
A. Geoffrey Mutai KEN 2:03:02 Boston 18.4.2011
B. Moses Mosop KEN 2:03:06 Boston 18.4.2011
1. Patrick Makau KEN 2:03:38 Berlin 25.9.2011
2. Wilson Kipsang KEN 2:03:42 Frankfurt 30.10.2011
3. Haile Gebrselassie ETH 2:03:59 Berlin 28.9.2008
4. Ayele Abshero ETH 2:04:23 Dubai 27.1.2012
5. Duncan Kibet KEN 2:04:27 Rotterdam 5.4.2009
6. James Kwambai KEN 2:04:27 Rotterdam 5.4.2009
7. Emmanuel Mutai KEN 2:04:40 London 17.4.2011
C. Gebre Gebrmarian ETH 2:04:48 Boston 18.4.2011
Ergebnis der Frauen
1 Medessa, Aselefech Mergia ETH 02:19:31
2 Kabuu, Lucy Wangui KEN 02:19:34
3 Hurssa, Mare Dibaba ETH 02:19:52
4 Sertsu, Bezunesh Bekele ETH 02:20:30
5 Shewaye, Aberu Kebede ETH 02:20:33
6 Cheromei, Lydia KEN 02:21:30
7 Jemutai, Sharon Cherop KEN 02:22:39
8 Tesema, Atsede Baysa ETH 02:23:13
9 Molisa, Mamitu Daska ETH 02:24:24
10 Andersson, Isabella SWE 02:25:41
11 Seyfu, Mula Seboka ETH 02:25:45
12 Ordofa, Shitaye Bedasa ETH 02:27:14
13 Bifa, Yeshimebet Tadesse ETH 02:27:50
14 Naigambo, Beata KEN 02:29:20
15 Abeya, Aheza Kiros ETH 02:33:21