Der Fukuoka-Marathon präsentiert seine Elite-Athleten für den Lauf am 6. Dezember 2009
Zweimal Kebede in Fukuoka – Helmut Winter berichtet
In der Regel recht spät gibt der Marathonlauf in der südjapanischen Metropole Fukuoka/Hakata die Namen der eingeladenen Elite-Athleten für das Rennen Anfang Dezember bekannt. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass sich nach einem ereignisreichen Jahr mit einer Fülle hochkarätiger Veranstaltungen viele Topathleten erst sehr spät entscheiden, noch einmal an den Start zu gehen, um dann jedoch eine der mittlerweile zahlreichen Startmöglichkeiten zu Anfang des Jahres wahrzunehmen bzw. sogar bis zu den Frühjahrsklassikern zu warten.
Trotzdem gelingt es den Veranstaltern in Fukuoka aber immer wieder, bei einem der traditionsreichsten Läufe über die Marathondistanz ein Feld von internationaler Klasse an den Start zu bringen. So waren in den letzten Jahren neben dem Star der Szene, Haile Gebrselassie, auch alle Medaillengewinner der letzten Olympiade in Beijing 2008 am Start: Wanjiru, Gharib, Kebede sowie der Vierte Merga. Die Veranstaltung zur Mittagszeit wird live von Asahi TV landesweit übertragen und erzielt beste Einschaltquoten.
Lange Zeit wurde der aktuelle Weltmeister von Berlin, Abel Kirui (KEN), als Topläufer gehandelt, zumal dieser vor gut einer Woche beim Chiba-Ekiden für das kenianische Team an den Start ging und sich somit bereits in Japan aufhielt (in über 29 Minuten für seinen 10 km Abschnitt konnte er allerdings kaum überzeugen, Kenia wurde hinter zwei japanischen Staffeln in diesem Mixed-Wettbewerb nur dritter).
Somit ist der Vorjahressieger Tesfaye Kebede (ETH) das Aushängeschild des diesjährigen Laufs, der Kirui im Leistungsvermögen um nichts nachsteht. Bei der WM in Berlin lag zwar Kebede hinter Kirui auf Platz 3, aber insb. Kebedes Vorstellung im Frühjahr beim London Marathon, bei dem er bis zu Schluss mit dem Sieger Wanjiru mithalten konnte und mit tollen 2:05:20 seine Bestmarke deutlich steigern konnte, war in der Tat beeindruckend. Auch nach seinem tollen Lauf im letzten Jahr an gleicher Stelle ist Kebede der klare Favorit bei der 63. Auflage des Fukuoka Marathons.
Dabei war es nicht nur der von ihm damals erzielte Streckenrekord von 2:06:10, sondern vor allem die Art und Weise, wie er diese Zeit erreichte. Denn die hohe Popularität und Beachtung des Fukuoka Marathons in Japan schafft für die Macher des Laufs von Asahi TV das Problem, zumindest in der ersten Phase möglichst auch japanische Läufer an der Spitze zeigen zu können. Da Japans Männer zwar ein hohes Leistungsniveau haben, das aber aktuell nicht ganz das Leistungsniveau der Weltspitze erreicht, wird mit Hilfe hochkarätiger Pacemaker im ersten Teil nicht am Limit gelaufen.
Und somit wurden die 1:04 für die Halbdistanz in Anbetracht der tollen damaligen Form Kebedes nicht gerecht, der Äthiopier wurde regelrecht „ausgebremst". Erst nach dem Ausscheiden des letzten Schrittmachers bei 25 km wurde das Rennen freigegeben und Kebede startete kurz danach einen fulminanten Zwischenspurt, dem kein Läufer der Spitzengruppe folgen konnte. Den Abschnitt von 30 km nach 35 km lief der kleine Äthiopier in tollen 14:17 und auch die 10 km bis zur 40 km waren in 29:04 sensationell schnell. Doch auch der schnelle Schlusspart konnte den zu langsamen Beginn nur bedingt kompensieren, eine Zeit unter 2:06 wäre sonst sicher möglich gewesen.
Ob es einen neuen Streckenrekord geben wird und sich somit Fukuoka in die lange Liste der außergewöhnlichen Bestzeiten weltweit in diesem Jahr einreihen kann, wird weitgehend von einer Tempogestaltung abhängen, die es Kebede erlaubt, die Halbmarathonmarke um oder sogar unter 1:03 zu passieren. Das Potential für eine Zeit von sogar unter 2:05 hat der kleine Äthiopier allemal.
Ob Tekeste Kebede (ETH) seinem Landmann bei der Jagd nach einem Streckenrekord unterstützen oder sogar gefährden kann, ist nicht sehr wahrscheinlich. Dazu ist sein Hausrekord von 2:09:49 kaum gut genug, den er in diesem Jahr als Vierter des Boston Marathon im Frühjahr erzielte. Zuvor lief er im Januar als Zweiter beim Arizona Marathon in Tempe/Phoenix 2:10:36, bei seinen weiteren sieben Marathons in den Jahren zuvor war er langsamer.
Somit dürfte Evans Cheruiyot (KEN) der vermutlich ernsthafteste Konkurrent werden, der in ausgezeichneten 2:06:26 bei warmen Wetter den Chicago Marathon 2008 in eindrucksvoller Manier gewann. Im Frühjahr ging Evans gleichfalls in Boston an den Start, enttäuschte aber dort in schwachen 2:12:45, und seine schwache Form war auch einer der Gründe, weshalb er in Chicago Anfang Oktober nicht antrat. Um gegen Kebede bestehen zu können, müsste er sicher in der Form des Vorjahrs ein.
Ansonsten dürften seine Siegchancen gering ausfallen. Ähnliches lässt sich von Yonas Kifle (ERI) sagen, der seine Bestmarke von 2:07:34 beim Amsterdam Marathon 2007 erzielte. In London lief er in diesem Jahr 2:08:28. Als weitere eingeladene Läufer aus „Übersee" gehen Dmytro Baranovskyy (UKR), Jon Brown (CAN) und Oleg Kulkov (RUS) an den Start, die alle nicht ganz vorne zu erwarten sind. Baranovskyy konnte 2005 bei seinem Sieg in Fukuoka in 2:08:29 und vor allem im Jahr danach in 2:07:15 überzeugen, als er hinter Haile Gebrselassie mit persönlicher Bestzeit Zweiter wurde.
In letzter Zeit ist er aber von dieser Form weit entfernt, im März lief er beim Tokyo Marathon 2:13:27, bei den 25 km von Berlin im Mai scheiterte sein Angriff auf den Europarekord kläglich in indiskutablen 1:21:12. Auch der mittlerweile nach Kanada ausgewanderte Brite, Jon Brown, Olympiavierter in Sydney und Athen und mit einer Bestzeit von 2:09:31 bei London Marathon 2005 wird kaum eine Rolle spielen. Im letzten Jahr war er auch in Fukuoka dabei und unterbot mit 2:12:27 als letzter Läufer der Saison 2008 den internationalen Qualifikationsstandard von 2:13.
Von japanischer Seite sind insbesondere Tsuyoshi Ogata und Tomoyuki Sato zu beachten. Ogata gewann den Lauf in Fukuoka im Jahr 2004 und lief dort auch ein Jahr zuvor seine Bestzeit von 2:08:37. Die Bestzeit von Sato lieg ebenfalls schon etliche Jahre zurück, beim Tokyo Marathon 2004 lief er 2:09:43. Ein großartiges Debut wird vom dem in Japan lebenden Kenianer Mekubo Mogusu erwartet, einer der Stars der dortigen Ekiden-Szene mit einer Bestzeit über die halbe Distanz von 59:48 beim Marugame Halbmarathon vor zwei Jahren.
Als Tempomacher werden neben einem Japaner Yu Mitsuya die international bestens für derartige Aufgaben ausgewiesenen Samson Ramadhani (TAN) und John Kales (KEN) aufgeboten. Kales hatte im Frühjahr in London das Tempo gemacht und auch Haile bei seinen letzten Weltrekordjagden unterstützt. Somit wird es weitgehend vom Wetter abhängen (die südwestliche Insel Kyshu ist über das Meer weitgehend ungeschützt vor Kälteeinbrüchen aus Richtung Sibirien), ob bei dem letzten großen Rennen des Jahres die einmalige Bilanz des Marathonjahrs 2009 um ein weiteres Highlight bereichert wird.
Eine Zeit im Regime von 2:05 ist durchaus im Bereich der Möglichkeiten, die extrem flache Strecke und vor allem die Klasse der Eliteathleten lassen solche Erwartungen durchaus realistisch erscheinen.
Helmut Winter