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10
12
2009

Kritik äußerte Althoff in Richtung öffentlich-rechtliche Sender: Dort gefalle man sich als Doping-Aufklärer, übertrage aber gleichzeitig Profiboxen.

Zur gesellschaftlichen Ächtung des Dopings gibt es keine Alternative

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Das hochkarätig besetzte Symposium des Instituts für Sport und Sportwissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sorgte insbesondere vor dem Hintergrund des Falles Claudia Pechstein für Gesprächsstoff.

 
Unter dem Titel "Doping im Sport – Medizin, Recht und Politk" lief die Veranstaltung des Instituts in Zusammenarbeit mir der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) und dem Landessportverband Schleswig-Holstein.

Professor Martin Nolte, Vorstandsmitglied der NADA und des Landesportverbandes Schleswig-Holstein und seit kurzem Inhaber der von der Deutschen Telekom geförderten Stiftungsprofessur für Sportrecht an der Universität Kiel, betrachtete das Thema Dopingbekämpfung aus rechtlicher Sicht und sagte: „Doping beeinträchtigt die Gesundheit, verletzt den Grundsatz des Fair Play und damit die Integrität des sportlichen Wettbewerbs. Außerdem hat Doping großen Einfluss auf fremde Vermögensinteressen und den ordnungsgemäßen Arzneimittelhandel und führt zu erheblicher Begleitkriminalität. Die Dopingbekämpfung ist aus meiner Sicht der sportpolitische ‚Elchtest‛ des 21. Jahrhunderts.“



Nolte erneuerte seine bereits im Interview mit dem „Spiegel“ geäußerte Bewertung, wonach das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS zur Sperre von Claudia Pechstein juristisch „wasserdicht“ und auch der „indirekte Beweis“ erlaubt sei. Nolte gab einen Überblick über die gegenwärtigen Rechtsgrundlagen der Dopingbekämpfung und bezog auch Stellung zur Diskussion um eine „Anti-Doping-Gesetz“. „Dieser Debatte fehlt das empirische Fundament.“

Österreich, das ein Anti-Doping-Gesetz habe, sei nicht erfolgreicher in der Dopingbekämpfung als Deutschland. Jedes Gesetz sei nur so gut wie sein Vollzug. Wer ein entsprechendes Gesetz fordere, müsse auch die entsprechenden personellen Ressourcen zu Verfügung stellen, so der Professor, der sich gegen den Gesetzesentwurf der bayerischen Justizministerin wandte. Der Sportrechtler wagte eine Prognose: Solange sich der organisierte Sport gegen ein entsprechendes Gesetz ausspreche, werde es dieses nicht geben.

Starke Sportgerichtsbarkeit

Ekkehard Wienholtz, Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, unterstrich, dass es zur Politik der „Null-Toleranz“ gegenüber überführten Doping-Tätern keine Alternative gebe. „Empfindlich wirkende Strafen für Doping-Sünder sind allein durch eine starke Sportgerichtsbarkeit möglich. Sie kann unmittelbar wirksame Wettkampfsperren für vier Jahre verhängen und zwar schon bevor staatliche Ermittlungen begonnen haben“, so Wienholtz. Er mahnte auch im internationalen Maßstab einheitliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dopingbekämpfung an und skizzierte die auf Prävention im Jugendbereich ausgerichtete Doping-Präventionsarbeit des Landessportverbandes. „Es ist wichtig, auch das Umfeld der Nachwuchssportler für dieses Thema zu sensibilisieren, also auch Trainer, Betreuer und Eltern.“

Professor Burkhard Weisser, Sportmediziner an der Uni Kiel und Anti-Doping-Beauftragter des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, beleuchtete die Dopingproblematik aus medizinischer Sicht. Er führte aus, dass Anti-Doping-Forschung und -Analytik auf neue Dopingmethoden immer nur mit Verzögerung reagieren könnten. In einer Hinsicht äußerte er sich verhalten optimistisch: Die schlimmsten Horror-Szenarien des Gen-Dopings seien noch nicht Realität geworden.



„Aus medizinischer Sicht wirft das aktuelle Urteil im Fall Pechstein sicher mehr Fragen auf, als es beantwortet“, gab der Sportmediziner zu bedenken.

Schulmäßig durchdekliniertes Urteil

Göttrik Wewer, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur, bezeichnete dagegen das CAS-Urteil im Fall Pechstein „als schulmäßig durchdekliniertes Urteil“, das deutliche Klarheit geschaffen habe: „Es gibt keine plausible Erklärung für die Schwächung ihrer Blutwerte.“

Mit Blick auf die Ressourcen der NADA benannte Wewer das Ziel, „mit dem Volumen möglichst gut umgehen zu können.“ Die Kontrolldichte sei grundsätzlich ausreichend, es komme aber darauf an, noch flexibler zu werden.

Hanns Michael Hölz, Kuratoriums-Vorsitzender der NADA, griff in der anschließenden Podiumsdiskussion diesen Zusammenhang auf und ging auf die Finanzausstattung ein, die aktuell bei 5,8 Millionen Euro liege. „Ich habe vor einem Jahr gesagt: Wir benötigen 7,5 Millionen Euro, eine Summe, die wir brauchen, wenn wir uns kontinuierlich verbessern wollen. Dies gilt immer noch.“ Nur so sei eine finanzielle Stabilität auch in Zukunft absolut gewährleistet. „Systematisches Doping hat in Deutschland seinen Ursprung, wir müssen zeigen, dass es auch anders geht“, gab Hölz als Devise aus.

Stephan Althoff, zuständig für das Sponsoring der Deutschen Telekom, pflichtete ihm bei. Althoff bekannte sich zu den Fehlern der Vergangenheit im Sponsoring des dopingverseuchten Radsports. Bei der ärztlichen Betreuung des Team Telekom durch Freiburger Sportmediziner sei das DDR-Doping-System, rückblickend betrachtet, noch perfektioniert worden.

Gesellschaftliches Umdenken nötig

Kritik äußerte Althoff in Richtung öffentlich-rechtliche Sender: Dort gefalle man sich als Doping-Aufklärer, übertrage aber gleichzeitig Profiboxen.

Auch sei eine Abkehr von der absoluten Leistungs-Fixierung, in Medien und Gesellschaft, nicht in Sicht. Es gebe sicher Druck über die Medien, falls Deutschland bei Olympischen Spielen im Medaillenspiegel massiv abrutschen sollte.

Zur notwendigen gesellschaftlichen Ächtung des Dopings, darüber herrschte am Ende der Veranstaltung Einigkeit, gibt es keine Alternative. Voraussetzung dafür sei aber nicht nur ein konsequentes Anti-Doping-Kampf, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Umdenken.

Quelle: DOSB

 

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