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22
09
2007

Werner Franke, bei dessen Buchvorstellung Sie am Donnerstag waren, sagt, der Sport sei so verdorben, dass er tot sei. Schließen Sie sich dem an?

Zeugin im Springstein-Prozess – „Das ist die Elbe – die, die dopt“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Anne-Kathrin Elbe brachte Thomas Springstein vor Gericht, indem sie ein Präparat weitergab, das ihr der Trainer vor vier Jahren zur Einnahme gegeben hatte.
Ein F.A.Z.-Interview mit der heute 20 Jahre alte Läuferin .

Sie sind am Freitag in Berlin mit der Heidi-Krieger-Medaille ausgezeichnet worden – der Goldmedaille, die die Kugelstoßerin, die heute Andreas Krieger ist, 1986 bei den Europameisterschaften in Stuttgart gewann. Ist das Ihre erste internationale Medaille?

Ich habe schon einige Goldmedaillen gewonnen. Aber international war bisher Silber die höchste Auszeichnung: mit der Staffel bei den U23-Europameisterschaften in Debrecen.

Nun hat es Gold dafür gegeben, dass Sie Thomas Springstein vor Gericht brachten, indem Sie ein Präparat weitergaben, das er Ihnen vor vier Jahren, als Sie 16 Jahre alt waren, zur Einnahme gegeben hatte.

Ich würde lieber mit sportlicher Leistung auf mich aufmerksam machen, mit Erfolgen und Titeln. In Ungarn war es ganz knapp. Wir haben gegen die Russinnen verloren, die im Vorlauf schon disqualifiziert worden waren.

Sagen Sie sich, etwa bei solchen Rennen: Hätte ich die Klappe gehalten, hätte ich das Zeug geschluckt, wäre ich jetzt ein bisschen weiter vorn?

Ich bin ja mit vorn dabei. Vielleicht noch nicht über die Hürden, aber das kann ja noch kommen. Ich weiß nicht, ob ich mit Doping besser wäre. Das interessiert mich auch nicht. Ich bin überzeugt, dass es auch ohne geht.

Werner Franke, bei dessen Buchvorstellung Sie am Donnerstag waren, sagt, der Sport sei so verdorben, dass er tot sei. Schließen Sie sich dem an?

Er sagt auch, dass wir nie an die Rekorde herankommen können. Aber, ehrlich gesagt, kenne ich die Rekorde gar nicht, außer den Weltrekord, 12,21 Sekunden…

… von der Rumänin Jordanka Donkowa, 1988.

Ich denke nur an die Ergebnisse, die zu meiner Zeit gelaufen werden, an die 12,58 von Kirsten Bolm, die sie mit viel zu viel Rückenwind gelaufen ist. Wenn Michelle Perry in diesem Jahr 12,44 Sekunden schafft, denke ich, das geht schon in Richtung Weltrekord, obwohl da noch mehr als zwei Zehntel fehlen. Ich ziele erst mal auf 13 Sekunden, vielleicht schaffe ich dann irgendwann auch 12,75. Von meiner Grundschnelligkeit her – 11,66 über hundert Meter flach – müsste ich unter 13 Sekunden laufen können.

Hatte der Springstein-Prozess andere Folgen als diese Ehrung?

Ich wurde ständig angesprochen und konnte zum Glück das ganze Adrenalin auf die Bahn bringen. Damals, als ich von Magdeburg nach Leverkusen wechselte, war ich verletzt; das wusste aber niemand. Ich war drei Mal deutsche Meisterin in der B-Jugend geworden, und auf einmal war ich Fünfte. Nun fingen die Leute an zu tuscheln, dass ich ohne Dopingmittel nicht mehr so schnell liefe. Ich wollte gar nicht zur deutschen Meisterschaft, aber mein Trainer hat alles getan, dass ich diese Gerüchte nicht zu hören bekomme. Ich bin deutsche Meisterin geworden.

Sind Sie je beschimpft worden?

Bei einem Wettkampf in Mannheim habe ich in diesem Jahr gehört, als ich draußen telefonierte, wie ein Junge den anderen fragt: Wer ist das denn? Und der antwortet: Das ist die Elbe; die, die dopt. Ich war total geschockt. So direkt hatte ich das noch nicht gehört.

Hat Ihnen jemand vorgeworfen, dass Sie Ihren Trainer entlarvt haben?

Als ich 2004, kurz nach meinem Wechsel, bei Bundestrainer Albert Becker in Magdeburg trainierte, saß ich in der Halle zwanzig Meter von meiner alten Trainingsgruppe entfernt. Ich hatte echt Herzrasen und dachte, gleich kommt Herr Springstein. Da haben sie mir einen Zettel rübergeschoben, auf dem stand: Danke. Das haben sie, so wie sie mich behandelten, bestenfalls ironisch gemeint. Als ein paar Tage später wirklich Herr Springstein in die Halle kam, sagte mein Magen: Nur weg hier! Ich konnte nicht weitertrainieren.

Haben Sie Angst gehabt?

Springstein gehe über Leichen, hieß es damals in der „Bild“-Zeitung. Ich hatte viel Respekt und manchmal auch Angst vor ihm. Er hat mich mal ganz krass angeschrieen. Bei einem Wettkampf in Jena war ich mit Kniestrümpfen gestartet, als Gag, weil mein Vater Geburtstag hatte. Die Dinger sind runtergerutscht und ich bin an jeder Hürde hängen geblieben. Fast hätte ich verloren. Da hat Herr Springstein mich gepackt und geschüttelt und angeschrieen. Ich habe ihn nur angeguckt und geweint. Die Eltern von anderen Athleten aus meiner Trainingsgruppe gingen vorbei und haben nichts gesagt. Wenn meine Eltern das gesehen hätten, die wären dazwischengegangen. Herr Springstein hat mich erst wieder umarmt, als ich die hundert Meter mit einem Hundertstel Vorsprung gewann.

Sie waren damals am Sportgymnasium in Magdeburg. Haben Sie im Unterricht das Thema Doping behandelt?

Das wäre wohl in der Zwölf im Leistungskurs Sport drangekommen. Aber da war ich schon in Leverkusen. Dort war ich dann das Thema im Unterricht, als es um Doping ging.

Die Fragen stellte Michael Reinsch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Sonnabend, dem 22. September 2007

author: GRR

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