Wenige Tage vor Jahresende thematisierte die Vereinigung der deutschen Laufveranstalter German Road Races (GRR) unter der Überschrift „DLV verschachert Deutsche Meisterschaften“ die geplanten Verschiebungen für die Öffentlichkeit
Wirbel um DM-Veranstaltungsorte – Marathon-DM trotz guter Kritik nicht mehr in München – GRR: „DLV verschachert Meisterschaften“ – wira/ aus „Leichtathletik“ 01/2007
Ein Blick in die Terminplanung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) auf der verbandseigenen Homepage www.leichtathletik.de verdeutlicht Probleme: Selbst zum Jahresanfang 2007 sind noch nicht alle Titelkämpfe unter Dach und Fach. Während die 10 km-Meisterschaften vom Nordsee-Küstendorf Otterndorf nach Mannheim und damit vom April zum September gerückt sind, fehlen die Marathon-Meisterschaften.
Im Rahmenterminkalender des DLV steht anstelle des vereinbarten Oktobertermins in München nun im Monat Mai zwar noch kein Ausrichter, sondern lediglich das Landesverbandskürzel „RH“, also Rheinhessen.
Wenige Tage vor Jahresende thematisierte die Vereinigung der deutschen Laufveranstalter German Road Races (GRR) unter der Überschrift „DLV verschachert Deutsche Meisterschaften“ die geplanten Verschiebungen für die Öffentlichkeit. „Wir waren anfangs sicherlich dagegen, eine Marathonmeisterschaft für drei Jahre an einen Veranstaltungsort zu vergeben, haben dies aber im Sinne unseres Mitglieds akzeptiert“, äußert sich GRR-Sprecher Horst Milde.
Völlig überraschend hatte nämlich Ende 2005 der DLV die Titelkämpfe entgegen dem bisherigen landesverbands-Rotationsprinzip für die Jahre 2006 bis 2008 an den München-Marathon vergeben und dabei den eigentlich für die Vergabe von Meisterschaften zuständigen DLV-Verbandsrat vor vollendete Tatsachen stellte.
Schon am Rande der GRR-Veranstaltertagung in Düsseldorf war bekannt geworden, dass der DLV trotz guten Kritiken von seinem Beschluss abgekommen und primär durch die Deutsche Leichtathletik-Promotion- und Projektgesellschaft mbH (DLP) auf die Suche nach einem neuen Ausrichter gegangen war.
Mannheim, Münster und Mainz wurden dabei explizit angefragt – und hatten meist abgelehnt. Grund: Eigene Ausrüster-Verträge mit anderen Sportartikelherstellern, die in Konkurrenz zum DLV-Partner Nike stehen. Inzwischen deutet vieles darauf hin, dass die Deutschen Meisterschaften 2007 im Rahmen des Gutenberg-Marathon am 6. Mai ausgetragen werden.
Kooperative Zusammenarbeit?
„Wir sind zu einer kooperativen Zusammenarbeit mit dem DLV bereit“, so Milde. „Was hier aber vor und hinter den Kulissen unter Umgehung der maßgeblichen Fachgremien passiert, das verurteilen wir auf das Schärfste. Um es auf einen Nenner zu bringen: Der DLV beugt sich dem Druck seiner Wirtschaftspartner und verschachert seine Deutschen Meisterschaften!“
Inzwischen hat Gernot Weigl als Geschäftsführer von runabout, dem Veranstalter des München-Marathon in einem Interview mit Runner’s World Klartext gesprochen: „Es gab einen Vertrag mit dem DLV, der an eine Vereinbarung mit DLP gekoppelt war. Diese Vereinbarung hatte eine Laufzeit von nur einem Jahr. In diesem Vertrag waren die Leistungen des DLV, der DLP bzw. des Wirtschaftspartners Nike und unserer Agentur definiert. DLP und Nike wollten nun ihre Leistungen für die kommenden zwei Jahre um die Hälfte reduzieren. Unsere Leistungen sollten jedoch unverändert zu 100 % erbracht werden!“ Nach erfolglosen Gesprächen teilte der DLV dem Münchner Veranstalter nun eine Absage für die DM der Jahre 2007 und 2008 mit.
Norbert Brenner: Sehr gute Gespräche…
Die durch die Hintertür praktizierte Meisterschaftsvergabe weist Norbert Brenner, in der DLV-Schaltzentrale als Referatsleiter im Bereich Finanzen einer der Gesprächsteilnehmer u. a. bei den Verhandlungen mit der Stadt Mainz als Veranstalter des Gutenberg-Marathon zurück.
„Die Vergabe ist auf bei einer Sitzung des Verbandsrates Anfang Dezember erfolgt. Voraussetzung ist aber, dass vertragliche Rahmenbedingungen auch umgesetzt werden können. Wir sind derzeit in sehr guten Gesprächen, die Mitte Januar abgeschlossen sein können!“
Bei GRR ist man vor allem erbost darüber, dass selbst der neu gegründete und mit weiterreichenden Kompetenzen ausgerüstete Bundesfachausschuss Laufen, in dem mit Horst Milde explizit sogar ein Vertreter der Laufveranstalter sitzt, von dieser Vorgehensweise überrumpelt wurden. „Es geht natürlich nicht primär um München oder einen anderen Austragungsort“, versichert Milde. „Es geht uns vorrangig darum, dass hier mit Athleten und Trainern in einer unanständigen Weise umgesprungen wird! Wie können wir von unseren besten Athleten Leistungen erwarten, wenn man hier zu kurzfristiger Umplanung in der Trainings- und Wettkampfgestaltung zwingt!“ BFA-Vorsitzender Harald Rösch fühlt ebenso übergangen und fordert eine Vorgehensweise, die die Fachleute wie es eben der Bundesfachausschuss sein soll, in den Entscheidungsprozess einbindet.
Senioren-Europameisterschaften Mitte Mai in Regensburg
Sollten die Marathonmeisterschaften im Mai platziert werden, dann hieße dies, dass unsere vermeindlich Besten einmal mehr den Titelkämpfen fernbleiben. Statt dessen suchen diese die leistungsfördernde Konkurrenz in Hamburg, Düsseldorf oder andernorts.
Aber nicht nur diese werden fehlen, sondern auch die so genannte zweite Reihe und die ambitionierten Läufer, die ebenso ihre Planungen weitgehend abgeschlossen haben und Frühbucherkontingente genutzt haben. Oder wie die Seniorenläufer, die die Europameisterschaften Mitte Mai in Regensburg rot angestrichen haben.
Konzeptlosigkeit
Für GRR bezieht sich der Vorwurf der Konzeptlosigkeit nicht alleine auf die Marathonmeisterschaften. Sondern auch auf die Vergabe von zur Marathonstrecke hinführenden Titelkämpfen wie denen über 10 km (Straße) und der Halbmarathondistanz. „Unsere Jahresplanung darf nicht daran ausgerichtet sein, welcher willfähiger Veranstalter zu einem x-beliebigen Termin eine Deutsche Meisterschaft ausrichten möchte, sondern wir müssen als Fachleute dem Verband eine mittel- und langfristig angelegte Planung vorschlagen, die sich primär nach sportlichen und nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten richtet!“
Wie inzwischen bekannt wurde arbeitet German Road Races derzeit an einem Fördermodell, wie mittel- und langfristig das Ansehen des deutschen Langstreckenlaufes wieder gesteigert werden kann. Milde: „Wir dürfen uns nicht von den beiden Europameisterschafts-Goldmedaillen durch Jan Fitschen und Ulrike Maisch blenden lassen. Uns erwartet ein hartes Stück Arbeit, um international auf breiter Front wieder wettbewerbsfähig werden zu können. Und dazu gehört auch eine vernünftige Saisonplanung für unsere Besten!“
wira/ aus „Leichtathletik“ 01/2007