©Horst Milde
Wie die Sporteinheit in Berlin zustande kam … eine Chronik erinnert: NOK-Vereinigung im Berliner Reichstag – Einrichtung einer DSB-Zweigstelle – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Die Jahre 1989 bis 1991 nach dem Fall der Berliner Mauer waren drei bewegende Jahre – nicht nur in rein sportlicher, sondern mehr noch in sportpolitischer Sicht.
Eine kleine Schrift mit dem Titel „Chronik der Berliner Sporteinheit" trägt nun erstmals alle wichtigen Daten und Ereignisse der kalendarischen Reihe nach zusammen, die im Ergebnis dazu geführt haben, dass es in diesen drei Jahren gelang, „Auf schnellen Wegen zum Miteinander" (so der Untertitel) zu kommen.
Das schmale Heft mit 44 Seiten ist als Nr. 20 der Reihe „Sporthistorische Blätter" erschienen, die das Sportmuseum Berlin in Kooperation mit dem Forum für Sportgeschichte (FoS), dem Förderverein für das Berliner Sportmuseum unter der Federführung von Martin Behrendt und Gerd Steins herausgibt.
Verfasser der Chronik ist Manfred Nippe (76), langjähriger Jugendreferent und Referent für Sportentwicklung im Landessportbund (LSB) Berlin und heute u.a. ehrenamtlicher Beauftragter für Sportgeschichte des LSB Berlin, ebenso Vizepräsident im FoS.
In Berlin bestand die Aufgabe nach dem 9. November 1989 darin, sowohl die am Sport interessierten Menschen in den beiden Stadthälften zusammenzuführen als auch die völlig gegensätzlichen (sport-) politischen Systeme zu einer neuen Einheit im und für den Sport zusammenwachsen zu lassen. Welche Schritte dazu im einzelnen notwendig waren, darüber geben die tagebuchartigen Einträge chronologischen Aufschluss. Sie werden mit Fotos und anderen Darstellungen untermalt.
Vieles spricht bei der Lektüre der Daten und Fakten dafür, dass man den Untertitel der Chronik (bzw. die Karikatur auf der Titelseite) sogar wortwörtlich nehmen kann: Viele der „schnellen Wege zum Miteinander" wurden gerade in dieser Zeit nämlich (ausdauernd) laufend zurückgelegt.
Das soll heißen: Laufveranstaltungen in Berlin haben damals einen originären Beitrag geleistet, dass Menschen aus Westberlin und dem Ostteil der Stadt sich gemeinsam laufend nähergekommen sind.
Historisch belegt wird das u.a. mit der eingefügten Kopie eines Briefes an den damaligen Oberbürgermeister von Berlin, der Hauptstadt der DDR, vom 12. November 1989 (also drei Tage nach der Maueröffnung), in dem angeregt wird, den Berlin-Marathon im Jahre 1990 durch beide Teile der Stadt führen zu lassen … was denn auch am 30. September 1990 mit „aufgerundeten" 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 61 Ländern der Welt geschah.
Vorher schon am 1. Januar 1990 führte der (im Osten) populäre Neujahrslauf ebenfalls erstmals durch beide Stadthälften mit Start und Ziel am Brandenburger Tor. Die Anzahl von 30.000 Laufbegeisterten an diesem Neujahrsmittag um 12 Uhr wurde danach nie mehr erreicht.
Die Datensammlung von Manfred Nippe verweist aber auch auf wesentliche sportpolitische Weichenstellungen auf dem Wege zur Sporteinheit in Berlin bzw. in Deutschland: z.B. ein Treffen von Verantwortlichen der Berliner Sportjugend und der Deutschen Sportjugend mit rund 300 interessierten Vertretern des DDR-Sports zur Gründung von Sportjugenden in der DDR am 16. Februar 1990 im Haus des Runden Tisches der Jugend in Berlin (Mittelstraße), z.B. ein Gespräch des (damaligen) Berliner LSB-Präsidenten Manfred von Richthofen mit der zuständigen DDR-Sportministerin Cordula Schubert über den Erhalt der Sportstätten der Betriebe und staatlichen Organisationen für den Vereinssport in der Führungsakademie Berlin des Deutschen Sportbundes (DSB) in Schöneberg, bis hin zur Vereinigung der beiden nationalen Olympischen Komitees am 17. November 1990 im Berliner Reichstagsgebäude – nicht zu vergessen die Eröffnung einer Zweigstelle des (damaligen) DSB in Berlin (West) in Anwesenheit von DSB-Präsident Hans Hansen am 9. April 1990.
Die Rücktritte von Klaus Eichler und Manfred Ewald als ranghöchste DDR-Sportfunktionäre finden genauso Erwähnung wie die Eröffnung eines Olympiabüros zur Vorbereitung der Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele 2000, die bekanntlich an anderer Stelle ausgetragen wurden …
Zum Schluss: Bereits in seiner Einführung erinnert Autor Manfred Nippe an die (Dauer-) Aufgabe, sich der zeithistorischen Entwicklungen im Sport zu vergewissern – sei es durch Zeitzeugenbefragungen, sei es durch den Aufbau von Archiven und die Sammlung von Dokumenten und Devotionalien.
Diese Herausforderung betrifft im Grunde den Sport in Gänze, also deshalb auch alle Sportarten bzw. deren Fachverbände im einzelnen.
So regt Manfred Nippe anlässlich dieser Chronik einmal mehr die Gründung von „Arbeitskreisen Geschichte" in den Berliner Sportverbänden und Vereinen an. Dieser Aufgabe könnten sich aber genauso alle Sportvereine und Verbände in ganz Deutschland verschreiben – schließlich produziert der Sport unaufhörlich Geschichte und Geschichten …
Manfred Nippe: Chronik der Berliner Sporteinheit. 1989 – 1991: Auf schnellen Wegen zum Miteinander. Sporthistorische Blätter 20. Berlin 2017. 44 S (Die Broschüre kann über das Sportmuseum bezogen werden)
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann