Blog
14
10
2021

Heinz Reifferscheid bei seiner Ehrung zum "Trainer des Jahres" - Foto: Wilfried Raatz

Wie die Eifel ein Laufzentrum wurde – Heinz Reifferscheid – Von Artur Schmidt in „SPIRIDON“

By GRR 0

Die Leichtathletik lebt von besonderen Menschen. Sowohl auf der Athleten- als auch auf der Betreuer-Trainer Ebene sind diese Personen Garanten für die Weiterentwicklung und Fortbestand der Leichtathletik.

Über Jahrzehnte haben Trainerinnen und Trainer in den verschiedenen Disziplinen hervorragende Arbeit geleistet, um die Sportler zu Höchstleistungen zu führen. Einer von ihnen ist Heinz (Hein) Reiferscheid aus dem kleinen Eifel Dörfchen Gönnersdorf.

„Hein“ so wie er von Freunden genannt wird, erblickte am 1. Juli 1941 als Sohn einer Gastwirtsfamilie das Licht der Welt.

Da kein Geld zum Besuch einer weiterführenden Schule vorhanden war, begann er nach Beendigung der Volksschule eine Ausbildung in der Kommunalverwaltung. In der Freizeit suchte er als Jugendlicher nach einer für ihn geeigneten Sportart.

Wie es zu damaligen Zeit üblich war, betätigen sich die „jungen Burschen“ im Jünkrather Turnverein. Hier stellte er aber alsbald fest, dass er auf grund seiner schwächlichen Statur für das Geräteturnen nicht geeignet war. Beim Fußball spielte das linke Knie nicht mit und so kam er erst mit zwanzig Jahren zur Leichtathletik. Inspiriert durch die Olympischen Spiele 1960 in Rom und den Erfolgen des deutschen Teams (Armin Hary etc.) wurde er von dieser Sportart infiziert.

Zwar war er kein Sprinter, kein Springer und kein Werfertyp. Er merkte bald, dass ihm als „Leichtgewicht“ das ausdauernde Laufen eher lag. Ehrgeizig begann er zu trainieren. Seinen ersten Erfolg konnte er 1961 mit dem Gewinn der Kreiswaldlaufmeisterschaft in Neunkirchen-Steinborn erringen.

                                                                                                                                                                          Heinz Reifferscheid  (r.) als Ruheständler – Foto: privat

Im Jahr 1965 hatte er es mit Fleiß und Zähigkeit geschafft, zu den besten Langstrecklern des damaligen Kreises Daun zu gehören. Oftmals traf er als Läufer und Trainer auf Johannes Kessler (LG Andernach-Neuwied). Johannes erinnert sich gerne an den symphatischen Sportler aus der Eifel. „ Lange Jahre hatten wir durch den Sport als Läufer und danach als Trainer einen intensiven Kontakt. Wir beide agierten in unserer Trainingsauffassung auf einer Wellenlänge und partizipierten vom Erfahrungsaustausch. „Hein“ ist für mich ein richtiger Kamerad“.

Bis 1969 verbesserte Heinz Reiferscheid seine persönlichen Bestzeiten (s. Leistungsskala).

Im Jahr 1971 sollte für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Die Aufgaben im gehobenen Dienst des Kreises als Werksleiter der Verbandsgemeinde Obere Kyll immer mehr in Beschlag. An ein geregeltes Leistungstraining war nicht mehr zu denken .

Die Liebe zur Leichtathletik war bei ihm nicht erloschen. Von seiner Ehefrau Ursula unterstützt begab er sich in das „Trainergeschäft“. Als Inhaber der B-Lizenz konnte er alsbald schon die Früchte seiner Arbeit mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Waldlauf, Halle und Bahn von Raimund Darscheid ernten. Das hoffnungsvolle Talent beendete jedoch schon im Jahr seines Erfolges leider seine sportliche Laufbahn. Der Verlust von Darscheid wurde jedoch schnell wieder durch das Auftreten des Mehreners Karl Fleschen kompensiert. Rasant stieg Karl in die absolute deutsche Spitze auf. Fortan trainierte Fleschen unter der Anleitung des ehemaligen Bundestrainers Lauf, Lothar Hirsch (Koblenz).

„Heinz ist derjenige der den Grundstein der Laufszene in der Eifel gelegt hat. Er hat es über Jahrzehnte verstanden, immer wieder junge Menschen für das Laufen zu begeistern und seinen Verein über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen. Er ist ein ruhiger, sachlicher und angenehmer Kollege mit einer großen Liebe zur Leichtathletik.“ So der der ehemalige Bundestrainer Lauf 1973-2004.

Mit den Schmitz Zwillingen Helga und Gisela und Dorothee Bormann – der späteren Ehefrau von Karl Fleschen – traten dann bereits 1974 drei Eifeler B-Jugendliche mit einem neuen deutschen B-Jugendrekord von 6.51.0 min. in Erscheinung. Einen weiteren entscheidenden Schub bekam die Leichtathletik 1972 durch die Gründung der LG Vulkaneifel. Fortan wurde diese Startgemeinschaft zum Sammelbecken der Laufelite in der Eifel.

Die Gerolsteiner übernahmen die seitherige Läufervorherrschaft von Trier und krempelten in kürzester Zeit die Bestenliste des LV Rheinlands auf den Mittel- und Langstrecken um. Namen wie Marc Kowalinski, Lars Haferkamp, Michael May und Carlo Schuff räumten bei deutschen Jugendmeisterschaften der männlichen Jugend so richtig ab. Marc Kowaliski einer des erfolgreichen Quartetts aus den 90 iger Jahren erinnert sich gerne an seinen Trainer.

Reiferscheid-Truppe 1999 mit von links: Lars Haferkamp, Marc Kowalinski, Michael May und Carlo Schuff. – Foto: privat

„Heinz war nich nur sehr fachkundig sondern hatte darüber hinaus die Gabe die Truppe zusammen zu halten und immer wieder zu motivieren. Der Teamgedanke stand für ihn im Mittelpunkt. Wir waren vier Freunde, die sich in hervorragender Weise ergänzten. Einer für Allle, das war unser Motto.“ Auch die Mädchen mit Anna Schuberth, Daniela Schneider, Viola Morandini und Diana Heck wurden zu Aushängeschildern des Landesverbandes Rheinland.

Ein Weggefährte von Heinz, der ehemalige Geschäftsführer des Leichtathletik-Verbandes-Rheinland Gerhard Paech schwärmt hoch heute von der Person Heinz Reiferscheid. „Heinz ist einfach einmalig. Er war ein Vorbild für mehrere Generationen. Er war für mich immer ein zuverlässiger Partner, der die Gabe hatte, zuhören zu können.“ Auch der heutige Geschäftsführer des Verbandes Achim Bersch (Andernach) ist voll des Lobes. „Er ist ein sehr ruhiger Vertreter, der mit viel Fachwissen ausgestattet ist. Es ist ihm über Jahrzehnte immer wieder gelungen Talente zu finden und diese auszubilden. Wir bräuchten heute mehre vom „Schlag Reiferscheid“.“

Heinz Reifferscheid musste und ging natürlich auch alle Veränderungen und Weiterentwicklungen im Verein mit. Neben dem Bau der „Fair Play Arena“ in Jünkerath und den strukturellen Veränderungen fand er immer wieder mit seinem Team Wege, die Leichtathletik in der Eifelregion am Leben zu erhalten. „Es hat mich viel Geld, Zeit und Nerven gekostet. Aber rückblickend muss ich sagen, dass ich diese Zeit nicht missen wollte. Ich würde es immer wieder so machen, da die Leichtathletik und jeder einzelne Athlet mir sehr viel zurückgegeben haben.“

Zwangsläufig wurde er für seine Arbeit mit vielen Ehrungen bedacht.

Sehr stolz ist er auf die Auszeichnung zum Trainer der Jahre 2005 durch German Road Races (s.Bild). Danach erhielt er für sein Lebenswerk 2006 die Verdienstmedaille des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und verschiedene Ehrungen der Verbände.

Wilfried Raatz übergibt die GRR Ehren-Urkunde zum Trainer des Jahres – Foto: Wilfried Raatz

Als er 2003 als Oberamtsrat der Kommune in den verdienten Ruhestand ging hatte er wieder für sein Hobby „ Leichtathletik“ mehr Zeit. Bis zu seiner fortschreitenden Stoffwechselerkrankung 2013 stellte er sich in den Dienst der LGV. Gerne hielt er sich mit seiner Ehefrau im Sommer in Texel auf, wo er Jahrzehnte zuvor mit seinem Team im Trainingslager war, und im Winter zum Skilanglauf im Tannheimer Tal (AUT).

Seine Krankheit setzte ihm zunehmend Grenzen, die er als erfolgreicher Coach jedoch bei sich selbst erkannt hat. „Entweder ganz oder gar nicht“ war und bleibt sein Motto. Bewegung ist auch an seinem 80 jährigen Geburtstag angesagt. „ Ich habe mir ein kleines Studio eingerichtet. Dort bewege ich mich altersgemäß. Ab und zu schnüre ich mir noch die Laufschuhe nach dem Motto „nur wer langsam läuft hat mehr vom Lauf“.

Er verfolgt auch noch heute die aktuelle Leichtathletik. Hier natürlich im Besonderen die Entwicklung von Samuel Fitwi Sibhatu, dem jetzigen Aushängeschild des LG Vulkaneifel, der von seinem Nachfolger Yannik Duppich zur deutschen Cross Meisterschaft 2020 und zum Vize EM Titel U 23 geführt wurde.

Wir wünschen der Trainerlegende aus der Eifel noch viele Läufe in seiner schönen Heimat und viele Jahre zusammen mit seiner Ehefrau Ursula.

Leistungsskala:
1500 m 4:09.7 (1965)
3000 m 8:47.0 (1968)
5000 m 15:26.4 (1967)
10 000 m 32:18.4 (1968)
3000 m H. 9:36.6 (1969
25 km 1:28.30 (1969)

Artur Schmidt in „SPIRIDON“ – Juli-August/7-8/2021

 

 

 

 

 

author: GRR