Die IOC Flagge - Foto: Horst Milde
Wie das IOC die WADA und damit sich selbst kontrolliert – Von KLAUS BLUME
Das ZDF-Journal führte sein Publikum mal wieder an der Nase herum.
Ob wissentlich oder in Unkenntnis der Sachlage – darüber mag der Zuschauer entscheiden. Da wurde doch, unreflektiert und umkommentiert, die Nachricht gesendet, das IOC habe die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) aufgefordert, bis zum Beginn der Olympischen Winterspiele am 8. Februar 2018 in Südkorea dafür zu sorgen, dass die Aufbewahrungsflaschen für Dopingproben endlich sicher seien.
Wie das denn?
Sagt denn niemand dem unwissenden Volk, dass IOC und WADA in ihren Schaltzentralen identisch sind? Das hier niemand dem anderen etwas vorschreiben kann? Bis auf die norwegische Kultusministerin Linda Hoftstad Hegland, die als unbescholtene WADA-Vizechefin in erster Linie als intellektuelles Feigenblatt geführt wird, sind doch fast alle Mitglieder der Führungscrew auch IOC-Mitglieder, und dort sogar in wichtigen Sonderämtern tätig.
Deshalb auch kritisiert Travis Tygart, als Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur, derjenige, der Lance Armstrong zu Fall gebracht hat: „In den meisten demokratischen Gesellschaften haben sie zwei Konzepte: Machtverteilung und Kontrolle. Aber im Sport ist die Legilative gleich Exekutive. Und: Die unübersehbare Dominanz der WADA schwächt den gesamten Sport."
Wie er das meint?
WADA-Chef Sir Craig Reedie muss als IOC-Vizepräsident von Amts wegen IOC-Präsident Thomas Bach zuarbeiten und ist damit nicht frei in seinen Entscheidungen als WADA-Vorsitzender. Obendrein hat er Freunde in aller Welt, deren Ruf zumindest höchst umstritten ist. Seinem persönlichen Freund Vitali Muitko zum Beispiel, zur Zeit gerade mal nicht russischer Sportminister, sondern stellvertretender Ministerpräsident, beruhigte er schon 2015, was auch immer die WADA gegen Russland durchführe, er, Reedie, habe niemals die Absicht, deshalb seine Freundschaft zu ihm aufs Spiel zu setzen; geschweige denn, diese zu zerstören.
Das war Reedies erste Reaktion auf die Russland-Recherchen der ARD.
Im September 2017 wies Reedie die Forderungen von 28 nationalen Anti-Doping-Agenturen ziemlich brüsk ab, Russland von den Winterspielen 2018 in Pyeonchang auszuschließen. Dem Londoner „Guardian" sagte er dazu, kurz angebunden, eine solche Aktion sei „wenig hilfreich."
Patrick Baumann, den die Sport-Fans so gut wie nicht kennen, ist die eigentliche Nummer 2 der WADA. Der Schweizer Anwalt gilt als IOC-Mitglied obendrein als Intimus von Thomas Bach – und so führt er auch seine Geschäfte.
Still und scheinbar unbeobachtet. Baumann leitet auch deshalb jene Kommission, die sich derzeit mit angeblichen russischen Doping-Verfehlungen befasst; bekanntlich gibt er über Hintergründe der Sperren und Ausschlüsse keine Auskunft. Warnt aber „ Freunde" im Internationalen Sportgerichtshof (CAS) unter der Hand schon mal vor möglichem Ungemach.
Zu Hilfe kommen ihm dabei zwei weitere Funktionen: Baumann ist uneingeschränkter Chef von Sportaccord, dem internationalen Dachverband aller Sportverbände der Welt, zu denen – und das ist in Sachen WADA entscheidend – auch der Weltverband der Sportmediziner gehört. Denn auch deren Boss ist Baumann.
Ugur Erdener aus der Türkei wiederum, der angeblich bei Erdogan immer ein offenes Ohr finden würde, gilt – neben Baumann – als zweiter enger Vertrauter von Thomas Bach. Obendrein als einer von dessen drei, vier wichtigen Ideengebern. Er ist zugleich Vorsitzender der medizinischen Kommission des IOC, die – inoffiziell, versteht sich – die WADA kontrolliert.
Erdener kann sich aber auch offiziell kontrollieren, nämlich als sogenannter IOC-Repräsentant bei der WADA. Das ist zwar eine Frage – aber eben eine typische in der großen Sportpolitik.
So richtig sauber scheint von den WADA-Chefs niemand zu sein. Jiri Kejval, die Nummer drei unter Reedie, steht nämlich daheim in Prag unter Druck, weil er die „ merkwürdige" (so heißt es im tschechischen Finanzministerium) Umverteilung öffentlicher Gelder an den tschechischen Sport ebenso wenig erklären kann, wie seine – inoffizielle – Nähe zu russischen Politikern. Deshalb steht seine Wahl ins IOC, wie schon im Sepember 2017 in Peru, auch im Februar in Pyeongchang erneut zur Debatte. Würde er im IOC fallen, würde damit auch einer der wichtigsten WADA-Palisaden um Reedie fallen.
Wer eröffnet dann das Feuer auf die WADA?
Zu allem passt, was die russischen Hacker von den Fancy Bears jetzt nachgereicht haben, eine e-Mail des IOC-Anwalts Harold Stupp an WADA-Chef Craig Reede vom 7. März 2017.
Dort soll stehen: Was Richard McLaren im Auftrag der WADA zu Tage fördere, müsse sich doch endlich auch juristisch so fest schnüren lassen, dass es endgültig zur vollständigen Vertreibung der Russen aus der olympischen Familie reiche.
Klaus Blume
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