Langstreckenläufer der Antike - Foto: Klaus Weidt
Wer läuft schon mal den Dolichos? Die alten Griechen rannten ihn bereits olympisch. Heute staunt aber selbst Olympia, wenn danach gefragt wird. Klaus Weidt erinnert sich
Ein paar Jahre liegt das nun zurück, ist mir aber unvergesslich. Ich suchte ich im historischen Städtchen Olympia den Bürgermeister auf, um ihm eine Idee mitzuteilen. Wir, eine große Läufergruppe, wollten nach dem Athen-Marathon Olympia besuchen, seine antiken Stätten bewundern, aber auch – einen Dolichos zu laufen.
Der, Georgi Aidonis, war sofort begeistert und versprach, allen Beteiligten spezielle Olympia-Souvenirs zu übergeben und den drei Schnellsten Siegerkränze aufzusetzen. Und wunderte sich: „Da müsst ihr aus Deutschland erst kommen, um unseren alten Lauf aufleben zu lassen!“
Soweit, so hervorragend die Resonanz im Bürgermeisterbüro. Der nächste Versuch aber scheiterte. Ich wollte im antiken Stadion zumindest eine Länge absolvieren lassen, ehe der Dolichos durch den Ort vollendet wird. Das, so machte mir die antike Olympia-Behörde am Stadion klar, „is not allowed“. Das alte Stadion steht unter Denkmalsschutz und kann nur besichtigt werden.
470 vor Christus erbaut, mit einer geraden Laufstrecke von 191,78 m, 31 m breit, Platz für damals 20 nebeneinander aufgestellte Läufer. Bis zu 40.000 Zuschauer sollen auf den Hängen Platz gefunden haben.
Eine der Laufreisegruppen aus Deutschland, die den Dolichos in Olympia liefen – Foto: Archiv Klaus Weidt
Im alten Griechenland gab es drei Laufdisziplinen: Stadion (182 – 192 m), Diaulos (Doppellauf), Dolichos (7 – 24 „Stadien“).
Später gesellte sich noch der Waffenlauf mit Helm, Schild und Schurz hinzu. Den Dolichos könnte man somit als Vorläufer des Dauerlaufs und wohl auch des sich viel später entwickelnden Marathons bezeichnen. Sein Ursprung war, nach Philostrat, folgender: Eilboten pflegten sich als Verkünder des Kriegs von Arkadien nach Hellas zu begeben, durften aber nicht reiten, sondern nur laufen. Sie gelten als die Vorbilder für den mehrfachen Stadionlauf. 720 vor Christus, bei der 15. Olympiade, so ist belegt, hatte der Dolichos 24 Stadionlängen, also 4614,48 m.
Wer ihn damals gewann, wissen wir nicht. Gelaufen wurde auf deiner knapp 192-m-Bahn hin und zurück, wobei im Gegensatz zum Diaulos um einen zentralen Mittelpfosten an beiden Stadionenden gewendet wurde. Überliefert ist eine nette Story vom Sieger Aegos, einem sogenannten Tages-Botenläufer, der 328 vor Christus den olympischen Dolichos-Siegerkranz erhielt. Mit diesem soll er noch am selben Tag vor Freude in seinen etwa 100 Kilometer entfernten Heimatort gejoggt sein.
Legende oder Wirklichkeit.
Lassen wir die schöne Geschichte stehen. Als wir mit der etwa 60- köpfigen Laufreisegruppe vom „Athens Classic Marathon“ in Olympia eintrafen, verwirklichten wir mit Bürgermeister, Polizei und einigen Organisatoren einen eigenen Dolichos-Plan. Nach der Besichtigung des antiken Stadions starteten wir am Rathaus und legten auf der Hauptstraße von Olympia eine fast exakt vermessene Strecke von 2307,24 m hin und dieselbe zurück. Damit haten alle den 24 Stadien-langen Dolichos gemeistert.
Start zum „Dolichos der Neuzeit“ – Foto: Klaus Weidt
Bürgermeister, Polizeichef und die ungläubig dreinschauenden Zuschauer waren begeistert. Allerdings gewann überraschend keiner aus dem Kreis unserer deutschen Lauftouristen. Ein Argentinier namens Marcelo de Bernados, der ebenfalls vom Athen-Marathon nach Olympia eilte, hörte von unserem Unterfangen und wurde nach 18:18 Minuten als Dolichos-Sieger der Neuzeit gefeiert.
Seitdem ist mir leider kein Dolichos-Läufer mehr bekannt geworden. Schade. Aber wer joggt heute schon eine so ungerade Strecke, auch wenn sie antik ist und eine interessante Geschichte hat…
Klaus Weidt