Doch nun gibt es die Entschädigung, die sportlich noch deutlich über dem Istaf vor wenigen Tagen in Berlin steht: das Weltfinale im Gottlieb-Daimler-Stadion
Weltfinale der Leichtathletik – Spannende Duelle im Daimlerstadion – Weltstars der Leichtathletik starten wahrscheinlich zum letzten Mal auf der grünen Laufbahn – Matthias Jung in der Stuttgarter Zeitung
Stuttgart – Für die deutschen Leichtathletikfans waren die Weltmeisterschaften neulich in Japan nur ein begrenztes Vergnügen. Zwar zeigten die Sportler gute Leistungen. Doch wegen der Zeitverschiebung fielen die Entscheidungen nach hiesiger Zeit tagsüber – also dann, wenn viele nicht vor dem Fernseher sitzen können. Ins Nagai-Stadion von Osaka hatte sich ohnehin kaum ein Deutscher aufgemacht.
Doch nun gibt es die Entschädigung, die sportlich noch deutlich über dem Istaf vor wenigen Tagen in Berlin steht: das Weltfinale im Gottlieb-Daimler-Stadion. Es bietet den Fans die internationalen Topstars an diesem Samstag und Sonntag hautnah. Dann kommen die besten Läufer, Springer und Werfer der World Athletics Tour (WAT) nach Stuttgart. Seit der WM sind erst drei Wochen vergangen, nun folgt die große Revanche.
Angekündigt haben sich dafür mehr als 70 Medaillengewinner von Osaka einschließlich einer ganzen Reihe von Weltmeistern. Dazu gehören neben den überaus erfolgreichen afrikanischen Mittel- und Langstrecklern auch die Supersprinter aus den USA und Jamaika. Einer der Topstars in Stuttgart ist der 100-Meter-Sprinter Asafa Powell. Zwar holte der Jamaikaner bei der WM nur Bronze, geschlagen von Tyson Gay (USA) und Derrick Atkins (Bahamas). Zwei Wochen später verbesserte er jedoch im italienischen Rieti seinen eigenen Weltrekord auf 9,74 Sekunden. Der 24-Jährige ist damit der erste Mensch, der nach der Einführung der elektronischen Zeitmessung vor 30 Jahren vier 100-Meter-Weltrekorde gelaufen ist.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) will bei der „Mini-WM“ vor allem mit seinen starken Werfern, Kugelstoßern und Stabhochspringern glänzen. „Wir werden beim Weltfinale viele spannende Duelle und starke Leistungen erleben“, sagt Andreas Kroll, Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft „In Stuttgart“.
Über dem Daimlerstadion wird aber auch ein Hauch von Abschied liegen. Denn die nach 2006 zweite Austragung in Stuttgart wird wohl schon die letzte sein. Das für 2008 geplante dritte Meeting wird von der Stadt aus finanziellen Gründen wahrscheinlich an den Leichtathletikweltverband IAAF zurückgegeben. Und von 2009 an will der deutsche Meister VfB Stuttgart das Stadion in eine reine Fußballarena ohne seine weltweit einzigartige grüne Laufbahn umbauen.
Damit dürfte in der schwäbischen Metropole eine große Leichtathletiktradition zu Ende gehen. Sie begann mit den deutschen Meisterschaften 1950 und reicht über die Europameisterschaften 1986 und die schon legendären Weltmeisterschaften 1993 bis zum diesjährigen Weltfinale. „Die Fans haben noch einmal die Chance, Topleichtathletik im Daimlerstadion zu sehen. Danach ist es wohl nicht mehr möglich“, sagt „In Stuttgart“-Sprecher Jörg Klopfer. „Doch das Stuttgarter Publikum ist sehr sportfachkundig, das war gerade wieder bei der Turn-WM Anfang des Monats zu sehen.“
Für viele Sportler ist der Abschluss der Freiluftsaison in Stuttgart sehr reizvoll. „Das Weltfinale ist noch einmal ein großes Highlight, nicht nur, weil es eine Menge Geld zu verdienen gibt“, sagt etwa die Offenburger Speerwurf-Europarekordlerin Christina Obergföll (Foto unten/dpa), die in Osaka gerade zum zweiten Mal Vizeweltmeisterin geworden ist. Der Reiz liegt auch in der Struktur der Veranstaltung: Innerhalb von jeweils etwa drei Stunden gibt es am Samstag- und Sonntagnachmittag insgesamt 36 Wettbewerbe – alle ohne Vorläufe und Ausscheidungen. „Es sind nur Finals, es geht Schlag auf Schlag. Und das alles mit den besten Athleten der Welt“, erklärt Jörg Klopfer.
Zu den deutschen Teilnehmern gehören neben Obergföll die Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch (Neubrandenburg) und Diskus-Vizeweltmeister Robert Harting (Berlin) sowie die WM-Dritten Danny Ecker (Stabhochsprung/Leverkusen), Nadine Kleinert (Kugelstoßen/Magdeburg) und Steffi Nerius (Speerwerfen/Leverkusen). Für Lokal- und Regionalkolorit sorgen neben Christina Obergföll, die von vielen Freunden und Bekannten unterstützt wird, auch Speerwerfer Peter Esenwein vom LAZ Kornwestheim-Ludwigsburg oder die Kugelstoßerin und WM-Fünfte Petra Lammert (Neubrandenburg), die bis 2005 für den VfB Stuttgart gestartet ist.
Für das Weltfinale qualifizieren mussten sich die Athleten bei den 24 Meetings der World Athletics Tour, zu denen auch die sechs Sportfeste der Golden League gehören. Abgeschlossen wurde diese Tour am vergangenen Sonntag beim Istaf in Berlin. Für die Wertung zählen die fünf besten Ergebnisse (vier bei den Würfen). Die sieben Erstplatzierten jeder Disziplin können in Stuttgart antreten – bei den Läufen über 1500 und 5000 Meter sowie 3000 Meter Hindernis sind es elf. Zudem wird pro Disziplin eine Wildcard vergeben. Davon werden auch einige deutsche Athleten profitieren. „In Stuttgart wird jeder noch einmal zeigen wollen, dass er zum Saisonende der Beste ist“, sagt Jörg Klopfer.
Für einen Sieg bei dem mit drei Millionen Dollar dotierten Weltfinale gibt es immerhin 30 000 Dollar. Der Zweitplatzierte erhält 20 000, der Dritte 12 000 und der Achte noch 2000 Dollar. Für einen Weltrekord würde die IAAF sogar 100 000 Dollar ausschütten.
Die Veranstalter hoffen, dass die Stimmung im Gottlieb-Daimler-Stadion derjenigen des vergangenen Jahres nicht nachsteht. Damals waren die Sportler sehr angetan von der Begeisterung der Zuschauer. Bei der voraussichtlichen Abschiedsvorstellung wünscht sich „In Stuttgart“-Chef Kroll daher ein gut gefülltes Stadion. „Das wäre ein tolles Bild und ein würdiger Rahmen für das Weltfinale.“
https://www.weltfinale.de
Matthias Jung
Stuttgarter Zeitung
Donnerstag, dem 20. September 2007