Dwight Phillips: Neun Meter sind das Maß, 9,20 Meter sein Ziel - Weitspringer Phillips: „Ich springe weiter als jemals zuvor”
Weitspringer Dwight Phillips – „Ich hoffe, mein Lucky Jump kommt noch“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
29. Juni 2009 Olympiasieger Dwight Phillips will als erster Weitspringer der Welt über neun Meter segeln und den Uralt-Weltrekord seines Landsmanns Mike Powell knacken. Der zweimalige Weltmeister (2003 und 2005) und große WM-Favorit für Berlin holte sich am Wochenende in Eugene/Oregon schon mal den amerikanischen Meistertitel – er gewann die Trials mit nur zwei Sprüngen und starken 8,57 Metern.
Vor wenigen Wochen sind Sie 8,74 Meter weit gesprungen. Ist das Ihr Comeback?
Ich habe ein paar Sachen gelernt, die mich auf einen neuen Level katapultieren können. Mein neuer Trainer, Laurence Seagrave, stellt meine technischen Schwächen ab. Comeback würde ich das nicht nennen.
Anzeige
Sie konnten sich nicht für Peking qualifizieren . . .
Abdominalmuskel, Archillessehne, Knie. Mein Körper war fertig, weil ich jahrelang technische Fehler gemacht hatte.
Wie groß war die Enttäuschung?
Ich habe erwogen, aufzuhören. Ich war müde, ich war innerlich und äußerlich verletzt, ich hatte keinen Spaß mehr. Vielleicht hat die Nicht-Qualifikation meine Karriere gerettet. Hätte ich eine Medaille gewonnen, hätte ich nach den Spielen von Peking Schluss gemacht.
Und wenn es, so müde wie Sie waren, die Bronzemedaille geworden wäre?
Ich wäre für den Rest meines Lebens unzufrieden gewesen. Auch wenn die vergangenen Jahre nicht die besten waren, habe ich doch die Fähigkeit, der Beste von allen zu sein. Ich bin viel gesprintet, um in Wettkampfstimmung zu kommen.
Sie sind 100 Meter in 10,06 Sekunden gelaufen. Warum sind Sie hier bei den US Trials eigentlich nicht im Sprint angetreten?
Eigentlich wollte ich das. Dann hat mein Coach mich gefragt: Was ist dir wichtiger: unter zehn Sekunden zu laufen oder den Meilenstein von neun Metern zu erreichen? Mit einem solchen Sprung wäre ich der Größte. Aber ich werde noch vor der Weltmeisterschaft in Europa ein paar Sprints laufen und versuchen, zehn Sekunden zu unterbieten.
Haben Sie noch einen Ausrüstervertrag?
Wenn man in mein Alter kommt, 31 Jahre, haben viele in diesen Firmen das Gefühl: Der ist ausgelaugt, der bringt’s nicht mehr. Ich habe allerdings das Gefühl, dass ich immer noch eine bemerkenswerte Person bin, und ich springe weiter als jemals zuvor.
Haben Sie Angebote erhalten?
Ich bin nicht bereit, anzunehmen, was sie mir wegen meines Alters anbieten. Es gibt eine Menge großer Athleten, die über dreißig waren, aber nicht wirklich alt. Ich habe gelernt: Verlange nur, was du auch verdienst. Und ich habe unser Land vertreten, Medaillen gewonnen. Ich habe das Gefühl, dass ich dafür belohnt werden sollte.
Neun Meter sind ihr Maß, fünf Zentimeter über dem Weltrekord von Mike Powell?
Dort war noch niemand.
Haben Sie es schon mal geschafft? Bei einem der übergetretenen Versuche von Hengelo vielleicht?
Nein, noch nie. Im Training springen wir nicht mit dem vollen Anlauf. Und in Hengelo, als ich einen Zentimeter übergetreten war, sagte mir einer der Kampfrichter, dass es 8,80 Meter gewesen seien.
Was sagt Ihnen der Name Sebastian Bayer?
Er ist gut. Ich habe gesehen, was für einen guten Sprung er in Turin hatte. Vorher hatte ich noch nie von ihm gehört.
Seit diesen 8,71 Metern kämpft er darum, stetig über acht Meter zu springen. Ist eine solche Sprunghaftigkeit bei Weitspringern üblich?
Ich hatte nie eine Verbesserung von einem halben Meter in einem Wettbewerb. Ich wünschte, das gäbe es: dass ich 8,20 Meter springe und dann 8,70. Solche Schwankungen können passieren. Auf Bayer schauen in Deutschland jetzt alle und erwarten, dass er seine Weite wiederholt. Vielleicht erlebt er das als Druck.
Gibt es im Weitsprung so etwas wie beim Boxen den Lucky Punch?
So was gibt es. Ich habe schon gesehen, dass jemand in einem Versuch alles richtig macht. Ich hoffe, mein Lucky Jump kommt noch: mit 9,20 Metern.
Wären Sie zufrieden, die neun Meter einmal zu übertreffen?
Ich will es ein paarmal machen. Dann könnte niemand sagen, dass ich Glück hatte.
Aus der Trainingsgruppe von Irving Saladino waren zwei Springerinnen positiv. Die eine kommt zurück und wird Olympiasiegerin.
Das weiß man alles. Aber ich muss mich auf mich selbst konzentrieren. Wenn ich in Bestform bin, glaube ich nicht, dass ein Doper mich in meiner Sportart schlagen kann. Wenn Athleten mit solchen Trainern arbeiten, muss man das bekanntmachen. Die Leute sollen wissen, wer mit Dopern kooperiert.
Sie sind als Vierzehnjähriger von einem Lastwagen überfahren worden und haben sich dabei beide Beine gebrochen. Wie sind Sie mit diesem Unfall und seinen Folgen fertig geworden?
Als Kind habe ich durch meine Verletzung gelernt, Widerstände zu überwinden. Ich habe verstanden, dass man aus dem tiefsten Tief zurückkommen und es besser machen kann als zuvor. Ich habe seither einen enormen Willen und große Entschlossenheit.
Sie laufen, werfen, gehen, springen und haben dabei nur ein Ziel: Die Leichtathletik-WM vom 15. bis 23. August in Berlin. FAZ.NET begleitet die Topathleten auf ihrem Weg zu dem Sportereignis des Jahres: „Berlin, Berlin“ – Der Countdown zur Leichtathletik-WM 2009. Noch sieben Wochen.
Das Gespräch führte Michael Reinsch. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Montag, dem 29. Juni 2009