Blog
15
04
2013

(v.l.): Pacemaker Frederick Ngeny, Jan Fitschen, André Pollmächer und Philipp Pflieger. ©wus-media - Wilfried Raatz

Wattenscheider Doppelschlag in Refrath – Jan Fitschen und Eleni Gebrehiwot überlegene Deutscher Halbmarathon-Meister – Starkes Debüt von Philipp Pflieger – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Eine Deutsche Meisterschaft im Halbmarathon in Refrath mit zwei herausragenden Titelträgern, aber auch mit kleinen Problemen. So war selbst am späten Sonntagabend die Ergebnisliste nirgends online zu lesen. Ein Fauxpas, der angesichts der immer stärker vernetzten Welt nicht hätte passieren dürfen.

Im Verbund mit einer mäßigen Pressebetreuung vor Ort braucht sich niemand zu wundern, weshalb die Leichtathletik in der Öffentlichkeit eher in dritter Reihe steht. Die Athleten können dafür am wenigsten, denn diese haben ihre Leistung auf den 5,275 km-Pendelkurs im Bergisch-Gladbacher Stadtteil Refrath abgeliefert. Manche exzellent, manche allerdings weniger.

Eines jedenfalls ist auffällig: Die Leistungsdichte in der Spitze ist sehr dünn bis nicht vorhanden. Wo sind sie denn, die viel versprechenden Talente? Altmeister ihres Faches wie Karl Fleschen oder Herbert Steffny oder Trainerlegenden wie Lothar Pöhlitz haben jedenfalls sehenden Auges erfahren können, wie es derzeit um den deutschen Straßenlauf bestellt ist.

Hinter den beiden überzeugenden Jan Fitschen und Philipp Pflieger klafft eine Lücke von drei bzw. zwei Minuten zum Meisterschaftsdritten, bei der aus Äthiopien stammenden Frauensiegerin Eleni Gebrehiwot sind es zweieinhalb Minuten. Wolfgang Heinig, der neue Leitende Bundestrainer Laufen, wird im Verbund mit seinem Disziplinkollegen viel Herzblut aufbringen müssen, um den längst ins Stocken geratene Laufbereich wieder in die Gänge zu bringen.  

Das erwartete Frühlings-Temperaturhoch blieb erfreulich aus, dennoch gab es mit leistungsfördernden 12 bis 14° C gute Laufbedingungen, leichter Wind und eine nicht zu unterschätzende leichte Steigung konnten hier und da für „Entschuldigungen“ stehen – aber diese Einschränkungen gab es für das Wattenscheider Siegerpaar nicht. Jan Fitschen ließ sich nach seiner Rückkehr aus dem US-Trainingscamp in Flagstaff nichts vormachen und lief nach 1:03:22 Stunden als überlegener Sieger ins Ziel. So schnell übrigens wie seit fünf Jahren kein deutscher Läufer mehr!  

Doch ein Alleingang wurde es keineswegs, denn der als Pacemaker eingesetzte Frederick Ngeny (Kenia), beim Paderborner Osterlauf in 28:02 Zweiter, beim Berliner Halbmarathon mit 1:01:37 Fünfter, begleitete ihn 19 (!) km lang und hatte maßgeblichen Anteil an der neuen Bestmarke des 35jährigen, die er zugleich um achtzig Sekunden unterbieten konnte. „Wegen eines Trainingsrückstandes habe ich auf einen Frühjahrsmarathon und damit auf einen WM-Start verzichtet und werde einige kleinere Straßenläufe den Sommer über bestreiten“, so Jan Fitschen freudestrahlend im Ziel. „Wo ich allerdings im Herbst laufen werde, das steht noch nicht ganz fest!“

Für eine klasse Leistung sorgte Debütant Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) als Zweiter in 1:04:11 Stunden – und gab damit ein halbes Jahr früher als eigentlich geplant seinen Einstand auf der Halbmarathondistanz. „Ganz ok für das erste Mal!“ strahlte ein nicht minder zufriedener Regensburger, der zwar gerne eine 1:03 gelaufen wäre, aber wegen leichter Atemprobleme und Seitenstichen etwas kürzer treten musste und das starke Trio mit zunächst Ngeny, Fitschen und Andre Pollmächer (rhein-marathon düsseldorf) nach sieben Kilometern erstmals verlassen musste, zwar wieder „berg“ab den Anschluss schaffte, aber nach der zweiten Schleife den Kampf alleine gegen die Uhr und die Konkurrenz aufnehmen musste.

Und André Pollmächer? Der nach seinen starken Vorleistungen in diesem Frühjahr als leichter Favorit ins Rennen gegangene Düsseldorfer hatte offensichtlich nicht mit dem hohen Anfangstempo von Frederick Ngeny und Jan Fitschen gerechnet und verabschiedete sich noch vor der 10 km-Marke, vielleicht aus kluger Voraussicht auf den Marathonstart in seiner Wahlheimat am Rhein, aus dem Feld.

Den Kampf um Rang drei gewann Vitaly Rybak (ART Düsseldorf) in schon enttäuschenden 1:06:26 Minuten und einer Sekunde Vorsprung vor Tobias Schreindl (LC Aichach), der somit hauchdünn an einer Medaille vorbeigeschrammt war. Tim Arne Siedenstein hatte in diesem furiosen Finale keine Chance und lief als Fünfter über die Ziellinie.

Die schon im Cross auffälligen Jens Nerkamp (1:06:44) und der neue Juniorenmeister Jonas Koller (1:06:59) rundeten einen zumindest dichten Zieleinlauf ab. Aber diese Burschen sind gottlob ein Hoffnungschimmer, denn Pflieger ist 26, Schreindl 25, Sidenstein und Nerkamp 24 – und Koller erst 20. Der älteste Finisher unter den fünfzehn Tagesschnellsten ist der Heilbronner Holger Freudenberg mit 1:08:01 Stunden und gehört dem Jahrgang 1977 an und neben Jan Fitschen der einzige Läufer über dreißig… .  

Bei dem um 13.00 Uhr gestarteten „gemischten Rennen“ der Frauen (mit allen Altersklassen) und den Mastersläufern über 50 Jahren lief nach exakt zehn Kilometern und 34:43 Minuten die deutsche Crossmeisterin Eleni Gebrehiwot auf und davon und hatte im Nu einen kleinen Abstand zu ihren einzigen Webbegleitern Hans-Joachim Herrmann (LG Passau) und Reinmund Hobmaier (PTSV Rosenheim) herausgelaufen.

Von nun an wurde es ein einsames Rennen für die kleine im TVW-Dress, die vor zwei Wochen in Paderborn mit 32:13 eine erste „Duftmarke“ als Dritte des stark besetzten 10 km-Laufes setzen konnte. „Jetzt kann Titel Nummer drei kommen“, freute sich die 29jährige schon im Ziel auf die deutschen 10.000 m-Meisterschaften in Bremen. “Das Rennen hat mir großen Spaß gemacht. Ich wollte zwar schneller laufen, aber alleine ist es doch sehr schwer….“. Mit 1:13:15 gab es allerdings eine eher enttäuschende Leistung der von Tono Kirschbaum trainierten gebürtigen Äthiopierin.

Aus einer zunächst schlagkräftigen Verfolgergruppe konnte sich die Neu-Regensburgerin Carolin Aehling scheinbar problemlos lösen und lief nach 1:15:42 Stunden als klare Zweite ins Ziel. „Mit Platz zwei habe ich wenigstens ein Ziel erreicht, mit der Zeit bin ich allerdings nicht zufrieden!“ Trotz leichter gesundheitlicher Probleme hatte die aus dem Münsterland stammende 24jährige mit einer 1:14er Endzeit geliebäugelt. Doch das war es zunächst für Carolin, die ihr Hauptaugenmerk derzeit auf den Bahndistanzen sieht, ehe sie zum Herbst wieder auf der Straße zu sehen sein wird. Wie zum Beispiel bei den deutschen 10 km-Meisterschaften in Bobingen.

Dagegen verlief für die gleichaltrige Maike Schön (LAZ Puma Rhein-Sieg) das Rennen wie ein Traum. Selbst ihr Trainer Thomas Eickmann musste ihr im Zielauslauf immer wieder neu klar machen, was sie gerade erreicht hatte – nämlich Rang drei bei „Deutschen“. Mit einem Quantensprung von zweieinhalb Minuten war ihr nämlich gerade eine Verbesserung auf 1:16:22 Stunden gelungen. Die stärker eingeschätzten Steffi Volke (1:16:56) und Silke Optekamp (1:18:54) landeten auf den Plätzen fünf und acht. Als Neunte wurde Melanie Stremper (TSV Bayer 04 Leverkusen) Siegerin der Juniorinnen mit 1:19:12.     

Mit Philipp Pflieger, Jonas Koller und Fabian Alraun holte sich die LG Telis Finanz Regensburg den Titel bei den Männern, mit Carolin Aehling, Steffi Volke und Susanne Schulze auch den bei den Frauen. Das Nachsehen hatten die SG Wenden mit dem verpassten Hattrick bei den Männern und das LAZ Puma Rhein-Sieg mit allerdings schon zehn Minuten Rückstand bei den Frauen.

Als Jung-Senior holte sich Jan Fitschen zudem noch den Titel in der M 35, bei den Frauen war dies die überraschend stark laufende Berlinerin Cornelia Schindler (SCC) vor Steffi Volke. Das Duell hinter Eleni Gebrehiwot um den schnellsten M 50-Senior gewann übrigens Raimund Hobmaier vom PTSV Rosenheim nach 1:13:22 gegen Hans-Joachim Herrmann (LG Erlangen).

Auf Missverständnis stieß die Disqualifikation des vielfachen deutschen Meisters Winfried Schmidt, der wegen unzulässiger Radbegleitung zunächst mit der gelben Karte verwarnt und wegen Begleitung eines Teamkollegen auf der Zielgeraden aus der Wertung genommen werden musste. Vor allem die Radbegleitung ist ein Missstand, der hier geahndet wurde, aber bei den Topevents bei Managern und Trainern längst zur gängigen Praxis geworden ist.

 
Wilfried Raatz

author: GRR

Comment
0

Leave a reply